An zweiter Stelle dann heute der LG Dresden, Beschl. v. 15.09.2023 – 17 Qs 77/23, in dem das LG die Grenze für den bedeutenden Schaden i.S. des § 69 Abs. 1 Nr. 3 StGB – also Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 146 StGB) auf (derzeit) nicht unter 1.800 EUR angehoben hat:
„a) Gemäß § 111a StPO kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluss die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird. Nach § 69 Abs. 1 StGB setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis voraus, dass der Beschuldigte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, wobei nach Abs. 2 Nr. 3 der Vorschrift in der Regel der Täter als ungeeignet anzusehen ist, wenn er im Falle eines hier verfahrensgegenständlichen unerlaubten Entfernens vom Unfallort weiß oder wissen kann, dass an fremden Sachen ein bedeutender Schaden entstanden ist.
aa) Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines objektiv bedeutenden Schadens. Darüber hinaus ist die Erkennbarkeit der Schadenshöhe für den Täter zum Tatzeitpunkt maßgeblich (vgl. etwa Kammerbeschluss v. 08.02.2023, Az. 17 Qs 11/23).
Eine konkrete Schadenshöhe hat der Gesetzgeber dabei nicht vorgegeben, sodass es Aufgabe der Gerichte ist, diese zu bestimmen.
bb) Im Ansatz zutreffend hat sich das Amtsgericht Dresden davon leiten lassen, dass nach der Kommentierung unter Verweis auf die Rechtsprechung, unter anderem des Oberlandesgerichts Dresden, von gegenwärtigen Grenzen von ca. 1.300 EUR bzw. jedenfalls nicht unter 1.500 EUR auszugehen sei.
Allerdings ist nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts (und nach Abstimmung der dortigen Senate) die allgemeine Preis- und Einkommensentwicklung ausdrücklich zu berücksichtigen (OLG Dresden, Beschluss v. 12.05.2005 — 2 Ss 278/05, zitiert nach juris, dort Rn. 12), weswegen das Oberlandesgericht Dresden damals gerade erst ab 1.300 EUR einen bedeutenden Schaden annahm.
cc) Angesichts der weiter vorangeschrittenen Inflation ist die Wertgrenze anzupassen, weshalb derzeit ein bedeutender Schaden nicht unter 1.800 EUR anzunehmen ist.
(1) Dies folgt daraus, dass laut Statistischen Bundesamt im Januar 2023 (Tatzeit: 20.01.2023) allein die Teuerungsrate 8,7 % betrug. Für das vergangene Jahr 2022 betrug die Jahresteuerungsrate 7,9 %. Im Jahr 2021 belief sie sich auf 3,1 % und im Jahr 2020 betrug sie 0,5 % (vgl. die Destatis-Pressemeldungen Nr. 69 v. 22.02.2023; Nr. 22 v. 17.01.2023; Nr. 25 v. 19.01.2022; Nr. 25 v. 19.01.2021).
(2) Ausgehend von einer Grenze in Höhe von 1.500 EUR aus dem Jahr 2019 (noch LG Dresden, Besohl. v. 07.05.2019 — 3 Qs 29/19) war die Annahme des bedeutenden Schadens entsprechend einer Erhöhung um die jeweiligen Prozentwerte für die Folgejahre 2020 bis 2023 anzupassen. Bei stetiger Erhöhung des Ausgangswertes von 1.500 EUR um diese jeweiligen Jahresteuerungsraten ergibt sich, bei geringfügiger Rundung, ein Wert in Höhe von 1.800 EUR.
(3) Ebenso ergibt sich, unter geringfügiger Rundung, ein Wert in Höhe von 1.800 EUR bei Heran-ziehung der noch 2005 vomn Oberlandesgericht Dresden erkannten Wertgrenze von 1.300 EUR und stetiger Erhöhung dieses Wertes um die seitdem zu berücksichtigenden Jahresteuerungsraten bis 2023, wie folgt (Veränderung Verbraucherpreisindex laut Destatis, Genesis-Online):
Jahr Wert zu Jahresbeginn Jahresteuerungsrate Bemerkung
2005 1.300,00 € 1,6 %
2006 1.320,80€ 1,6%
2007 1.341,93 € 2,3 %
2008 1.372,80 € 2,6 %
2009 1.408,49 € 0,3 %
2010 1.412,72€ 1,0%
2011 1.426,84 € 2,2 %
2012 1.458,23 € 1,9 %
2013 1 A85,94 € 1,5%
2014 1.508,23 € 1,0 %
2015 1.523,31 € 0,5 %
2016 1.530,93 € 0,5 %
2017 1.538,58 € 1,5 %
2018 1.561,66 € 1,8 %
2019 1.589,77 € 1,4 %
2020 1.612,03 € 0,5 %
2021 1.620,09 € 3,1 %
2022 1.670,31 € 7,9 % Pressemitteilung 022/2023
2023 1.802.26 €b) Da bei zutreffender Auffassung des Beschwerdeführers ohne eine bisher erfolgte Reparatur der gutachterlich ermittelte Netto-Sachschaden in Höhe von 1/00 EUR heranzuziehen ist, der unterhalb der nach Auffassung der Kammer derzeit anzusetzenden Wertgrenze von 1.800 EUR liegt, fehlt es an den Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 StPO i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.“