Und als zweite Entscheidung dann hier etwas vom KG, und zwar der KG, Beschl. v. 04.05.2023 – 3 ORs 20/23 –zum Zeitpunkt des Vorsatzes bei Unterlassungsdelikten betreffend die Änderungsmitteilung bei Bezug von Sozialleistungen.
Das LG hatte den Angeklagten wegen betruges verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte:
1. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges. Die Auffassung des Verteidigers, der Eintritt eines Schadens sei dann zu verneinen, wenn der Täter von Anfang an von einer „Kompensation seiner Unterlassung“ ausgeht und von vornherein bereit ist, den Erfolg zu beseitigen, und dass ein solcher Täter mangels „Beendigungsvorsatzes“ ohne Bereicherungsabsicht handele, vermag nicht zu überzeugen.
Soweit der Verteidiger die Auffassung vertritt, es sei kein Schaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB eingetreten, verkennt er, dass dieser bereits mit der täuschungsbedingt erfolgten ersten unberechtigten Überweisung der Sozialleistung eingetreten und die Tat dadurch vollendet worden ist. Dass der Angeklagte – wie von ihm behauptet – darauf vertraut hat, die Behörde werde ihn im Anschluss daran zur Rückzahlung auffordern, und er den überzahlten Betrag nach deren Aufforderung zurückgezahlt hat, ist folglich für den Schadenseintritt und den darauf bezogenen Vorsatz ohne Bedeutung. Bezeichnenderweise spricht der Verteidiger in diesem Zusammenhang von einer Bereitschaft des Täters, den Erfolg zu beseitigen.
Wie sich aus § 16 Abs. 1 StGB ergibt, muss der Täter bei Begehung der Tat alle Umstände kennen, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Als maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei (allein) auf die Vornahme der tatbestandlichen Handlung abzustellen (vgl. BGHSt 63, 88 m.w.N.; NStZ 2018, 27; NJW 2015, 3178; Vogel in StGB Leipziger Kommentar 12. Aufl.; § 15 Rdn. 53 m.w.N.; Fischer, StGB 70. Aufl., § 16 Rdn. 2). In Fällen des Betruges durch Unterlassen ist daher maßgebend, wann der Täter verpflichtet gewesen wäre, die rechtlich gebotene Handlung vorzunehmen. Da ein Leistungsberechtigter nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet ist, leistungsrelevante Änderungen seiner Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen, ist darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt es für ihn ohne schuldhaftes Zögern möglich ist, die erforderlichen Angaben zur Änderung seiner (Arbeits-) Verhältnisse zu machen, und sind darauf bezogene Feststellungen durch das Tatgericht zu treffen. Das Erfordernis eines auf die Tatbeendigung gerichteten und bis dahin andauernden Vorsatzes kennt das Gesetz demgegenüber nicht; Feststellungen dazu sind entbehrlich.
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil, indem mitgeteilt wird, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt eigenständig die Veränderung seiner Verhältnisse mitgeteilt hat und in Kenntnis seiner Mitteilungspflicht dazu auch nicht gewillt war, sondern den überzahlten Betrag erst nach entsprechender Aufforderung der Behörde zurückgezahlt hat….“