Und dann zum Schluss des Tages hier noch der OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.01.2023 – 1 Ws 309/22. Der behandelt zwei Fragen. Ich stelle ihn heute wegen der Anfechtung einer/der Kostenscheidung durch den Nebenkläger vor, wegen der anderen Frage komme ich auf den Beschluss noch einmal zurück.
In dem Verfahren sind die beiden Angeklagten durch Urteil des AG wegen einer gefährlichen Körperverletzung, begangen zum Nachteil des Nebenklägers, zu Geldstrafen verurteilt worden. Die notwendigen Kosten des Nebenklägers wurden den Angeklagten auferlegt.
Gegen dieses Urteil haben beide Angeklagte zunächst Berufung eingelegt, diese aber mit anwaltlichen Schreiben wieder zurückgenommen. Das LG hat den beiden Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten der Berufung und ihre Auslagen auferlegt. Eine Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen des Nebenklägers ist unterblieben. Der Nebenkläger wendet sich dann mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die unterlassene Entscheidung über seine eigenen notwendigen Auslagen.
Die GStA hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers die Kosten- und Auslagenentscheidung des LG dahingehend zu ergänzen, dass die Angeklagten die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen haben. Die Angeklagten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Einer der Angeklagte hat dabei u.a. vorgetragen, die sofortige Beschwerde sei gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz i. V. m. § 400 StPO nicht zulässig.
Das Rechtsmittel hatte beim OLG Erfolg:
„1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist formgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingegangen und auch nach § 464 Abs. 3 StPO statthaft. Der Statthaftigkeit steht im vorliegenden Fall § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung unzulässig, wenn ein Rechtsmittel in der Hauptsache nicht statthaft ist. Das ist trotz § 400 Abs. 1 StPO und der durch die Berufungsrücknahmen rechtskräftigen erstinstanzlichen Verurteilungen der Angeklagten wegen der Tat, für die der Nebenkläger anschlussberechtigt war, nicht der Fall.
Der Senat hat sich bereits mit Beschluss vom 10. Februar 2021 (Az. 1 Ws 289/20, nicht veröffentlicht) der Ansicht angeschlossen, dass die §§ 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz, 400 Abs. 1 StPO der Anfechtung der Kostenscheidung durch den Nebenkläger nicht entgegenstehen. § 400 Abs. 1 StPO beseitigt nicht die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels, sondern versagt dem Nebenkläger nur für einen bestimmten Fall die Beschwer (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 1998, Az.: 3 Ws 464 – 466/98, Rn. 4; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. August 2002, Az.: 5 Ws 54/02, Rn. 5; OLG Naumburg, Beschluss vom 21. September 2001, Az.: 1 Ws 329/01, Rn. 12; OLG Jena, Beschluss vom 22. Januar 2010, 1 Ws 525/09, Rn. 12 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. Oktober 2012, Az.: 4b Ws 25/12, Rn. 5, jeweils zit. nach juris). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO kommt es jedoch nur auf die Statthaftigkeit an, sodass sonstige Zulässigkeitshindernisse außer Betracht bleiben.
Zwar betraf die Entscheidung des Senats vom 10. Februar 2021 konkret lediglich den Fall, dass die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen wurde und nicht die hier vorliegende Fallgestaltung, bei der die Berufungen der Angeklagten zurückgenommen wurden. Auch in diesem Fall wäre aber ein ohne die Berufungsrück-nahmen ergangenes Urteil der Berufungskammer für den Nebenkläger grundsätzlich gemäß § 401 StPO mit der Revision anfechtbar, sodass ein Rechtsmittel gegen die Hauptentscheidung und damit auch gegen die Kostenentscheidung statthaft gewesen wäre. Bei der aufgrund der Berufungsrücknahme ergangenen Kostenentscheidung kann nichts anderes gelten (OLG Hamburg, Beschluss vom 9. Juni 2015, Az.: 1 Ws 69/15, Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2001, Az.: 2 Ws 141/01, Rn. 7; KG, Beschluss vom 26. Mai 2000, Az.: 3 Ws 112/00, jeweils zit. nach juris).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich nach dem voraussichtlichen (Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Aufl. 2023, § 304, Rn. 32 m. w. N., zit. nach beck-online) Kosten- und Auslagenbetrag bestimmt, dürfte den Wert von 200,- Euro (§ 304 Abs. 3 StPO) selbst dann übersteigen, wenn die Verfahrensgebühr des Nebenklägervertreters für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 4124 VV RVG zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer wegen des bis zur Rücknahme eher geringen Umfangs der vom Nebenklägervertreter entfalteten Tätigkeit maßvoll bemessen wird.
Diese Gebühr ist auch schon entstanden…….“