BtM I: Besitz von BtM setzt Besitzwillen voraus, oder: Allein Kenntnis/Billigung der Lagerung keine Beihilfe

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Und heute dann ein „BtM-Tag“ 🙂 , also ein Tag mit Entscheidungen zu BtM.

Zunächst hier das BGH, Urt. v. 08.12.2022 – 5 StR 351/22. Das LG hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„1. Der Bruder des Angeklagten brachte Mitte August 2021 etwa 2.620 Gramm Marihuana mit knapp 220 Gramm THC, fast 3.420 Gramm Haschisch mit gut 1.050 Gramm THC und rund 272 Gramm Kokain mit circa 226 Gramm CHC in das Gästezimmer der Wohnung des Angeklagten, um die Betäubungsmittel für den sukzessiven gewinnbringenden Weiterverkauf zu lagern. Er hatte das Zimmer früher zeitweilig bewohnt und verfügte noch über einen Wohnungsschlüssel. Aufgrund dessen konnte er die in zwei Sporttaschen, einer karierten Einkaufstasche, einer Kunststofftüte und drei Plastiktüten verstauten Betäubungsmittel in die Wohnung bringen, ohne dass der Angeklagte hiervon Kenntnis erlangte. Nachdem dieser auf die im Gästezimmer gelagerten Drogen aufmerksam geworden war, bat er seinen Bruder, sie wegzuschaffen. Dieser sagte zu, der Bitte nachzukommen, sobald er einen anderen Lagerort gefunden habe. Der Angeklagte „nahm dies hin, wobei er seinem Bruder zu verstehen gab, dass eine weitere Lagerung im Gästezimmer allenfalls noch für eine kurze Zeit bzw. wenige Wochen in Betracht komme, um seinen Bruder zu einem zügigen Herausschaffen der Betäubungsmittel aus der Wohnung zu bewegen.“ Auch im weiteren Verlauf inspizierte der Angeklagte die Sportaschen und die Einkaufstüte nicht und fasste sie nicht an. Aufgrund des Geruchs nahm er an, dass es sich bei den Drogen um größere Mengen Marihuana handelte. Von den weiteren Betäubungsmittelarten und den Mengen blieb er in Unkenntnis. Die zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel und weitere fast 19 Gramm Marihuana mit rund  1,9 Gramm THC, die der Angeklagte für den Eigenkonsum unterhalb des Couchtisches im Gästezimmer verwahrte, wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung am 2. September 2021 sichergestellt.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten mit Blick auf das zu seinem Eigenkonsum bestimmte Marihuana wegen Besitzes von Betäubungsmitteln für schuldig befunden. Im Übrigen habe ihm kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden können. Ein Besitz an den im Gästezimmer gelagerten Drogen seines Bruders sei nicht gegeben, denn der Angeklagte habe mit ihnen „zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise umgehen oder sie in seiner Wohnung“ haben wollen. Eine Beihilfe zum Handeltreiben seines Bruders durch ein Tun scheide aus, weil er „keine aktive Hilfe“ zum Betäubungsmittelhandel seines Bruders geleistet habe; für eine Verurteilung wegen einer Beihilfe durch Unterlassen fehle es an einer Garantenstellung des Angeklagten.

Dazu meint der BGH:

„1. Entgegen der Auffassung der Revision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einer Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgesehen hat.

a) Besitz im Sinne des Betäubungsmittelrechts setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten. Besitzer im betäubungsmittelrechtlichen Sinne ist dabei nicht nur ein Eigenbesitzer. Auch ein Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will, besitzt die Betäubungsmittel; das gilt insbesondere für den Verwahrer (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2022 – 1 StR 75/22 Rn. 7; vom 18. November 2021 – 3 StR 131/21 Rn. 9).

b) Gemessen daran hält die rechtliche Würdigung des Landgerichts der Nachprüfung stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht mit Recht einen Besitzwillen des Angeklagten verneint. Zwar „nahm“ der Angeklagte danach ausdrücklich „hin“, dass sein Bruder „jedenfalls … größere Mengen Marihuana“ – wenn auch nur für eine kurze Zeit – im Gästezimmer seiner Wohnung aufbewahrte. Dies allein genügt aber nicht für die rechtliche Wertung, er sei Besitzer der Betäubungsmittel gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 1 StR 75/22 Rn. 8). Ein Verhalten des Angeklagten, das über die bloße Billigung der kurzzeitigen Lagerung in der Wohnung hinausging, hat das Landgericht nicht festgestellt, vielmehr aber gewichtige gegen einen Besitzwillen des Angeklagten sprechende Umstände: Die Betäubungsmittel wurden ohne seine Kenntnis in seine Wohnung gebracht. Sein Bruder verfügte über einen eigenen Schlüssel zu der Wohnung und ging dort selbständig ein und aus; er konnte daher jederzeit ohne die Mitwirkung des Angeklagten auf die Drogen zugreifen. Der Angeklagte ließ die Betäubungsmittel, die größtenteils in nicht einsehbaren Taschen verpackt waren, unangetastet und drängte seinen Bruder dazu, sie zügig aus der Wohnung zu schaffen. Dem Umstand, dass er mit seinem Bruder über die kurzzeitige Fortdauer der Lagerung der Drogen im Gästezimmer der Wohnung sprach und sie nicht nur stillschweigend hinnahm, kommt unter diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht zu. Soweit die Revision anführt, der Besitzwille ergebe sich daraus, dass der Angeklagte sich ausdrücklich dazu bereit erklärte, „die Drogen für seinen Bruder … zu verwahren“, löst sie sich von den Urteilsfeststellungen. Es ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe mit Betäubungsmitteln „zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Weise umgehen oder sie in seiner Wohnung haben“ wollen, und aufgrund dessen einen (Eigen- oder Fremd-) Besitzwillen des Angeklagten verneint hat.

3. Das Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung auch stand, soweit das Landgericht sich an einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gehindert gesehen hat.

Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Kenntnis und Billigung der Lagerung von Betäubungsmitteln in der Wohnung ohne eine irgendwie geartete, die Handelstätigkeit objektiv fördernde Unterstützungshandlung nicht die Voraussetzungen der strafbaren Beihilfe erfüllt  (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 – 6 StR 227/20 Rn. 3, StV 2021, 423).

a) Einen derartigen Unterstützungsbeitrag des Angeklagten durch positives Tun hat es indes nicht festgestellt. Insbesondere lässt sich den Urteilsfeststellungen keine auf die künftige Billigung des Rauschgifthandels in der Wohnung bezogene Zusage des Angeklagten entnehmen, die als psychische Unterstützung der Taten des Mitangeklagten gewertet werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 4 StR 459/15 Rn. 4; siehe zur Abgrenzung auch BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 5 StR 106/17 Rn. 5, NStZ-RR 2017, 219, 220). Anders als die Revision meint, lässt sich eine solche auch nicht darin erblicken, dass der Angeklagte bei der Hinnahme der Fortdauer der Lagerung der Betäubungsmittel seinem Bruder zu verstehen gab, dies komme allenfalls noch für eine kurze Zeit in Betracht, um ihn zu deren zügigen Beendigung zu bewegen. Denn diesem Verhalten mangelt es an der – für die Annahme einer psychischen Beihilfe notwendigen – objektiv fördernden Funktion für das Handeltreiben seines Bruders und einer entsprechenden Willensrichtung des Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11 Rn. 3, NStZ 2012, 316 f.). Dies wird durch folgende Überlegung bestätigt: Hätte der Angeklagte die Fortdauer der Lagerung stillschweigend hingenommen, wäre dies keine Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB gewesen. Gelangte man unter den gegebenen Umständen zu einer gegenteiligen Bewertung, hätte sich der Angeklagte nur deshalb bestraft gemacht, weil er bei der Hinnahme der Fortdauer der Lagerung ausdrücklich auf deren zügige Beendigung hingewirkt hat. Dies würde jedoch zu einem Wertungswiderspruch führen, weil derjenige, der stillschweigend die zeitlich unbegrenzte Lagerung von Betäubungsmitteln in seiner Wohnung hinnimmt, besserstünde als derjenige, der bei der Hinnahme dieses Zustandes zusätzlich (ausdrücklich) auf dessen baldige Beendigung hinwirkt.

b) Eine Beihilfe durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB voraus. Eine solche liegt hier nicht vor. Denn ein Wohnungsinhaber hat grundsätzlich nicht die Rechtspflicht, gegen ein von ihm bemerktes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Dritte in seiner Wohnung einzuschreiten (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – 3 StR 445/20 Rn. 48; Beschluss vom 21. Oktober 2020 – 6 StR 227/20 Rn. 5, StV 2021, 423).“

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