In der Wochenmitte dann heute einige Owi-Entscheidungen.
Ich beginne in diesem Posting mit zwei AG-Entscheidungen zum Umfang des Einsichtsrecht in Messunterlagen.
Zunächst ein Beschluss des AG Leer. Das Bemerkenswerte an dem Beschluss ist m.E. das Zitat uralter Rechtsprechung aus 2011. Hier der Leitsatz zu dem AG Leer, Beschl. v. 25.05.2022 – 111 OWi 175/22:
Es besteht grundsätzlich kein Anspruch des Betroffenen auf Beiziehung weiterer, nicht zur Akte gehörender Unterlagen. Nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 147 StPO besteht lediglich das Recht auf Einsicht in die vorliegende Verfahrensakte, nicht jedoch auf eine inhaltliche Gestaltung derselben durch Hinzufügen weiterer Unterlagen.
Ob das alles so richtig ist, was das AG da schreibet, wage ich dann doch zu bezweifeln.
Und als zweite Entscheidung dann der AG Tübingen, Beschl. v. 26.05.2022 – 15 OWi 628/22 – mit folgendem Leitsatz:
Die Einsicht in Informationen, die nicht zur Bußgeldakte gehören, aber dennoch vorhanden sind, kann die Verwaltungsbehörde beschränken, zum Beispiel auf eine Einsicht in den Diensträumen.
Das Bemerkenswerte an dem Beschluss ist die Formulierung: “ Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn die Bußgeldbehörde insoweit eine Erklärung verlangt, weshalb sie in die geschützten Belange Dritter eingreifen soll. Der Verteidiger hat im vorliegenden Fall aber gar nicht vorgetragen, was er den mit den grundrechtlich geschützten Daten Dritter anstellen möchte.“
Ah, der „Verteidiger stellt etwas an“ (?), wenn er verteidigt. Bemerkenswert.
Der Beschluss des AG Tübingen ist in seiner Formulierung (nicht nur) fachlich völlig daneben.
Rechtsanwälte, und damit auch Strafverteidiger, sind mit Richtern und Staatsanwälten gleich geordnete(!) Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO; BVerfG, Beschl. v. 14.07.1987 – 1 BvR 537/81).
Zur Bedeutung dessen:
„Deshalb wird eine [von der StA geforderte] gesonderte Verpflichtungserklärung der Verteidiger [keine Daten aus den Digitalasservaten bei Einsichtnahme im Polizeicomputer zu löschen] nicht als erforderlich angesehen. Es kann und darf davon ausgegangen werden, dass sich die Verteidiger, nicht zuletzt auch da sie als Rechtsanwälte Organe der Rechtspflege sind, bei der Einsichtnahme ordnungsgemäß verhalten werden.“ (LG Frankfurt am Main, Verfügg. d. Vors. v. 13.11.2015 – 5/28 KLs 1/15) – So schaut’s aus!