Strafzumessung II: Berufsrechtliche Folgen übersehen, oder: Einmal Rechtsanwalt, einmal Apotheker

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Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zum strafzumessungsrechtlichen Dauerbrenner: Übersehen der berufsrechtlichen Konsequenzen der Verurteilung.

Zunächst der BGH, Beschl. v. 08.03.2021 – 3 StR 398/21. Der Angeklagte, ein Rechtsanwalt, war vom LG wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dem BGH gefällt die Strafzumessung nicht:

“ Die „Strafzumessungserwägungen der Kammer, die sich nur mit der Frage eines Berufsverbots nach § 70 StGB befasst und dessen Verhängung abgelehnt hat, lassen nicht erkennen, ob sie bei der Strafbemessung die – unabhängig von einem Berufsverbot – (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Angeklagten sind jedenfalls dann als bestimmender Strafzumessungsgrund ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich nicht nur nicht ausschließen, sondern ist wahrscheinlich: Nach den Feststellungen ist der Angeklagte jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Urteils als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, insbesondere auch als Strafverteidiger, tätig gewesen. Dazu, ob dem Angeklagten Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO drohen, verhalten sich die Feststellungen nicht. Angesichts dessen, dass es sich bei der Beteiligung eines Rechtsanwalts, zumal in der Eigenschaft als solchem, an einem Aussagedelikt um einen – wie die Kammer zu Recht ausführt – besonders schwerwiegenden Verstoß gegen eine Berufspflicht handelt, erscheint es naheliegend, dass ihm in Folge der strafgerichtlichen Verurteilung anwaltsgerichtliche Maßnahmen, zumindest ein zeitlich befristetes Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) drohen (vgl. § 113 Abs. 1 BRAO). Bei Aussagedelikten, wie sie hier Gegenstand der Verurteilung sind, ist nach der anwaltsrechtlichen Rechtsprechung die Ausschließung aus der Anwaltschaft sogar der Regelfall, weil ein gravierender Verstoß gegen die Kernpflicht anwaltlicher Tätigkeit vorliegt (vgl. dazu Lubini, NZWist 2020, 178 (181)). Auf Grund dessen droht dem Angeklagten der Verlust seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Basis. Daher hätte das Gericht sich mit etwaigen Folgen dieser Art auseinandersetzen und diese ggf. mildernd berücksichtigen müssen.“

Und dann noch der BGH, Beschl. v. 15.03.2022 – 5 StR 497/21 -, in dem es um einen Apotheker ging:

„1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

a) Die Revision macht zutreffend geltend, die Ausführungen zur Strafzumessung ließen nicht erkennen, ob das Landgericht mögliche berufsrechtliche Konsequenzen in seine Erwägungen eingestellt hat. Die Erörterung solcher Umstände ist geboten, weil nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind. Hierzu zählen als bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) nicht nur Beamte treffende Nebenfolgen, sondern auch solche, die sich bei anderen Berufsgruppen wie Apothekern auswirken können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1991 – 5 StR 542/90, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 23 mwN). Der Angeklagte ist nach den Feststellungen approbierter Apotheker und seit 1998 Inhaber einer Apotheke. Die zur Verurteilung führenden Straftaten beging er unter Ausnutzen seiner beruflichen Stellung. Es liegt daher nahe, dass die Approbation des Angeklagten nach § 6 Abs. 2 Bundes-Apothekerordnung widerrufen und die Erlaubnis zum Betreiben der Apotheke nach § 3 Nr. 3 Apothekengesetz erlöschen wird.

Dass das Landgericht nach § 70 StGB die Anordnung eines Berufsverbotes geprüft und im Ergebnis abgelehnt hat, genügt der Erörterungspflicht hier nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 StR 256/16, NZWiSt 2017, 39).“

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