Pflichti I: Nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung, oder: LG Bonn, LG Braunschweig, AG Wuppertal

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Und dann in der letzten Woche des Jahres auch noch einmal Pflichtverteidigungsentscheidungen. Das war in 2022 sicherlich ein Hauptthema hier im Blog. Ich danke bei der Gelegenheit allen Kollegen, die Entscheidungen zu den mit den §§ 140 ff. StPO zusammenhängenden Fragen geschickt haben. Ich freue mich auf weitere. Das mag dem ein oder anderen, vor allem wenn es um die Thematik der nachträglichen Bestellung geht, ein wenig langweilig sein. Aber: Es soll ja möglichst klar sein, welche Gerichte ggf. nachträglich beiordnen und welche nicht.

Und daher beginne ich auch heute mit einer Zusammenstellung der Entscheidungen, die mich zu der Themati „Nachträgliche Bestellung“ in den letzten Tagen/Wochen erreicht haben. Und zwar:

Die nachträgliche Bestellung bejaht haben:

Dem Beschuldigten ist zumindest dann nachträglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn die Entscheidung über den vor Beendigung des Verfahrens gestellten Antrag sachwidrig verzögert worden ist.

Zusatz:

Von dem Beschluss bitte nicht täuschen lassen. Das LG hält nämlich an seiner ständigen (?) Rechtsprechung grundsätzlich fest, dass eine nachträgliche Bestellung nicht zulässig sein soll. Hier gibt es aber ein „Nikolausgeschenk“ an den Kollegen. Und m.E. auf jeden Fall mit Recht. Denn das Hin und Her, das Staatsanwaltschaft und AG hier veanstaltet haben, ist m.E. schlicht rechtswidrig und widerspricht sicherlich dem, was der Gesetzgeber mit der Neuregelung beabsichtigt hatte. Man kann manchmal wirklich nur den Kopf schütteln.

Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zulässig, wenn der Bestellungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist, die Voraussetzungen für eine Bestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorlagen und dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Beiordnung nicht genügt worden ist.

Die nachträgliche Bestellung abgelehnt hat:

Die sofortige Beschwerde gegen die nicht erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers ist wegen prozessualer Überholung nach ihrer Einlegung gegenstandslos, wenn das Strafverfahren nach Beschwerdeeinlegung eingestellt wird. Denn eine nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung kommt nicht in Betracht.

Zusatz:

Dazu muss man m.E. nichts mehr sagen. Ich finde es immer peinlich, wenn die LG nur das „nachbeten“, was das „übergeordnete“ OLG falsch vorgebetet hat. Bei dem angesprochenen „Systemwechsel“ geht es um etwas ganz anderes.

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