Heute dann zum Wochenauftakt noch einmal „Corona-Entscheidungen“.
Nein, nicht zum OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.12.2021 -13 MN 477/21 – zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die sog. 2-G-Regelung im niedersächsischen Einzelhandel während der Corona-Pandemie. Ich bin zu wenig „Verfassungssrechtler“, um die Entscheidung abschließend beurteilen zu können. Ich habe aber allerdings so meine Bedenken, ob das OVG den Spielraum, den das BVerfG dem Gesetzgeber m.E. hinsichtlich der Anordnung von Corona-Maßnahmen eingeräumt hat, nicht zu sehr einschränkt und sich mit seinen Vorgaben und Einschätzungen nicht eine Rolle zuspricht, die ihm nicht zusteht. Aber das wird das OVG dann sicherlich in der Hauptsacheentscheidung alles mitteilen, wenn es denn dann noch interessiert. Das Land Niedersachen wird jedenfalls reagieren und eine FFP-2 Masken-Regelung einführen, die ab morgen in Niedersachsen gelten soll.
Nein, getreu dem Spruch: „Schuster bleibt bei deinen Leisten“ 🙂 habe ich heute zwei straf(verfahrens)rechtliche Entscheidungen, die ich vorstellen möchte. Und ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 05.10.2021 – 6 StR 394/21 – der noch einmal zu § 10 EGStPO Stellung nimmt.
Das LG hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte u.a. eine Verletzung von § 229 Abs. 1 StPO – Unterbrechung. Und er hatte Erfolg:
„1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die Hauptverhandlung begann am 23. November 2020 und wurde am 2. und 9. Dezember 2020 fortgesetzt. Der nächste Hauptverhandlungstermin sollte am 17. Dezember 2020 stattfinden. Am 14. Dezember 2020 ordnete der Präsident des Landgerichts Ansbach zur Verhinderung einer Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus an, dass Hauptverhandlungen bis auf weiteres nur noch in Haftsachen abgehalten werden dürften. Da sich der Angeklagte nicht in Untersuchungshaft befand, stellte das Landgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 fest, dass der Lauf der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO gemäß § 10 EGStPO gehemmt sei. Am 26. Januar 2021 verfügte der Präsident des Landgerichts Ansbach, dass die Anordnung vom 14. Dezember 2020 über den 31. Januar 2021 hinaus nicht verlängert werde. Die Hauptverhandlung wurde am 24. Februar 2021 fortgesetzt. Das Landgericht stellte mit Beschluss vom selben Tage fest, dass die Hemmung des Laufs der Frist nach § 229 Abs. 1 StPO mit Wirkung ab dem 1. Februar 2021 geendet habe.
2. Der Beschwerdeführer sieht in dieser Verfahrensweise zu Recht einen Verstoß gegen § 229 Abs. 1 StPO . Danach hätte die Hauptverhandlung nur bis zu drei Wochen unterbrochen werden dürfen. Die Unterbrechungsfrist hatte am 10. Dezember 2020 zu laufen begonnen. Nach Ablauf von vier Tagen war sie gemäß § 10 EGStPO vom 14. Dezember 2020 bis zum 31. Januar 2021 gehemmt. Seit dem 1. Februar 2021 lief sie weiter und endete nach Ablauf der noch verbliebenen 17 Tage am 17. Februar 2021. Die Hauptverhandlung hätte mithin spätestens am Donnerstag, den 18. Februar 2021, fortgeführt werden müssen.
Das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 229 StPO kann nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen ausgeschlossen werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 6 StR 114/20 Rn. 10 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.“