Und heute hier dann mal wieder OWi-Entscheidungen.
Zunächst ein Beschluss aus Bayern vom BayObLG. Es ist ja (leider) selten, dass man vom BayObLG überrascht wird, hier ist den Bayern mit dem BayObLG, Beschl. v. 12.08.2021 – 202 ObOWi 880/21 – aber mal gelungen. Man glaubt es kaum: Leivtec XV§ ist auch in Bayern derzeit nicht standardisiert. Es gibt also keine bayerische Sonderanfertigung, wie z.B. in Schleswig-Holstein. Und das Ganze ohne viel Wenn und Aber:
„Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache, weil das angefochtene Urteil deshalb an einem durchgreifenden sachlich-rechtlichen Feststellungs- und Darstellungsmangel im Sinne von § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO leidet, als das Amtsgericht mit Blick auf die für den Schuldspruch relevante tatrichterliche Überzeugung vom Vorliegen der für den Tatnachweis unabdingbaren messtechnischen Urteilsgrundlagen zu Unrecht hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ‚Leivtec XV3‘ von einem ‚standardisierten Messverfahren‘ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgegangen ist (grundlegend BGH, Beschl. v. 19.08.1993 – 4 StR 627/92 = BGHSt 39, 291, 297 ff. = MDR 1993, 1107 = VM 1993, Nr 107 = NJW 1993, 3081 = ZfSch 1993, 390 = NStZ 1993, 592 = NZV 1993, 485 = DAR 1993, 474 = DRiZ 1994, 58 und Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 = BGHSt 43, 277, 282 f. = NJW 1998, 321 = NZV 1998, 120 = DAR 1998, 110 = BGHR StPO § 267 Abs 1 S 1 Beweisergebnis 11 = VerkMitt 1998, Nr 40 = VRS 94 [1998], 341).
Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.06.2021 – 6 Rb 26 Ss 133/21 = BeckRs 2021, 14050), Celle (OLG Celle, Beschl. v. 18.06.2021 – 2 Ss [OWi] 69/21 bei juris) und Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.07.2021 – 2 Ss [OWi] 170/21 bei juris) an.
Jedenfalls gegenwärtig kann hinsichtlich des eingesetzten Messgeräts ‚Leivtec XV3‘ nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden.
Das Messgerät bietet nach den Erkenntnissen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (vgl. ‚Abschlussstand im Zusammenhang mit unzulässigen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät Leivtec XV3‘ [Stand: 09.06.2021/Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin – DOI: 10.7795/520.20210609]) nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen kommt. Vielmehr haben die Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ergeben, dass es bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener u.a. wegen des Auftretens sog. ‚Stufeneffekte‘ bzw. Stufenprofil-Fehlmessungen (vgl. hierzu näher Kugele/Gut/Hähnle VKU 2021 [Heft 3], 88 ff.) kommen kann und deshalb nicht länger von einem vereinheitlichten technischen Verfahren auszugehen ist, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.“
Wunder gibt es eben doch immer wieder.