Ich starte in die 38. KW. mit zwei amtsgerichtlichen Entscheidungen, von denen mich eine – die kommt dann noch – mit einem Kopfschütteln irritiert zurücklässt. Beide Entscheidungen betreffen Fragen der Besorgnis der Befangenheit.
Zunächst hier aber der AG Stralsund, Beschl. v. 01.07.2021 – 313 Cs 719/19. Der Kollege Sürig aus Bremen, der mir den Beschluss geschickt hat, hatte dort den amtierenden Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hatte er ausgeführt, dass dessen Äußerungen in der Hauptverhandlung am 21.06.2021 zur Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Widerspruch zum Verhalten der Staatsanwaltschaft standen, Ablehnungen der Pflichtverteidigerbeiordnung zu beantragen bzw. nicht selbst die Beiordnung zu beantragen. Auch habe dieser wahrheitswidrig angegeben, dass nicht er sondern ein anderer Richter den Strafbefehl unterzeichnet habe. Eigentlicher Befangenheitsgrund sei jedoch, dass ein Strafmaß deutlich unter 60 Tagessätzen in Aussicht gestellt wurde und dies auf eine unwahrscheinliche Berufungszulassung hinausgelaufen hätte.
„Das Gesuch hatte Erfolg:
Bei Anwendung der oben genannten Grundsätze ist die berechtigte Besorgnis der Befangenheit vorliegend gegeben.
Aufgrund der getätigten Äußerung des Richters am Amtsgericht, das in Aussicht gestellte Strafmaß schränke die Möglichkeiten eines Rechtsmittels ein, hat der abgelehnte Richter den Eindruck vermittelt, dieser wolle in der I. Instanz eine rechtskräftige Verurteilung erwirken.
Der Beschuldigte durfte bei verständiger Würdigung dieses Sachverhalts Grund zu der Annahme haben, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann.“
Oder es war der Hinweis darauf, dass es für sehr geringe Geldstrafen bis 15 TS die besondere Hürde der Zulassungsberufung gibt?
Ich werde nie verstehen, wieso man als Erstinstanzlicher Strafrichter alles immer rechtskräftig haben will. Die Abkürzung der Urteilsgründe spart doch (bei Allerweltsakten, Trunkenheitsfahrt, Ladendiebstahl, etc.) kaum Aufwand – man sollte ja trotzdem wenigstens die essentialia drin haben… (gut, in der Praxis liest man „Urteile“, die nicht mal das schaffen und man gruselt sich dann, zB beim Einbeziehen…)
Und die wiederkehrenden Elemente hat man doch sowieso als Autotext griffbereit…
Verhandeln, entscheiden, Rechtsmittelbelehrung erteilen, eine Woche warten, dann den Urteilstext abfassen. Und wenn man in der Woche Angst hat, zu viel zu vergessen, direkt einen rudimentären Entwurf diktieren. Ausführlicher machen kann man ja hinterher immer noch. Sind ja dann immer noch mindestens 4 Wochen Zeit bis es fertig sein muss. Das sollte doch zu schaffen sein.