Im zweiten Posting dann ein weiterer Beschluss des KG, und zwar zu den Folgen der Überleitung des Bußgeldverfahrens in das Strafverfahren (§§ 81 ff. OWiG). Es geht im KG, Beschl. v. 11.08.2021 – (3) 162 Ss 97/21 (43/21) – um den Instanzenzug nach Überleitung.
Das AG hat in dern Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren auf eine mögliche Verurteilung wegen einer „Straftat“ von Amts wegen hingeweisen und unterbrochen. Dann hat es Hauptverhandlung als Strafverfahren fortgesetzt und wegen eines Verstoßes gegen das Berliner Straßengesetz auf eine Geldbuße erkannt. An einer Verurteilung wegen eines (vermeintlichen) versuchten Betruges hat sich das AG mangels ausreichender Feststellungen zum Vorsatz gehindert gesehen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Strafkammer nicht zuständig sei, weil es sich vorliegend um „eine OWi-Sache“ handele, und dass das allein zulässige Rechtsmittel nicht die Berufung, sondern die Rechtsbeschwerde sei. Daraufhin hat die Vorsitzende die Akten an die Staatsanwaltschaft übersandt, die sie der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt hat. Das KG hat die Sache an das LG zurückgegeben:
„Das Rechtsmittel des Angeklagten ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht in eine Rechtsbeschwerde umzudeuten.
Der Senat ist nicht zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. August 2020 berufen.
Zuständig für die Entscheidung über dieses Rechtsmittel ist weiterhin die xx. Strafkammer des Landgerichts – xx -.
Denn das Amtsgericht hat laut Protokoll in der als Bußgeldverfahren begonnenen Hauptverhandlung am 29. Juli 2020 den Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung wegen einer Straftat in Betracht kommt.
Dieser gerichtliche Hinweis bewirkt, dass der Betroffene die Rechtsstellung des Angeklagten erhält (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG). Rechtsfehlerfrei hat der Tatrichter den ehemaligen Betroffenen auf sein Recht, einen Antrag auf Unterbrechung zu stellen, belehrt (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 4 OWiG). Ab dem Zeitpunkt des gerichtlichen Hinweises ist das Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren übergeleitet worden. Daher sind nur noch die Vorschriften des Strafverfahrensrechts und nicht mehr die des Ordnungswidrigkeitengesetzes maßgeblich. Die materiell-rechtlichen Bußgeldvorschriften bleiben aber weiterhin anwendbar, so dass in einem Strafverfahren auf eine Ordnungswidrigkeit erkannt werden darf, wenn eine Verurteilung wegen einer Straftat aufgrund desselben Sachverhaltes nach Durchführung der Hauptverhandlung nicht möglich ist.
Für die Wahl des Rechtsmittels gelten ebenfalls die Vorschriften der Strafprozessordnung. Eine Rückumwandlung des Strafverfahrens in ein Bußgeldverfahren, weil im Strafverfahren nur auf eine Ordnungswidrigkeit erkannt wurde, kennt das Gesetz nicht (vgl. Lutz in KK-OWiG 8. Aufl., § 81 Rn. 27). Folglich ist eine solche Verurteilung nur mit den Rechtsmitteln der Berufung oder der Sprungrevision anfechtbar (vgl. BGHSt 35, 290).
Nach diesem Maßstab hat das Amtsgericht – verfahrensrechtlich zutreffend – das Ordnungwidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergeleitet und den Angeklagten, weil die Straftat nach Auffassung des Gerichts nicht nachweisbar war (UA S. 6), aufgrund desselben Sachverhaltes wegen Verstoßes gegen das Berliner Straßengesetz zu einer Geldbuße verurteilt. Der Angeklagte hat rechtzeitig das statthafte Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 7. August 2020 eingelegt, zu deren Entscheidung weiterhin das Landgericht berufen ist.
Dem steht auch nicht § 83 Abs. 1 OWiG entgegen, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer o.g. Zuschrift darauf hin, dass „die Rechtsbeschwerde beim Zusammentreffen von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in einem Verfahren nur dann in Betracht kommt, wenn einzelne Taten als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Verfahren Ordnungswidrigkeiten zum Gegenstand hat, die gegenüber den im demselben Verfahren abgeurteilten Straftaten selbständige prozessuale Taten darstellen, also in einem getrennten Verfahren hätten abgeurteilt werden können (BGHSt 23, 270). So verhält es sich hier nicht.“
Sollte man als Vorsitzende einer kleinen Strafkammer des LG wissen.