Unfreiwilliger „Betroffenenwechsel“, oder: Kosten nach Rücknahme des Bußgeldbescheides?

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Die zweite Entscheidung, der AG Leipzig, Beschl. v. 08.02.2021 – 211 OWi 3972/20 -, ist auch schon etwas älter, aber auch erst vor kurzem eingegangen. Eine etwas kuriose Fallgestaltung, die das AG da zu entscheiden hatte:

„Im vorliegenden Verfahren war unter dem Az. 31201095023328 am 16.01.20 eine Anhörung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung des PP1, wohnhaft PP in Leipzig erfolgt. Dieser hatte daraufhin am 21.01.21 den die Auslagenerstattung verlangenden Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung beauftragt und Erstattungsansprüche von Rechtsanwaltskosten als notwendige Auslagen an diesen abgetreten, woraufhin Rechtsanwalt R am selben Tag ohne Vollmachtsvorlage seine Verteidigung des PP1 unter dem Aktenzeichen gegenüber der Bußgeldbehörde angezeigt hatte. Am 14.04.20 erließ die Bußgeldbehörde unter demselben Aktenzeichen einen Bußgeldbescheid gegen einen PP1, wohnhaft PP 6 in Dresden und übersendete eine Ausfertigung an Rechtsanwalt R. PP1 aus Dresden legte sodann am 16.04.20 telefonisch Einspruch ein und teilte mit nie angehört worden zu sein und auch keinen Rechtsanwalt beauftragt zu haben. Rechtsanwalt R legte ebenfalls Einspruch ein. Am 23.04.20 wurde das Bußgeldverfahren eingestellt.

Rechtsanwalt R hat mit Schreiben vom 05.05.201 beantragt die Kosten des Verfahrens so-wie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen. Er ist der Auffassung es handele sich um eine Einstellung nach Bußgeldbescheiderlass.

Die Bußgeldbehörde ist der Auffassung es sei kein Raum für eine Auslagenerstattung des Rechtsanwalt R, da seinem Mandanten gegenüber nie ein Bußgeldbescheid erlassen wurde und damit eine Einstellung vor Bußgeldbescheiderlass vorläge.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Gem. § 108 Abs. 1 i.V.m § 62 OWiG ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig.

Von dem Grundsatz, dass im behördlichen Bußgeldverfahren bei Verfahrenseinstellung keine Auslagenerstattung gewährt wird, konstituiert § 467a Abs. 1 StPO iVm § 105 Abs. 1 OWiG eine Ausnahme für den Fall, dass das Verfahren nach Rücknahme eines Bußgeldbescheids eingestellt wird. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Bußgeldbescheid von vorneherein unbegründet war oder sich dies erst aufgrund später durchgeführter Ermittlungen ergab (Graf in Beck OK OWiG, § 105 Kostenentscheidung, Rn. 74, 28. Edition, Stand: 01.10.2020).

Es ist unter dem Aktenzeichen gegen „PP1″ am 14.04.2020 ein Bußgeldbescheid erlassen worden, der sogar in Abschrift an Rechtsanwalt R übersendet wurde. Erst im Anschluss an den Einspruch wurde das Verfahren am 23.04.20 eingestellt. Nach Auffassung des Gerichts spielt es keine Rolle, dass der Bußgeldbescheid tatsächlich gegenüber einem namensgleichen Betroffenen aus Dresden erlassen wurde und nicht gegenüber ursprünglich an-gehörten Mandanten von Rechtsanwalt R, PP1 aus Leipzig. Vielmehr ist lediglich relevant, dass in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen ein Bußgeldbescheid erlassen wurde. Die Voraussetzungen der Kostenerstattung gem. § 467a Abs. 1 StPO iVm § 105 Abs. 1 OWiG liegen damit vor. Es bedarf dazu insbesondere auch keiner unzulässigen ausdehnenden Auslegung.

Gem. § 62 Absatz 2 OWiG iVm § 309 Absatz 2 StPO war daher die Bußgeldbehörde zu verpflichten die unterlassene Kostenentscheidung vorzunehmen in der die Kosten und die not-wendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen sind.

Richtet sich der Antrag gegen eine den Antragsteller beschwerende Unterlassung, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Entscheidung zu erlassen, wenn die Sache entscheidungsreif ist (Meyer-Goßner/Schmitt/Meyer-Goßner StPO § 309 Rn. 5).“

Tja, das Recht ist eben für die Hellen 🙂 .

Ein Gedanke zu „Unfreiwilliger „Betroffenenwechsel“, oder: Kosten nach Rücknahme des Bußgeldbescheides?

  1. WPR_bei_WBS

    „Tja, das Recht ist eben für die Hellen 🙂“

    Oder doch eher für die glücklichen? Naja, vermutlich die Kombination aus beidem :-D. Denn:

    „[…] woraufhin Rechtsanwalt R am selben Tag ohne Vollmachtsvorlage seine Verteidigung […] angezeigt hatte. […] Rechtsanwalt R legte ebenfalls Einspruch ein.“

    Da hätte er doch am besten gar nichts gemacht und den Bußgeldbescheid in die Verjährung laufen lassen sollen? Oder übersehe ich etwas?

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