Verkehrsrecht III: Strafklageverbrauch, oder: Trunkenheitsfahrt meets Drogenbesitz

© Alexander Raths – Fotolia.com

Und die dritte Entscheidung ist dann nicht unbedingt eine verkehrsrechtliche, aber sie hat verkehrsrechtlichen Einschlag. Sie stammt vom AG Stralsund. geschickt hat sie mir der Kollege Rakow aus Rostock.

Es geht um die Frage des Strafklageverbrauch hinsichtlich einer Trunkenheitsfahrt, wenn „wegen der Fahrt“ schon eine Verurteilung wegen Drogenbesitzes vorliegt. Hier war die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO entzogen worden. Das AG hat dann aber im AG Stralsund, Beschl. v. 15.02.2021 – 315 Cs 853/20 – aufgehoben:

„Es bestehen derzeit keine Gründe für die Annahme, dass dem Angeklagten in diesem Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen wird, da das Verfahren nach dem derzeitigten Ermittlungsstand wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist.

Der Angeklagte hat sich zur Fahrt am 20.05.2020 dahin eingelassen, dass er auf dem Rückweg von einem Drogenkauf, namentlich von Amphetaminen, gewesen sei, um die erworbenen Drogen nach Hause zu bringen. Beim Verkäufer, den er nicht benennen will, habe er mit diesem zusammen noch Kokain konsumiert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 28.01.2021 Bezug genommen, vgl. BI. 51 f.

Dies kann dem Betroffenen nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden.

Wie die Nachermittlungen ergeben haben, kam der Angeklagte aus Richtung Ribnitz in die Kontrollstelle in Damgarten gefahren. Anders als beim Erlass des § 111a StPO-Beschlusses angenommen, wohnte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Ribnitz, was gegen seine Einlassung sprach, sondern in Trinwillershagen. Dies hat der Angeklagte in seiner Beschwerde durch die Vorlage des Übergabeprotokolls seiner Wohnung in Ribnitz an seinen damaligen Vermieter vom 28.04.2020 belegt. Es ist daher davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Fahrt bereits in Trinwillershagen wohnte, so dass die Fahrtrichtung zu seiner Einlassung passt. Weitere Beweismittel, die seine Einlassung widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich.

Es ist -deshalb davon auszugehen, dass sich der Angeklagte auf der Rückfahrt von einem Drogenkauf befand, die Fahrt also dem Transport der Drogen diente. Damit diente die Fahrt gerade dem Transport der Drogen, so dass das Mitführen der Betäubungsmittle nicht nur in einem engen zeitliche und örtlichen Zusammenhang, sondern – darüber hinaus – in einem inneren Beziehugns- oder Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang stand, vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.2021 in NStZ 2021, 709 m.w.N. Besitz der Drogen und die Trunkenheitsfahrt sind damit als eine prozessuale Tat zu werten. Mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen des Drogenbesitzes bei der Fahrt im Verfahren 315 Cs 625/20 514 Js 11678/20 ist damit Strafklageverbrauch eingetreten.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft Stralsund führt die Entscheidung des OLG München vom 22.03.2019, 4 OLG 13 Ss 491/18 B, zu keinem anderen Ergebnis, denn dort wird entscheidend darauf abgestellt, dass wenn eine minderschwere Dauerstraftat mit mehreren schwereren Gesetzesverstößen zusammentrifft, aufgrund des großen Schwereunterschiedes eine „Entklammerung“ stattfindet. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Zum einen fällt es schon an mehreren schweren Verstößen neben dem „Klammerdelikt“ und zum anderen wiegen Trunkenheitsfahrt und der Besitz von einer geringen Menge (5,5 g) Amphetamin etwa gleich schwer.

3 Gedanken zu „Verkehrsrecht III: Strafklageverbrauch, oder: Trunkenheitsfahrt meets Drogenbesitz

  1. Abedi

    Wieso kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass die gleiche prozessuale unterschiedlich angeklagt wird?
    Wird das Verfahren von verschiedenen StAen geleitet und der jeweilige andere rechtliche Aspekt einfach ausgeblendet? Wenn ich mich noch richtig erinner, hat sogar Schirach mal eine BGH Entscheidung zu diesem Thema in einer seiner Geschichten verwurstet.

  2. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Verschiedene Abteilungen bei der StA – hier BtM einerseits und Verkehr andererseits und „Nummernschinderei“ bei der Polizei. Da wird ein einheitlicher Lebensvorgang absolut künstlich in zwei Deliktsgruppen künstliche aufgespalten (man hat zwei Straftaten aufgeklärt, man ist fleßig) und dann wird bei der StA auch nicht nachgefühlt, wo die andere Akte ist. Jeder will sein Zeug nur möglichst schnell vom Tisch haben – meistens sind die BtM-Sachen schneller erledigt, weil – nun ja, so ein Pillepallestrafbefehl ist in 30 Sekunden geschrieben – und dann hat man den Salat. Passiert hier mehrmals im Jahr und es ist ehrlich gesagt ziemlich peinlich… Auch gern mal in der Kombination „Waffenrecht“ plus X.

    Off-Topic: Ob Schirach jetzt ansonsten so realitätsnah ist, lassen wir mal für eine andere Diskussion offen stehen 😉 Unterhaltsam mag man ihn finden – juristisch präzise aber selten.

  3. Abedi

    Danke für die schnelle Antwort. Ich hatte mir etwas in der Art schon gedacht. Sollte ich jemals Drogen schmuggeln, dass sicher nicht ohne drei Weizen intus 🙂 .
    Das Schirach Thema ist durch Thomas Fischer ja hinreichend und lesenswert kritisiert worden. Seine Kritik zielt lustigerweise genau entgegengesetzt darauf ab, dass sich Schirach schamlos an echten Fällen bediene und diese als eigene Geistesschöpfungen oder zumindes als persönliche Erlebnisse ausgebe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert