Wenn die Ehefrau des Richters mit der Beklagten eng befreundet ist, oder: Ehemann befangen!

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Im Kessel Buntes heute dann zunächst mal wieder etwas aus einem Zivilverfahren, und zwar zur Befangenheit.

Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 19.11.2020 – V ZB 59/20. Die Parteien des Verfahrens sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger verlangen von beiden Beklagten, es zu unterlassen, Kraftfahrzeuge an einer bestimmten Stelle auf dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentumsanlage zu parken oder abzustellen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Die Ehefrau des Vorsitzenden Richters der zuständigen Berufungskammer ist seit Jahren mit der Beklagten zu 2 befreundet. Der Vorsitzende Richter hatte davon in einem von den Klägern gegen alle übrigen Wohnungseigentümer geführten Beschlussanfechtungsverfahren 2015 Mitteilung gemacht und erklärt, selbst seit Jahren aber keinen Kontakt mit der Beklagten zu 2 zu haben.

Die Kläger haben den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das LG hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die hatte beim BGH Erfolg.

„1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Kläger an der Geltendmachung des Ablehnungsgrunds nicht gehindert sind, obwohl sie den Vorsitzenden Richter der Berufungskammer in dem früheren Beschlussanfechtungsverfahren nicht abgelehnt haben. Zwar wirkt der Verlust des Ablehnungsrechts durch das Einlassen in eine Verhandlung oder durch das Stellen von Anträgen gemäß § 43 ZPO auch für einen anderen Rechtsstreit, wenn dieser mit dem Verfahren, in welchem der Ablehnungsgrund nicht geltend gemacht wurde, tatsächlich und rechtlich zusammenhängt (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2006 – V ZB 193/05, NJW 2006, 2776 Rn. 11). An einem solchen Zusammenhang zwischen beiden Verfahren fehlt es aber. Hier werden (nur) die Beklagten auf Unterlassung nach § 1004 BGB in Anspruch genommen, während Gegenstand des früheren Verfahrens eine Beschlussanfechtung war.

2. Das Berufungsgericht sieht jedoch zu Unrecht den Umstand, dass die Ehefrau des Vorsitzenden Richters der Berufungskammer seit vielen Jahren mit der Beklagten zu 2 befreundet ist, nicht als Ablehnungsgrund gemäß § 42 ZPO an.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln. Dafür genügt es, dass die Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben, da es bei den Vorschriften der Befangenheit von Richtern darum geht, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10; Beschluss vom 30. Oktober 2014 – V ZB 196/13, MDR 2015, 50 Rn. 4; jeweils mwN).

b) Mit der Frage, ob eine langjährige Freundschaft des Ehepartners eines Richters mit einer Prozesspartei die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO begründet, hat sich die Rechtsprechung bislang nur vereinzelt befasst und diese, anders als das Berufungsgericht, bejaht (LG Görlitz, Beschluss vom 27. Juni 2013 – 2 T 93/13, juris Rn. 12). Der Senat entscheidet sie dahingehend, dass die Besorgnis der Befangenheit begründet ist, wenn zwischen dem Ehegatten des abgelehnten Richters und einer Prozesspartei eine enge bzw. langjährige Freundschaft besteht.

aa) Gründe in der Person eines anderen als der Partei lassen die Unvoreingenommenheit eines Richters dann zweifelhaft erscheinen, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass sich das Verhältnis zu dem Dritten auf die Einstellung des Richters zu einem Prozessbeteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 237/09, WM 2011, 812 Rn. 2; Beschluss vom 15. März 2011 – II ZR 244/09, NJW-RR 2011, 648 Rn. 2). Ein Dritter in diesem Sinne ist der Ehegatte des abgelehnten Richters.

bb) Die Besorgnis der Befangenheit kann sich aus Umständen ergeben, die in der beruflichen Tätigkeit des Ehegatten des abgelehnten Richters liegen.

Das ist etwa dann anzunehmen, wenn die Ehefrau des Richters in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei als Rechtsanwältin (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 9 u. 11) oder als Sekretärin (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 – I ZB 58/17, NJW 2019, 516 Rn. 13 ff.) tätig ist, oder wenn der Richter über die Berufung einer Partei gegen ein durch seine Ehefrau als Einzelrichterin erlassenes Urteil zu entscheiden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2020 – III ZB 61/19, MDR 2020, 625 Rn. 13).

cc) Auch eine nahe persönliche Beziehung des Ehegatten des Richters zu einer Partei kann geeignet sein, die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das ist danach zu beurteilen, ob die persönliche Beziehung eine Qualität hat, die – unterhielte sie der Richter zu der Partei – bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit begründete. Das ist bei einer engen bzw. langjährigen Freundschaft mit einer Prozesspartei der Fall.

(1) Es ist anerkannt, dass nahe persönliche Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten geeignet sein können, Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2005 – II ZR 304/03, juris Rn. 2; Beschluss vom 29. Juni 2009 – I ZR 168/06, juris Rn. 5; Beschluss vom 24. April 2013 – RiZ 4/12, juris Rn. 28). Eine bloße Bekanntschaft oder lockere Freundschaft stellt regelmäßig noch keine für eine Besorgnis der Befangenheit ausreichende nahe persönliche Beziehung dar. Anders ist es aber bei einer engen bzw. langjährigen Freundschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2009 – I ZR 168/06, juris Rn. 5 u. 7; Beschluss vom 2. Dezember 2015 – RiZ (R) 1/15, HFR 2016, 417 Rn. 3, BVerfGK 3, 297, 298 ff.; BFH, Beschluss vom 5. September 2018 – XI R 45/17, juris Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 2 C 35/18, juris Rn. 6).

(2) Aus Sicht der ablehnenden Partei macht es keinen Unterschied, ob der Richter oder seine Ehefrau die enge bzw. langjährige Freundschaft mit der anderen Partei unterhält. Für sie besteht regelmäßig Anlass zu der Befürchtung, der Richter habe, weil sein Ehegatte das Freundschaftsverhältnis pflegt, ebenso wie diese eine positive Einstellung gegenüber der befreundeten Partei und übertrage diese positive Einstellung auf das Verfahren. Das gilt unabhängig davon, ob der Richter selbst Kontakt mit der Partei hat. Die ablehnende Partei hat keinen Einblick in die Verhältnisse der Eheleute; für sie ist auch nicht erkennbar, ob Gespräche zwischen dem abgelehnten Richter und seinem Ehegatten über die befreundete Partei stattfinden. Sie muss davon ausgehen, dass der abgelehnte Richter die Freundschaft seiner Ehefrau mit der Partei miterlebt, weil dies typischerweise in einer Ehe der Fall ist. Aus der Sicht der ablehnenden Partei rechtfertigt deshalb bereits das Näheverhältnis des Richters zu seinem Ehegatten die Befürchtung, der Richter sei gegenüber der anderen Partei positiv eingestellt und könne sich davon bei seiner Entscheidung – zumindest unbewusst – leiten lassen.

(3) Demgegenüber ist nicht maßgeblich, dass Richter grundsätzlich über eine innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden. Dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt, ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung zu geben (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10; Beschluss vom 30. Oktober 2014 – V ZB 196/13, MDR 2015, 50 Rn. 4; jeweils mwN).

c) Gemessen daran ist das Ablehnungsgesuch der Kläger begründet. Nach der Stellungnahme des abgelehnten Richters besteht zwischen seiner Ehefrau und der Beklagten zu 2 nicht nur eine lockere Bekanntschaft, sondern eine langjährige Freundschaft.“

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