Und als dritte Entscheidung zu pflichtverteidigungsfragen dann noch der LG Passau, Beschl. v. 26.01.2021 – 1 Qs 6/21. Gegenstand der Entscheidung ist auch eine nachträgliche Bestellung. daher hätte der Beschluss an sich auch in das Mittagsposting gepasst. Aber: Ich stelle ihn hier gesondert vor, weil er noch einmal die Problematik aufgreift, dass in dem Antrag des Wahlverteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger die Ankündigung der Niederlegung des Mandats zu sehen ist:
„b) Die Bestellung ist gem. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO unverzüglich vorzunehmen, wenn der Ange-klagte dies beantragt und er noch keinen Verteidiger hat.
Ein entsprechender Antrag des Angeklagten ist im Schriftsatz des Verteidigers vom 30.12.2020 enthalten. Der Annahme des Amtsgerichts Passau, es liege nur ein Antrag des Verteidigers vor, kann nicht gefolgt werden. Der Antrag ist dahingehend auszulegen ist, dass er im Namen des An-geklagten gestellt wurde. Insofern ist nicht erforderlich, dass „übliche Formulierungen“ Verwendung finden, wobei dahinstehen mag, ob die vom Verteidiger verwendete Formulierung unüblich ist. Es kommt allein auf die Auslegung des Antrags an.
Im Antrag des Verteidigers wird die Verteidigung angezeigt und ausgeführt, dass der Verteidiger „betraut“ wurde. Betraut sein bedeutet, dass jemandem eine bestimmte Aufgabe oder Funktion (von einer anderen Person) übertragen oder anvertraut worden ist (vgl. https://www.du-den.de/rechtschreibung/betrauen). Allein aus dem Wortsinn ergibt sich daher, dass der Verteidiger – wie regelmäßig im Rahmen der Pflichtverteidigerbestellung – nicht für sich selbst in eigenem Namen tätig werden wollte, sondern für den Angeklagten handelte.
Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Antragstellung auch unverteidigt im Sinne des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO. Zwar trat Rechtsanwalt pp. als Wahlverteidiger des Angeklagten auf, jedoch ist regelmäßig im Antrag eines Wahlverteidigers auf Beiordnung die Ankündigung der Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der Beiordnung zu sehen (OLG Jena 26.11.2008 – 1 Ws 497/08, NJW 2009, 1430 (1431); OLG München 6.3.1992 – 1 Ws 161/92, wistra 1992, 237). Davon ist auch in diesem Fall, trotz mangelnder eindeutiger Erklärung, auszugehen.“
Anzumerken ist: Besser als „noch einmal“ hätte ich wohl geschrieben: „Schon wieder…“.
Und: Ein wenig ratlos bin ich wegen der Ausführungen der Kammer zur Zulässigkeit der Beschwerde. Der Kolleger Wamser, der mir die Entscheidung geschickt hat, hatte: „sofortige Beschwerde“ gegen die Ablehnung der Bestellung eingelegt. Das ist m.E. im Hinblick auf den neuen § 142 Abs. 7 StPO – na ja, so neu ja nun auch nicht mehr – richtig. Aber warum schreibt die Kammer dann:
„1. Die Beschwerde ist zulässig gem. §§ 304, 306 StPO.
Statthaftes Rechtsmittel ist gem. § 304 StPO die (einfache) Beschwerde. Die Erklärung des Verteidigers ist dahingehend auszulegen. Die Falschbezeichnung schadet insofern nicht, gem. § 300 StPO.“
Die neue Rechtslage (z. B. a. „unverzügliche Entscheidung“) scheinen nicht nur die Gerichte in Bayern nicht zu verstehen. Mancher Anwalt für Strafrecht im Raum Frankfurt verzweifelt hier ebenfalls. Das fängt schon damit an, dass man am 01.12.2020 einen Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger stellt – versandt sowohl an die ermittelnde Polizei, als auch an die Staatsanwaltschaft -, aber ein Ermittlungsrichter am Amitsgericht Darmstadt erst Ende Januar darüber entschied. Er hatte die Akten sogar schon länger. Denn er hatte dem Mandanten Ende Dezember(!) eine Anhörung wegen einer beabsichtigten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis geschickt. „Unverzüglich“ at it’s best.