Die zweite Entscheidung kommt – wie gesagt – auch vom BGH. Der hat sich im BGH, Urt. v. 29.09.2020 -VI ZR 271/19 – noch einmal (vgl. BGH, Urt. 09.06.2009 -VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242) mit der Frage der Abrechnung eines Unfallschadens auf Neuwertbasis befasst.
Der Kläger hatte sich 2017 für ca. 37.000 EUR einen neuen Pkw gekauft. Nicht ganz einen Monat nach der Zulassung kam es zu einem Unfall, der Pkw hatte erst 571 Km gefahren. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 37.923,32 EUR nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 EUR). Das LG hat der Klage in Höhe von 37.918,32 EUR nebst Zinsen statt gegeben und sie im Übrigen wegen eines Teilbetrags der Kostenpauschale abgewiesen. Das OLG hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 EUR (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR, Wertminderung in Höhe von 1.000 EUR sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dagegen die Revision, die beim BGH keinen Erfolg hatte:
„1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19, NJW 2020, 144 Rn. 8 mwN). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
a) In zutreffender Anwendung der Senatsrechtsprechung geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen – hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu unterstellender – erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 16 ff.; Almeroth in MünchKommStVR, 2017, BGB § 249 Rn. 231; Ekkenga/Kuntz in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 249 Rn. 169; J.W. Flume in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 249 Rn. 236 ff.; Funk/Froitzheim in BeckOK StVR, Stand 1. Juli 2020, BGB § 251 Rn. 15; Kuhnert in NK-GVR, 2. Aufl., § 251 BGB Rn. 13; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9. Aufl., Rn. 192; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Kap. 4 Rn. 42; Lemcke, NJW-Spezial 2013, 457, 458; Richter in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 6. Aufl., Kapitel 4, Rn. 672; vgl. auch Oetker in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 251 Rn. 26). Daran hält der Senat fest. Soweit die Rechtsprechung des Senats vereinzelt Kritik erfahren hat (Gsell NJW 2009, 2994 ff.; vgl. auch Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 3. Juli 2020, § 249 BGB Rn. 82), erweist sich diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück (Gsell NJW 2009, 2994, 2996), lässt den Anspruch auf Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats (vgl. nur Senat, Urteil vom 7. Juni 2005 – VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184, juris Rn. 8) und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat.
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren (Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 26).
bb) Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein anderes Ergebnis nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts ist der diesbezügliche streitige Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Juli 2018 substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich.
c) Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 9. Juni 2009 – VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242 Rn. 27).“