Archiv für den Monat: Oktober 2020

Reifenwechsel in der Werkstatt, oder: Nach 50 km muss man die Schrauben prüfen

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Auch schon älter ist das LG München II, Urt. v. 09.04.2020 – 10 O 3894/17. Es behandelt aber eine m.E. ganz interessante Fragestellung. Darum stelle ich es hier (noch) vor.

Gestritten wird um Schadensersatzleistungen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall des Klägers, den dieser als Folge einer Werkleistung der Beklagten erliiten haben will. Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs Mercedes-Benz Typ C Klasse Modell C 63 AMG; es handelt sich um ein getuntes Fahrzeug mit einer Leistung von 830 PS.

Am 05.04.2017 beauftragte der Kläger die Beklagte an dem Fahrzeug die Reifen zu wechseln und Sommerreifen zu montieren, was unstreitig auch erfolgte. Nach den Angaben des Klägers erlitt dieser dann am 08.04.2017 auf der Autobahn, nachdem er nach eigenen Angaben ca. 100 km seit dem Reifenwechsel gefahren war, einen Unfall dahingehend, dass sich das linke Hinterrad des von ihm geführten Fahrzeugs Mercedes-Benz gelöst hat, was zu nicht unerheblichen Sachschäden geführt habe.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe den Reifenwechsel vom 05.04.2017 insoweit nicht fachgerecht durchgeführt, insbesondere seien die Radschrauben nicht ordnungsgemäß angezogen worden, sodass sich das linke Hinterrad gelöst habe und den Unfall verursacht habe. Die Beklagte treffe daher eine Haftung.

Das LG hat die Haftung des Klägers bejaht, geht aber von einem Mitverschulden des Klägers in Höhe von 30 % aus:

„1. Nach Überzeugung des Gerichts besteht vorliegend eine Haftung der Beklagten, da diese im Rahmen des Reifenwechsels am 05.04.2017 die Radmuttern, zumindest am linken Hinterrad des Pkw Mercedes nicht ausreichend festgezogen bzw. deren Sitz auch nicht ausreichend überprüft hat.

Nach den absolut schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. im Termin vom 17.10.2018 ist das Gericht davon überzeugt, dass die Radschrauben durch die Mitarbeiter der Beklagten nicht ordnungsgemäß angezogen wurden. Der Sachverständige führte aus, dass bei nicht ordnungsgemäß angezogenen Schrauben bevorzugt bei einem Fahrzeug mit Hinterradantrieb das linke Hinterrad sich ablösen wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sowohl beim Anfahren als auch beim Beschleunigen auf die Schrauben hinten links immer ein geringes Lösemoment wirksam ist. Sind die Schrauben nicht ordnungsgemäß angezogen, wird sich bei einem solchen Fahrzeug zuerst das linke Hinterrad lösen.

Beim streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich nach den Angaben des Sachverständigen um ein solches mit Heckantrieb, darüber hinaus handele sich um ein sehr hochmotorisiertes Fahrzeug, sodass insbesondere beim Anfahren und Beschleunigen sehr hohe Kräfte auf die Radschrauben wirken. Der Sachverständige führte weiter aus, dass für den Fall, dass die Schrauben ordnungsgemäß angezogen und dies auch entsprechend überprüft wird, eine Nachjustierung bzw. ein Nachziehen aus technischer Sicht nicht erforderlich ist. Er führte ergänzend aus, dass bei Unternehmen, die Reifenwechsel durchführen in der Regel ein entsprechender Hinweis zum Nachziehen der Reifen gegeben wird.

Die Zeugin, die beim Reifenwechsel selbst nicht anwesend war, gab an, der Zeuge habe ihr berichtet, die Radmuttern seien zunächst mit einem Drehmomentschlüssel angezogen worden, der Zeuge habe diese dann selbst nochmals angezogen. Sie sei jedoch dabei nicht persönlich anwesend gewesen. Der Zeuge bestätigte, dass mehrere Personen an dem Fahrzeug gearbeitet hätten. Er selbst sei zunächst davon ausgegangen, dass seine Kollegen die Schrauben nachgezogen hätten, er selbst habe dies auch nochmals überprüft. Keine Schraube hätte nachgegeben.

Der Zeuge berichtete ergänzend, er habe den Kläger gefragt, ob er ihm noch eine Plakette hinsichtlich des erforderlichen Nachziehens der Schrauben am Armaturenbrett befestigen solle, was vom Kläger verneint wurde. Die Zeugin gab ergänzend an, sie sei dabei gewesen, als der Kläger einen entsprechenden Aufkleber abgelehnt habe. Sie gab weiter an, im Büro, in welchem der Kläger seine Rechnung bezahlt habe, habe sich ein Aushang befunden, dass die Muttern nachgezogen werden müssen, sie selbst gebe in der Regel auch mündlich diesen Hinweis ergänzend.

Angesichts der Ausführungen des Sachverständigen Dr. sowie der Tatsache, dass das Gericht ein Eingreifen eines Dritten dahingehend, dass dieser die Radschrauben gelöst haben könnte, für ausgeschlossen hält, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass das Lösen der Radschraube, welches im Übrigen auch von der Beklagten nicht bestritten wurde, nur darauf zurückzuführen sein kann, dass die Radschrauben insbesondere am linken hinteren Rad nicht ordnungsgemäß angezogen bzw. nicht überprüft wurden. Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig geschildert, dass sich gerade hinten links, insbesondere bei einem hoch motorisierten Fahrzeug wie dem des Klägers, die Radschrauben lösen können. Nach den Angaben des Klägers ist dieser mit dem Fahrzeug ca. 100 km gefahren. Das Gericht folgt insoweit nicht den Angaben des Zeugen zumal es fraglich erscheint, ob sich der Zeuge, der täglich mehrere Reifenwechsel durchführt an einen solchen Wechsel, der eineinhalb Jahre vor seiner Vernehmung durchgeführt wurde, noch erinnern kann.

Eine Haftung der Beklagten steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest.

2. Der Kläger muss sich jedoch vorliegend ein Mitverschulden in Höhe von 30% anrechnen lassen, da er den Hinweis darauf, dass die Radschrauben nachzuziehen sind, zwar erhalten, jedoch nicht befolgt hat, sodass bei entsprechender Durchführung der Unfall hätte vermieden werden können. Allerdings überwiegt vorliegend deutlich das Verschulden der Beklagten bzw. deren Mitarbeiter.

Aus der vorgelegten Rechnung vom 05.04.2017 (Anlage HFB1) ergibt sich eindeutig ein Hinweis darauf, dass die Radmuttern nach 50 km nachzuziehen sind. Der Hinweis ist insbesondere auch ausreichend kenntlich gemacht, er befindet sich deutlich sichtbar und eingerückt unterhalb der durchgeführten Arbeiten. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung auch eingeräumt, dass er die Rechnung erhalten hat. Er habe sie allerdings nicht näher angeschaut.

Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger sowohl durch den Zeugen als auch zumindest durch einen entsprechenden Aushang im Büro der Beklagten davon Kenntnis hätte haben können, dass ein Nachziehen der Radmuttern erforderlich ist. Der Zeuge gab an, er habe den Kläger gefragt, ob er einen entsprechenden Aufkleber haben möchte, was verneint wurde. Die Zeugin berichtete, im Büro habe sich auch damals ein entsprechender Aushang bzw. Hinweis befunden. Das Gericht hat insoweit keinerlei Zweifel an den Angaben der Zeugen, sodass der Kläger hätte erkennen können und müssen, dass ein Nachziehen der Schrauben erforderlich ist.

Das vom Kläger zitierte Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 27.07.2011 Aktenzeichen 1 S 9/10 ist insoweit nicht einschlägig. In dem dort entschiedenen Fall war lediglich ein leicht zu übersehender Hinweis auf der Rechnung, nicht jedoch ein mündlicher Hinweis und ein Aushang im Büro hinsichtlich der Erforderlichkeit des Nachziehens der Radmuttern gegeben.

Hieran ändert sich auch nichts angesichts der Ausführungen des Sachverständigen Dr., der angegeben hat, aus technischer Sicht sei ein Nachziehen der Schrauben bei einer ordnungsgemäßen Montage nicht erforderlich. Wie der streitgegenständliche Unfall zeigt, ist es durchaus möglich, dass eben gerade keine ordnungsgemäße Montage erfolgt, was natürlicherweise in der Sphäre der jeweiligen Werkstatt liegt. Bei einem Nachziehen der Schrauben nach ca. 50 km wäre der streitgegenständliche Unfall jedoch vermieden worden. Wie bereits ausgeführt überwiegt jedoch deutlich das Verschulden der Beklagten. Das Gericht erachtet daher ein Mitverschulden des Klägers in der in Höhe von 30% für angemessen, aber auch ausreichend.

Ein Mitverschulden des Klägers dahingehend, dass er das geänderte Fahrverhalten aufgrund des sich lösenden Rades frühzeitig hätte erkennen können, nimmt das Gericht nicht an. Der Sachverständige Dr. Auer hat hierzu ausgeführt, dass eine entsprechende Reaktion des Klägers aufgrund der ohnehin hohen Geräuschkulisse des Fahrzeuges nicht möglich war. Den Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht insoweit an.“

Auf der Grundlage hat das LG dann den Kläger verurteilt, dabei aber erhebliche Abstriche von den geltend gemachten Schäden gemacht. Ergebnis: 78 % Kosten beim Kläger, 22 % Kosten bei der Beklagten.

Rechtsanwalt wird krank, oder: Was wird mit den Fristen, wenn ……

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Schon etwas älter ist der BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – VI ZB 25/1. Heute will ich ihn im „Kessel Buntes“ dann aber endlich bringen.

Entschieden hat der BGH mal wieder eine Fristenproblematik bzw. besser: Über die Versäumung einer Frist. Die Klägerin bzw. ihre Prozessbevollmächtigte hatte nämlich die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Geklagt worden war auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Sportunfall. Das LG hat die Klage mit Versäumnisurteil vom 18.05.2018 abgewiesen. Mit Urteil vom 14.08.2018 hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Gegen dieses ihrer Prozessbevollmächtigten am 27. 082018 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am Montag, dem 29.10.2018 abgelaufen. Mit Schriftsatz vom 22.11.2018 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt.

Sie hat ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigte sei am 27.10.2018 mit akuten Schmerzen nach einem Sturz in stationäre Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen worden. Im Anschluss an diesen Aufenthalt sei sie in ein anderes Krankenhaus verlegt und bis einschließlich 07.11.2018 stationär behandelt worden. Am 20.11.2018 sei sie erstmals wieder im Büro gewesen. Die Fristenkontrolle hätte sie ihrer bis dahin stets sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übertragen. Erst am 22.11.2018 sei dieser im Zuge der Aktenbearbeitung aufgefallen, dass die Frist zur Berufungsbegründung nicht in den Fristenkalender eingetragen worden sei. Die Angestellte sei geschult und zuverlässig und führe, was regelmäßige Kontrollen durch die Prozessbevollmächtigte ergeben hätten, den Kalender seit ihrer Einstellung sorgfältig.

Mit Beschluss vom 14.12.2018 hat das KG darauf hingewiesen, dass dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht stattgegeben werden könne, weil die Klägerin nicht glaubhaft gemacht habe, ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein. Dem Antrag lasse sich nicht entnehmen, warum ihre Prozessbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift nicht die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist überprüft habe. Mit am 17.12.2018 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet. Mit Schriftsatz vom 23.01.2019 hat die Klägerin ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigte erfasse Fristen wie die Berufungsbegründungsfrist in ihrem eigenen Kalender. Sie habe darauf vertraut, dass auch ihre Rechtsanwaltsfachangestellte die Frist im Fristenkalender notiert habe. Die Prozessbevollmächtigte habe beabsichtigt, die Berufungsbegründung am Wochenende vom 27./28.10.2018 zu fertigen und sie innerhalb der am Montag, dem 29.10.2018 ablaufenden Frist an das KG weiterzuleiten. In der Nacht vom 25. auf den 26.10.2018 habe sie sich aber bei einem Sturz einen Wadenbeinbruch rechts zugezogen, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sei, am 26.10.2018 im Büro zu erscheinen.

Das KG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Die hatte keinen Erfolg:

„Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Der Klägerin wird nicht der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, nach dem die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruhe. Soweit die Klägerin geltend mache, ihre Prozessbevollmächtigte habe die Fristenkontrolle ihrer bis dahin stets sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übertragen, fehle es an jedem Vortrag, warum die Prozessbevollmächtigte im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift nicht die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist überprüft habe. Die weiteren Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2019 seien nicht berücksichtigungsfähig, weil sie nicht innerhalb der einmonatigen Antragsfrist vorgebracht worden seien (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Vortrag sei aber auch nicht geeignet, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu entschuldigen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihrer Prozessbevollmächtigten die Einschaltung eines Vertreters oder die Beantragung einer Fristverlängerung nicht möglich gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Prozessbevollmächtigte daran gehindert gewesen sei, am Freitag, den 26. Oktober 2018 einen Vertreter zu erreichen, der für sie einen Fristverlängerungsantrag hätte stellen können. Soweit die Klägerin durch den Hinweis, ihre Prozessbevollmächtigte habe am 26. Oktober 2018 nicht im Büro erscheinen können, möglicherweise konkludent zum Ausdruck habe bringen wollen, ihre Prozessbevollmächtigte habe deshalb auch den drohenden Fristablauf nicht bemerken können, übersehe sie, dass es zu den Sorgfaltspflichten ihrer Prozessbevollmächtigten gehört habe, ihre Büroangestellte um Überprüfung der von ihr selbst notierten Fristen zu bitten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt, weil die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht, das ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Die Klägerin hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigte durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in ihrer Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelfristen nicht versäumt werden.

aa) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Dabei kann er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen. Tut er dies, so hat er allerdings durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auch in sonstiger Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte nicht zugleich zur Bearbeitung mit vorgelegt worden ist, so dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juni 2020 – VI ZB 63/19, z.V.b.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102 Rn. 12 mwN).

bb) Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erfüllt. Hätte sie bei Vorlage der Handakte zur Fertigung der am 27. September 2018 bei Gericht eingegangenen Berufungsschrift geprüft, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert worden ist, so hätte ihr auffallen müssen, dass die Frist zur Berufungsbegründung nicht eingetragen worden war.

b) Die Nichteinhaltung der unter a) dargestellten Sorgfaltspflichten ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht deshalb bedeutungslos, weil die Prozessbevollmächtigte der Klägerin – wie letztere mit Schriftsatz vom 23. Januar 2019 geltend gemacht hat – die Fristen selbst in ihrem Kalender notierte und überwachte. Dabei kann offenbleiben, ob dieser erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) gehaltene Vortrag prozessual berücksichtigungsfähig ist. Denn ihm lässt sich bereits nicht entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin an der Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung kein Verschulden trifft.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine vorausschauende Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt; er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Darüber hinaus muss der Rechtsanwalt, wenn er unvorhergesehen krank wird, alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht mithin differenzierte Anforderungen einerseits für allgemeine vorausschauende Vorkehrungen für den Krankheitsfall und andererseits für konkrete Maßnahmen im bereits eingetretenen Krankheitsfall vor. Dabei sollen die allgemeinen Vorkehrungen und die konkreten Maßnahmen im Verhinderungsfall ineinandergreifen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2019 – VI ZB 44/18, NJW-RR 2019, 1207 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2020 – IX ZB 8/18, z.V.b., Rn. 10 ff. mwN).

bb) Die Klägerin hat nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass ihre Prozessbevollmächtigte diesen Sorgfaltsanforderungen genügt hat. ….“

Ich habe da mal eine Frage: Erstreckung ja oder nein?

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Und dann noch die Gebührenfrage – heute auch zur Erstreckung. Das bewegt dann doch 🙂 :

„Eine gebührenrechtliche Frage:

Die Revisorin will meine Gebühren kürzen.

Es gibt ein Hauptverfahren für dieses wurde ich beigeordnet. Nach der Beiordnung wurden zwei weitere Verfahren verbunden und das Verfahren, zu dem Beiordnung bereits vorlag, als führendes benannt. Jetzt sagt die Gebührenstelle, es sei in den beiden weiteren Verfahren keine Beiordnung erfolgt. Bedarf es dieser ausdrücklich?? Wäre sch….ade, denn dann wären einige Gebühren weg…schnief.“

Ich habe dann wegen der Daten nachgefragt und folgende Antwort bekommen:

„Hallo Herr Kollege,

hier noch einmal die genauen Daten:

Beiordnung am 27.02.2018 zum ersten Verfahren

Verbindung von weiterem Verfahren zu dem ersten 06.11.18 mit Vermerk das obiges Verfahren führt

Verbindung von weiterem Verfahren zu dem ersten 10.10.19 mit Vermerk das erstes Verfahren führt.

Ladung zum Termin als Pflichtverteidiger“

Nochmals: Ist immer ein Erstreckungsantrag erforderlich?, oder: Für die Galerie = hoffentlich bald erledigt

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Ich hatte vorhin den LG Münster, Beschl. v. 04.09.2020 – 20 Qs 9/10  – vorgestellt (vgl. Glaubhaftmachung bei der Vergütungsfestsetzung, oder: Reicht immer die anwaltliche Versicherung?). Auf den Beschluss komme ich jetzt noch einmal zurück. Besser: „Muss“ ich zurückkommen, denn mein RVG-Ordner ist leer. Ich lann also neue Rechtsprechung gut gebrauchen und bin dankbar, wenn mir Entscheidungen übersandt werden.

Ich hatte ja vorhin schon darauf hingewiesen, dass es im zweiten Themenbereich der Entscheidung um eine Erstreckungsfrage geht, nämlich (mal wieder) den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 1 StPO oder: Ist immer ein Erstreckungsantrag erforderlich oder nur in bestimmten Fällen bzw. kommt es auf die zeitliche Reihenfolge von Verbindung und Beiordnung an. Die Frage ist in der Rechtsprechung ja nicht unumstritten. Das LG schließt sich der Auffassung an, die immer einen Erstreckungsantrag verlangt, und zwar auch für Verfahren, die vor der Beiordnung hinzuverbunden wurde:

„3.2.2. Es fehlt in diesem Verfahren an der notwendigen Beiordnung des Beschwerdeführers als Grundvoraussetzung der von ihm begehrten Gebührenerstattung aus der Landeskasse. Das Amtsgericht Münster hat im Beschluss vom 13.05.2019, in dem es den Beschwerdeführer im Verfahren 37 Ds 184/18 – nach Verbindung mit dem Verfahren 37 Ds 29/19 – der damaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet hat, diese Beiordnung nicht auf das zuvor hinzuverbundene Verfahren erstreckt. Eine derartige Erstreckungsentscheidung wäre gemäß § 48 Abs. 6 S. 3 RVG aber notwendige Voraussetzung eines Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse. Ohne Erstreckungsentscheidung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG besteht kein rückwirkender Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse für der Beiordnung vorausgehende Tätigkeiten als Wahlverteidiger in hinzuverbundenen Verfahren. Der anwaltliche Vergütungsanspruch für frühere Tätigkeiten in vor der Beiordnung hinzuverbundenen Verfahren folgt nicht bereits aus § 48 Abs. 6 S. 1 RVG (so aber OLG Hamm, Beschlüsse vom 16. Mai 2017, Az. 1 Ws 95/17, Rn. 33; vom 6. Juni 2005, Az.: 2 (s) Sbd VIII – 110/05, Rn. 7 und 14; OLG Bremen, Beschluss vom 7. August 2012, Az.: Ws 137/11, Rn. 14 f.; KG, Beschluss vom 17.03.2009, Az.: 1 Ws 369/08, Rn. 3; OLG Jena, Beschluss vom 12. Juni 2008, Az.: 1 AR (S) 13/08, Rn. 19; jeweils zitiert nach juris). Vielmehr gilt die Vorschrift des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG für alle Fälle der Verfahrensverbindung, ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge von Verbindung und Beiordnung. Die Kammer schließt sich in dieser Frage ausdrücklich der überzeugend begründeten jüngsten Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg in dessen Beschluss vom 20. November 2017 – 2 Ws 179/17 – an, auf die zur näheren Begründung verwiesen wird. Insbesondere ermöglicht nur diese Sichtweise die Sicherstellung sachgerechter Ergebnisse. Zwar kann es von Zufällen abhängen, welches Verfahren bei einer Verbindung das führende wird; das führende Verfahren ist nicht notwendig das gewichtigste (so etwa OLG Bremen aaO. Rn. 15). Genauso zufällig könnte aber eine automatische Gebührenerstreckung auf alle hinzuverbundenen Verfahren zur Vergütungspflicht für frühere Tätigkeiten etwa auch in Bagatellverfahren führen, in denen für sich genommen eine Pflichtverteidigung zunächst nicht angezeigt war (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 22. April 2014, Az.: 1 Ws 48/14). Folglich sind wertungswidersprüchliche bzw. zufällige gebührenrechtliche Auswirkungen nur mit dem vom Gesetzgeber in § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG eröffneten Verfahren der gerichtlichen Prüfung und Bestimmung des Umfangs einer rückwirkenden Gebührenerstreckung im Einzelfall zu vermeiden (ebenso im Ergebnis OLG Braunschweig, a.a.O; OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Mai 2012, Az.: 2 Ws 242/12, Rn. 14 ff.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Dezember 2010, Az.: 1 Ws 583/10, Rn. 7; OLG Celle, Beschluss vom 2. Januar 2007, Az.: 1 Ws 575/06; ähnlich: OLG Rostock, Beschluss vom 27. April 2009, Az.: I Ws 8/09, Rn. 8; jeweils zitiert nach juris). Eine derartige Erstreckungsentscheidung hat der Beschwerdeführer bis zuletzt auch trotz dahingehener Hinweise der Bezirksrevisorin nicht beantragt. Angesichts dessen bleibt für die Annahme einer konkludenten Antragstellung kein Raum. Letztlich kann dies offenbleiben. Eine Rückgabe wegen dieses Umstandes an das Amtsgericht scheidet schon deshalb aus, weil dieser Frage aufgrund der Ausführungen zu 3.2.1 letztlich keine Entscheidungsrelevanz zukommt.“

Mal abgesehen davon, dass das LG mit seiner Auffassung m.E. falsch liegt, ist die Entscheidung in dem Teil „für die Galerie“. Mir ist schon unverständlich, warum man sich gegen das eigene OLG stellt – sonst ist das, was das „übergeordnete“ OLG vertritt, doch immer maßgeblich. Und erst recht verstehe ich nicht, warum man jetzt noch die Auffassung vertritt. Denn das KostRÄG 2021 (vgl. BT-Drucks. 19/23484 = BR-Drucks. 19/565) ändert den § 48 Abs. 6 RVG im Sinne der „richtigen“ Auffassung. Da kann man m.E. das Gegenteil nicht mehr mit gutem Gewissen vertreten. Die Gesetzesänderung ist übrigens gestern im Bundestag in der ersten Beratung gewesen, und zwar im sog. vereinfachten Verfahren. Diese Vorgehensweis dürfte mit der von der Bundesregierung bejahten „besonderen Eilbedürftigkeit“ (Art 76 Abs. 2 Satz 2 GG) zu tun haben.

Kleiner Hinweis: Unverständlich ist mir aber auch, warum der Verteidiger nicht den Hinweis der Bezirksrevisorin aufgegriffen und zumindest im Festsetzungsverfahren noch den Erstreckungsantrag gestellt hat. Die „goldene Brücke“ hätte er doch gehen können. Mit dem Kopf bringt doch nichts. Ob der Antrag erfolgreich gewesen wäre, ist eine andere Frage, die man nicht beantworten kann – es spricht aber einiges dafür. Jedenfalls wäre das eine Möglichkeit gewesen, diese Klippe zu umschiffen.

Glaubhaftmachung bei der Vergütungsfestsetzung, oder: Reicht immer die anwaltliche Versicherung?

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Gebührenfreitag am letzten Arbeitstag des Monats 10/2020.

Und unter der Thematik stelle ich zunächst einen Beschluss des LG Münster vor, und zwar den LG Münster, Beschl. v. 04.09.2020 – 20 Qs 9/10. Es geht um die Festsetztzung von Pflichtverteidigergebühren. Der Beschluss behandelt in dem Zusammenhang zwei Problembereiche, und zwar: Zunächst geht es umd die Frage der Glaubhaftmachung und dabie darum, ob die bloße anwaltliche Versicherung immer ausreichend ist. Der Verteidiger hatt die in mehrerer Fällen geltend gemacht, also § 55 RVG. Und der zweite Bereich ist mal wieder Erstreckung. Darauf komme ich nachher zurück.

Zur Glaubhaftmachung führt das LG aus:

„Weitere Kosten sind nicht festzusetzen. Insbesondere ist die Gebühr 4104 VV RVG nicht, auch nicht in einem Fall, festzusetzen. Die Gebühr entsteht – soweit hier relevant – für eine Tätigkeit in dem Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift oder des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei dem Gericht. Eine derartige Tätigkeit des Beschwerdeführers vor Eingang der Anklage am 28.03.2019 ist in keinem der von ihm in seiner Abrechnung gebildeten neun „Fälle“ glaubhaft gemacht.

Der Rechtsanwalt, der die Festsetzung im Rahmen der Beiordnung als Pflichtverteidiger entstandener Kosten beantragt, hat die Tatsachen, die die Verwirklichung eines Gebührentatbestand ergeben, schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen, § 55 Abs. 5 S. 1 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 ZPO (vgl. auch etwa AG Koblenz, Beschl. v. 07.07.2006 – 40 UR IIa 142/06 = BeckRS 2006, 08649). Glaubhaft gemacht sind die behaupteten Voraussetzungen eines Kostentatbestandes, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sind (vgl. BGH, Beschl. v. 11.09.2003 – IX ZB 37/03). Für die durch das Gericht zu treffende Wahrscheinlichkeitsfeststellung gilt dabei der Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 294 Rn. 6 m.w.N.). Die Entscheidung darüber, ob eine Tatsache glaubhaft gemacht ist oder nicht, ist ein Akt wertender richterlicher Erkenntnis (BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 60/06).

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anfall einer Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG für das Verfahren 37 Ds – 61 Js 419/19 – 46/19 nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann an diese Stelle dahinstehen, ob es sich dabei – wie vom Beschwerdeführer angenommen – kostenrechtlich ursprünglich um neun Rechtsfälle oder – wie vom Amtsgericht und der Bezirksrevisorin angenommen – um lediglich einen Rechtsfall im Sinne der Nrn. 4100 ff. VV RVG handelte. Denn die Voraussetzungen für die Entstehung der Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG sind für keinen einzigen Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 294 ZPO kann sich derjenige, der eine Behauptung glaubhaft zu machen hat, aller Beweismittel bedienen und auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Der Beschwerdeführer hat sich keines förmlichen Beweismittels bedient und auch keine Versicherung an Eides statt abgegeben. Er hat seinen Tatsachenvortrag hinsichtlich der Voraussetzungen für die Entstehung der Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG in seinem Schriftsatz vom 18.02.2020 vielmehr ausschließlich anwaltlich versichert. Die anwaltliche Versicherung wird zwar zum Teil grundsätzlich ebenfalls als zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung angesehen (Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 5 m.w.N.). Jedenfalls im Rahmen der Kostenfestsetzung folgt nach allgemeiner Meinung aber im Umkehrschluss aus § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO, dass die bloße anwaltliche Versicherung nicht – jedenfalls nicht zwangsläufig – ausreicht (statt vieler: OLG Köln NStZ-RR 2014, 64 m. zahlr. w. N.; Mayer/Kroiß/Kießling, RVG, 7. Aufl., § 55 Rn. 30; Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Festsetzung gegen die Staatskasse (§ 55)). Insbesondere wenn das Vorhandensein objektiver Mittel der Glaubhaftmachung für den Fall der Richtigkeit der behaupteten Tatsachen zu erwarten wäre, solche aber nicht vorgelegt werden, ist die anwaltliche Versicherung von allenfalls geringem Wert. Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer den vom Beschwerdeführer zur Begründung der Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG geschilderten Sachverhalt nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend, weil zahlreiche Umstände dagegen sprechen.

Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit des geschilderten Sachverhalts spricht zunächst und insbesondere, dass der Beschwerdeführer sich bis zur Erhebung der Anklage im polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hat. Dieser Umstand ist mit der Behauptung, er habe eine jede der neun durch die Polizei mit einem eigenen Aktenzeichen versehenen Taten jeweils mehrfach telefonisch und nachhaltig mit der Mandantin erörtert, kaum in Einklang zu bringen. Denn wie eine mehrfache und nachhaltige Erörterung sachgerecht erfolgen kann, ohne dass der Verteidiger sich über die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Einblick in die Ermittlungsunterlagen verschafft und erwartbar vorhandene Zeugenaussagen studiert, ist bereits fraglich. Dies gilt umso mehr, als der Verteidiger in der Akte selbst mehrfach betont, dass seine Mandantin sich aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit nicht immer zuverlässig an Sachverhalte erinnern könne bzw. die Kommunikation mit ihr schwierig sei. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang stets darauf verweist, die vom Rechtsanwalt erbrachte Tätigkeit müsse sich nicht zwingend aus der Gerichtsakte ergeben, mag dies zutreffen. Die Konsequenz dieses Umstandes liegt aber nicht etwa darin, dass es deshalb gar keiner Umstände bedürfte, die auf die tatsächliche Verrichtung der in Abrechnung gestellten Tätigkeit hinreichend wahrscheinlich schließen lassen. Vielmehr wird gerade in derartigen Konstellationen ein besonderes Augenmerk auf das Vorliegen von Anhaltspunkten zu richten sein, die trotz fehlender Aktenkundigkeit einer Tätigkeit des Verteidigers gleichwohl hinreichend wahrscheinlich auf dessen Tätigkeit schließen lassen. Solche Anhaltspunkte liegen hier aber nicht vor. Im Gegenteil: Gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Tätigkeit des Beschwerdeführers im Ermittlungsverfahren spricht weiter, dass die unterlassene Anzeige seiner Mandatierung ggb. den Ermittlungsbehörden auch mit seinem übrigen aus der Akte ersichtlichen Verhalten kaum in Einklang zu bringen ist. Denn daraus ergibt sich das Bild, dass der Beschwerdeführer ansonsten keine Gelegenheit auslässt, um darauf hinzuwirken, dass der Umstand seiner Mandatierung in ihm bekannten wie auch unbekannten (!) Verfahren schnellstmöglich aktenkundig wird. So begehrt er etwa in den Schriftsätzen vom 10.04.2019 (Bl. 36 d. A.) und 05.06.2019 (Bl.150 d. A. 37 Ds 46/19) ihn „in allen offenen Sachen als Verteidiger ein(zu)tragen“ und den Schriftsatz „allen offenen Verfahren/Vorgängen beizulegen.“ Im Übrigen wird auf die bereits durch die Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2020, dort S. 3, überzeugend dargestellten Auffälligkeiten verwiesen, die der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des vom Beschwerdeführers geschilderten Sachverhalts ebenfalls entgegenstehen und die der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Gelegenheit hierzu mit keinem Wort aufgegriffen bzw. erläutert hat. Insbesondere hat er keinerlei interne Aufzeichnungen, Telefonvermerke, Korrespondenz mit dem Betreuer seiner Mandantin o.ä. Schriftstücke vorgelegt, deren Existenz für den Fall der tatsächlichen Bearbeitung eines Rechtsfalles im Stadium vor Anklageerhebung zu erwarten wäre. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang mit seiner Beschwerde die Auffassung vertritt, er sei zur Vorlage derartiger Unterlagen nicht verpflichtet bzw. dies sei ihm sogar verboten, ist diese Auffassung unzutreffend. Die Darlegung und Glaubhaftmachung einzelner Ansätze kann nicht mit dem Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht abgelehnt werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.9.2014 – III-1 Ws 246/14, III-1 Ws 272/14, 1 Ws 246/14, 1 Ws 272/14; OLG Köln, NStZ-RR 2014, 64; ). Denn zum einen befreit die Regelung in § 55 Abs. 5 S. 1 den Anwalt gegenüber dem Gericht gerade von der Verschwiegenheitspflicht. Zum anderen sind auch der Urkundsbeamte sowie die sonstigen mit der Festsetzung befassten Bediensteten, auch der Vertreter der Staatskasse, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Festsetzung gegen die Staatskasse (§ 55), Rn. 884). Der Beschwerdeführer muss deshalb die aus seinem Unterlassen folgende Konsequenz der fehlenden Glaubhaftmachung seiner Tätigkeit tragen.“