Gestern hat mir der Kollege Pfläging aus Kassel den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.09.2020 – 2 Ws 77/20 – geschickt und das mit folgender Bitte verbunden:
„……ich habe hier ein juristisches Problem, das mir unter den Nägeln brennt.
Es geht um die Erstattung von Kosten für die Anfertigung von Scans der Ermittlungsakte.
Den Sachverhalt können Sie dem beiliegenden Beschuss des Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 02.09.2020, Aktenzeichen: 2 Ws 77/20, sowie meinem Anschreiben an die Bundesrechtsanwaltskammer nebst Anlage entnehmen.
Eventuell könnten Sie sich dieses Problemkreises auch einmal annehmen, um etwas mehr Öffentlichkeit zu schaffen.
In dem beigefügten OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.09.2020 – 2 Ws 77/20 -, mit dem das OLG die Beschwerde des Kollegen gegen einen Beschluss des LG Kassel, das die Dokumentenpauschale für das Einscannen der Papierakte nicht festgesetzt hat, zurückgewiesen hat, heißt es:
„Das Einscannen begründet keinen eigenen Ersatzanspruch, denn das Einscannen von Dokumenten ist keine Herstellung von Kopien im Sinne der Nr. 7000 1.a) VV RVG. Als Kopie im Sinne des Kostenrechts ist nur die Reproduktion einer Vorlage auf einen körperlichen Gegenstand, beispielsweise auf Papier, Karton oder Folie anzusehen. Dies wird in der Begründung zum zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) 2013 ausdrücklich klargestellt (Drucksache 517/12 zu Nr. 7000 W RVG, Seite 444 unter Bezugnahme auf § GNoTKG § 11 GNotKG, Seite 222).“
Nun, etwas Anderes war zu der Frage nicht zu erwarten (und schon gar nicht vom 2. Strafsenat des OLG Frankfurt). Aber in diesem Fall kann man leider noch nicht mal so sehr gegen das OLG Frankfurt Sturm laufen, da sich dieses auf dem Boden der (leider) herrschenden Meinung in der Frage befindet (vgl. u.a. hier: Dokumentenpauschale für das Einscannen von Unterlagen – gibt es beim KG nicht). In der Frage hatte es mal Streit gegeben, aber der hat sich dann leider nach dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG erledigt. Das hatte die entsprechenden Vorschriften geändert und das so begründet, dass es nun ausgeschlossen ist, dass Papierscans als Herstellen von Kopien angesehen wird.
Das ist mehr als ärgerlich und angesichts der sich in den letzten Jahren geänderten Arbeitsweise vor allem von Verteidigern – weg von der Papierakte, hin zu Scans – auch nicht nachvollziehbar. Denn der Arbeitsaufwand, der beim Verteidiger bzw. seinen Mitarbeitern entsteht – ist ja derselbe wie beim Kopieren einen Papierakte. Daher ist/wäre an der Stelle dringend eine Gesetzesänderung erforderlich. Die hatte man – auch ich – sich/mir mit einem 3. KostRMoG erhofft. Nun, jetzt kommt ein (mickriges) KostRÄG 2021 und da liest man von einer Änderung an der Stelle – bislang nichts (vgl. Referentenentwurf zum KostenrechtsänderungsG 2021 – “Es röhrt ein Elefant und er gebiert eine Maus”).
Der Kollege hat sich – so hat er mir mitgeteilt – an die BRAK gewandt und dort auf den „dringenden Handlungsbedarf“ hingewiesen. Es könne – so der Kollege – nicht angehen, dass die
Anwaltschaft gezwungen wird, digitale Kommunikationswege bei beA zu nutzen und andererseits die Arbeit des Scannens nicht vergütet werden soll. Recht hat er der Kollege. Man könnte auch schreiben: Es wäre schön, wenn man an der Stelle im 21. Jahrhundert ankommen würde.
Die Bitte des Kollegen (siehe oben) -„etwas mehr Öffentlichkeit schaffen“ – greife ich gern auf und erfülle sie hiermit. Nur wird es m.E. nichts bringen. Denn wenn man sich die „Gemeinsame Stellungnahme Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein“ (54/2020) von August 2020 ansieht, dann findet sich darin zu dem Punkt nichts. Man schluckt es also, dass sich dort nichts ändert. Das verwundert nicht. Denn – so hört man: BRAK und DAV sollen ja bei der Erarbeitung des Referentenentwurfs beteiligt gewesen sein. Und der DAV feiert den Entwurf ja auch als Erfolg – “Auch wenn nicht alle Forderungen von DAV und BRAK in den vorliegenden Referentenentwurf Eingang gefunden haben – das vorliegende Ergebnis ist ein Erfolg und zeigt, dass sich die Mühen der letzten Monate gelohnt haben.“ (vgl. hier). Da passt es dann sicher nicht so, wenn man an der Stelle „Verbesserungsbedarf“ einfordern würde. Zumal man sicherlich mit erheblichem Widerstand der Bundesländer rechnen müsste, die wieder/noch einmal schreien würden: Alles viel zu teuer.
Also: Ich bin auf die (pflaumenweiche; wahrscheinlich beschwichtigende und hinhaltende) Antwort der BRAK an den Kollegen gespannt. Wahrscheinlich wird man auf die lineare Erhöhung von 10 % hinweisen – na und?, die letzte Erhöhung liegt immer mehr als sieben (!) Jahre zurück – und mitteilen, dass man alles versucht habe, eine Änderung an der Stelle nicht zu erreichen gewesen sei.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Daher: Vielleich hat ja der ein oder andere Kollege Zeit, dieses Problem/diese Frage auch an die BRAK bzw. den DAV heranzutragen.
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Edit: Auf Anregung eines Kollegen in einem Kommentar bei Facebook und nach Rücksprache mit dem Kollegen Pfläging hier dann das Schreiben des Kollegen an die BRAK:
„Ersatz von Kosten für das Einscannen der Papierakte
Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen,
ich habe hier einen Punkt, der möglicherweise bei der RVG-Novelle nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Es handelt sich um den Ersatz von Kosten für das Einscannen der Papierakte.
Ich wurde von der 3. Großen Strafkammer des Landgerichtes Kassel in einem sehr umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren als notwendiger Verteidiger beigeordnet und habe die insgesamt 13.207 Seiten umfassende Ermittlungsakte hier im Büro von meiner Mitarbeiterin einscannen lassen.
Da ich die Auffassung vertrat, dass keine Differenzierung zwischen Digital- und Hartkopie vorzunehmen ist, habe ich die Erstattung im Rahmen der Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG beantragt, was schlussendlich allerdings im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main mit dem in Kopie beiliegenden Beschluss 2 Ws 77/20 verweigert wurde.
Meine Argumentation im Festsetzungsverfahren können Sie dem beiliegenden Schriftsatz vom 23.03.2020 entnehmen.
Ich denke, hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es kann nicht angehen, dass die Anwaltschaft gezwungen wird, digitale Kommunikationswege bei beA zu nutzen und anderseits die Arbeit des Scannens nicht vergütet werden soll.
Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich dieser Angelegenheit annehmen könnten.
Mit freundlichen und kollegialen Grüßen“
Das erleichtert eine Stellungnahme. Ich denke, dass sich BRAK und DAV sicherlich über viele Stellungnahmen und Anregungen freuen werden 🙂 .
Auch nicht vergessen werden darf, daß vor allem bei gemieteten oder geleasten Großgeräten eben nicht nur Kopien sondern auch Scans in die variablen Kosten einfließen, falls solche vereinbart sind. Es stimmt zwar, daß man beim reinen Scannen den Toner einspart, aber deswegen ist der Scan noch lange nicht kostenlos. Selbst bei reinen Dokumentenscannern, die nicht in Multifunktionsgeräten integriert sind, fallen regelmäßig Kosten für Verschleißteile an. So kostet z.B. für einen Panasonic KV-S4065CW, der sich für Kanzleien gerade bei problematischen Originalen und/oder hohem Volumen (Posteingangsscanner usw.) gut eignet, nur ein kompletter Walzensatz ca. 300 Euro netto. Ich habe den Eindruck, unser Gesetzgeber besteht hauptsächlich aus Abgeordneten, die sich ihren Flachbettscanner für 39 Euro bei Aldi kaufen und glauben, das wäre für eine Kanzlei beliebiger Größe ja auch genug und würde für das Scannen tausender Seiten im Monat bequem reichen. Anders kann ich mir diese unsinnige Haltung nicht erklären.