Heute dann verkehrsrechtliche Entscheidungen bzw. solche mit verkehrsrechtlichem Einschlag.
In der ersten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 27.11.2019 – 4 StR 390/19 – nimmt der BGH zu den Urteilsgründen bei einer Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) Stellung. Seine Ausführungen insoweit sind aber nicht rein verkehrsrechtlich zu sehen, sondern gelten allgemein.
Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen vierfacher versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel verurteilt. Festgestellt worden ist ein umfangreiches Verkehrsgeschehen. Nach den Feststellungen des LG hatten der Angeklagte und ein Mittäter in Berlin ein Motorrad enwendet. Sie wurden beim Verladen des Motorrades auf einen in der Nähe abgestellten Transporter von der Polizei beobachtet. Anschließend entfernten sie sich in dem Transporter vom Tatort, wobei der Angeklagte das Fahrzeug steuerte. Dabei kam es dann zu verschiedenen insgesamt 10 „gefährlichen“ Verkehrssituationen; wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.
Dem BGH gefallen die Urteilsgründe (§ 267 StPO) nun gar nicht. Er hebt auf und verweist zurück:
„2. Das angefochtene Urteil ist im Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe auf die Sachrüge hin aufzuheben, weil es insoweit den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht genügt.
a) Nach dieser Vorschrift müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Das bedeutet, dass der festgestellte Sachverhalt so darzustellen ist, wie er sich nach Überzeugung des Gerichts abgespielt hat; zum inneren und äußeren Tatgeschehen sind Tatsachen mitzuteilen, so dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der rechtlichen Würdigung ermöglicht wird (BGH, Urteil vom 19. Mai 1987 – 1 StR 159/87, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 1; Beschlüsse vom 23. Juni 1993 . 5 StR 326/93 und vom 28. September 2010 – 4 StR 307/10, juris Rn. 3f.). Die Darstellung muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Tatrichter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 2). Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in denen eine Straftat gesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2011 – 3 StR 209/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 14. Juni 2002 – 3 StR 132/02, NStZ-RR 2002, 263). Vielmehr liegt ein Mangel des Urteiles vor, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt, wenn aufgrund einer unübersichtlichen Darstellung der Urteilsgründe unklar bleibt, welchen Sachverhalt das Tatgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, juris Rn. 3; Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 2; Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 472/88; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 8).
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Urteilsgründe hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Delikte des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung nicht gerecht. Denn sie ergeben nicht, durch welche bestimmten Tatsachen die gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes dieser Strafvorschriften aus der Sicht des Tatrichters erfüllt werden. Das angefochtene Urteil lässt weder in der rechtlichen Würdigung noch an anderer Stelle erkennen, wie die tatrichterliche Subsumtion vollzogen worden ist. Dies versteht sich angesichts der geschilderten zehn unterschiedlichen Verkehrssituationen auch nicht in einer Weise von selbst, dass es einer Begründung nicht bedurft hätte. Die Erfüllung eines dieser Tatbestände springt für keine der geschilderten Verkehrssituationen unmittelbar ins Auge. So gibt es alleine vier Verkehrssituationen, in denen der Tatrichter naheliegend einen vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gesehen haben könnte (II.2. a), c), h) und i)).
c) Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die ausgeurteilten Taten einem der festgestellten Sachverhaltsabschnitte zuzuordnen, in dem es die gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestands als erfüllt ansieht. Es bestünde unter den hier gegebenen Umständen zudem die Gefahr, dass das Revisionsgericht eine Zuordnung vornähme, die dem Willen des Tatrichters widerspricht. Die gebotene rechtliche Überprüfung im Revisionsverfahren ist dem Senat so nicht möglich.“
Es gibt dann aber auch noch einen verkehrsrechtlichen Hinweis:
„a) Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 315b StGB und § 315c StGB verweist der Senat auf die Ausführungen bei König, LK-StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 95.
b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, genauere Feststellungen zum Tatgeschehen, etwa hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeiten und der genauen Abstände zu treffen. Auch fehlen bisher Feststellungen zum Wert der beschädigten oder gefährdeten Einsatzfahrzeuge. Sowohl § 315b als auch § 315c StGB setzen die Gefährdung von fremden Sachen von bedeutendem Wert voraus (zu den erforderlichen Feststellungen siehe BGH, Beschlüsse vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83; vom 20. Oktober 2009 . 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216; vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 435/12, DAR 2013, 709 m. Anm. Ernst; vom 13. April 2017 – 4 StR 581/16, StraFo 2017, 252; vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 505/18, NJW 2019, 615).
c) Zur Erfüllung des Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB mittels eines Kraftfahrzeuges ist es erforderlich, dass die Verletzungen des Tatopfers gerade durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405 und vom 3. Februar 2016 – 4 StR 594/15, juris Rn. 4). Es fehlen bislang konkrete Feststellungen, dass der Angeklagte dies in seinen Vorsatz aufgenommen hatte.“
So richtig, passt in dem LG-Urteil offenbar gar nichts 🙂
„Der Angeklagte fuhr am um von nach mit dem Fahrzeug und hierbei war ihm bewusst, dass… Wie er wollte… Passierte.“
Wie schwer ist es, das unter II. ins Urteil zu schreiben?
Die ganze restliche Soße kann man doch wenn man doch so wichtig findet bei III. reinschwurbeln… Da macht es wenigstens das Urteil nicht angreifbar… Jedenfalls nicht soooooo schnell.
Wer solche Berufungskammern über sich hat, kriegt ja nie was rechtskräftig…. Das grenzt ja fast an Anwaltshaftung, wenn man nicht überall Berufung einlegt, wenn der zu erwartende Gegner derart unbewaffnet ist….
Das sind dann die Kammern, die Jammern, dass sooooo viel zu tun ist. Man kann Berufungen auch züchten…
War hier allerdings erstinstanzlich. 🙂