Und als letzte „U-Haft-Entscheidung“ stelle ich den BGH, Beschl. v. 22.10.2019 – 4 StR 227/19. Schon etwas älter, ist mir bisher aber immer wieder „durchgegangen“. Heute passt er dann aber ganz gut.
Das LG hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass die im Zeitraum vom 11.04.2018 bis zum 19.08.2018 sowie vom 22.08.2018 bis zum 21.09.2018 erlittene Untersuchungshaft nicht auf die Strafe angerechnet wird.
Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten aufgehoben. Er sieht die vom LG angenommene Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB nicht ausreichend festgestellt. Dazu dann demnächst noch mehr.
Heute geht es hier um die Strafzumessungsentscheidung, zu der es eine „Segelanweisung“ des BGH gibt
„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Begründung, mit der das Landgericht die – teilweise – Anrechnung der im Verfahren erlittenen Untersuchungshaft versagt hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB kann das Tatgericht – ausnahmsweise (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 1970 – 4 StR 241/70 , BGHSt 23, 307 ) – anordnen, dass die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die verhängte Strafe ganz oder teilweise unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist. Eine Versagung der Anrechnung der Untersuchungshaft kann durch ein Verhalten des Verurteilten nach der Tat gerechtfertigt sein, das nicht seiner Verteidigung dient und entweder gerade darauf abzielt, die (angeordnete) Untersuchungshaft zu verlängern, um sich durch deren spätere Anrechnung ungerechtfertigte Vorteile im Rahmen der Strafvollstreckung zu verschaffen, oder den Zweck verfolgt, das Verfahren aus anderen Gründen böswillig zu verschleppen (vgl. BGH, aaO, S. 308). Zwar können auch Fluchtvorbereitungen oder ein Fluchtversuch einen Grund für die Versagung der Anrechnung darstellen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass solche Handlungen, die selbst Haftgrund sind und dem Täter allein durch seine (erneute) Inhaftierung Nachteile erbringen, nicht zugleich eine Versagung der Anfechtung der erst durch sie veranlassten Untersuchungshaft zu rechtfertigen vermögen. Nur wenn das Verhalten des Verurteilten zu einer Verschleppung des Verfahrens geführt hat, soll dem Täter die dadurch veranlasste oder verlängerte Untersuchungshaft nicht im Wege der Anrechnung zugutekommen (BGH, aaO; Beschluss vom 23. Februar 1999 – 4 StR 49/99 , NStZ 1999, 347, 348). Gleiches gilt für Verdunkelungshandlungen (vgl. SSW/Eschelbach, StGB, § 51 Rn. 19), die – wie hier die vom Landgericht festgestellte und nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgte Einwirkung des Angeklagten auf den Zeugen W. – zu einer Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls führen. Dass die festgestellten Verdunkelungshandlungen des Angeklagten auf eine Verlängerung der Untersuchungshaft oder eine Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls abzielten oder den Zweck verfolgten, das Verfahren zu verschleppen, ist weder festgestellt noch naheliegend.