Und als zweite Entscheidung in Zusammenhang mit RSV dann das OLG Köln, Urt. v. 03.02.2020 – 9 U 77/19. In der Entscheidung geht es um die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber der Rechtsschutzversicherung trotz einer von der erteilte Deckungszusage.
Geklagt hatte eine Rechtsschutzversicherung, die Beklagte hat deren Versicherungsnehmer W in einem Rechtsstreit vor dem LG und dem OLG gegen eine Krankenversicherung vertreten. Die Klägerin hatte ihrem Versicherungsnehmer Deckungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung und später auch für die gerichtliche Rechtsverfolgung in erster und zweiter Instanz erteilt. Die Beklagte reichte Klage gegen die Krankenversicherung auf Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von 13.800 EUR sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 526,58 EUR ein. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung wurde vom OLG zurückgewiesen.
Die Klägerin hat an die Beklagte für deren Tätigkeit insgesamt 9.528,81 EUR gezahlt. Unter Anrechnung einer von der Beklagten verdienten Erstberatungsgebühr in Höhe von 226,10 EUR verlangte die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung von 9.302,71 EUR. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 8.499,46 EUR verurteilt. Begründet hat sie dies mit einem Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers. Sie hat von geleisteten Versicherungszahlungen 9.528,81 EUR eine Geschäftsgebühr der Beklagten in Höhe von 1.029,35 EUR in Abzug gebracht (1,3 Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 13.800 EUR). Die wäre nach Auffassung der Kammer auch angefallen, wenn die Beklagte pflichtgemäß von dem Prozess abgeraten hätte. Dagegen die Berufung der Beklagten. Die hatte teilweise Erfolg. Das OLG hat die Beklagte zur Zahlung von 7.937,90 EUR verurteilt. Es ist bei der Berechnung der abzuziehenden Geschäftsgebühr von einem höheren Gegenstandswert als das LG ausgegangen.
Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gem. §§ 675, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG, § 17 Abs. 9 ARB aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers bejaht. Die Haftung der Beklagten folgt daraus, dass sie ihren Mandanten, den Versicherungsnehmer der Klägerin, fehlerhaft beraten hat (vgl. BGH NJW 1994, 1211, 1212; 2007, 2485, 2486; 2018, 2476, 2477 jeweils m.w.N.). Auf mögliche Bedenken gegen die Erfolgsaussichten hat der Rechtsanwalt den Mandanten hinzuweisen. Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen. Er muss von sich aus hinreichend deutlich zum Grad des Risikos und der Wahrscheinlichkeit des Prozessverlusts Stellung nehmen. Von einer völlig aussichtslosen Klage oder Berufung ist abzuraten (vgl. BGH NJW 2012, 2435, 2437; OLG Hamm, Urt. v. 23.8.2016 – 28 U 57/15). Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, auch einem rechtsschutzversicherten Mandanten von einer völlig aussichtslosen Klage oder Berufung abzuraten. Er hat seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversicherer zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren nach Maßgabe der § 3a ARB, § 128 VVG nicht verpflichtet ist (OLG Hamm, Urt. v. 23.8.2016 – 28 U 57/15; Urt. v. 18.2.2016 – 28 U 73/15; OLG Düsseldorf NJOZ 17, 99, 103; NJW 14, 399, 400; Harbauer-Schmitt, Rechtsschutzversicherung: ARB, 9. Aufl. 2018, Einl., Rdnr.98; § 3 a, Rdnr.10 ff.; a.A. LG Dortmund, Urt. v. 23.03.2017 – 2 S 21/16).
Fazit: Für den Rechtsanwalt liegt die Latte zur Erfüllung seiner ihm gegenüber dem Mandanten obliegenden Beratungspflicht hoch.
Und: Die Erteilung der Deckungszusage durch die Rechtschutzversicherung gegenüber ihrem Versicherungsnehmer ändert an einer Schadenersatzverpflichtung des Rechtsanwalts weder dem Grunde noch der Höhe nach etwas.
Und das fasst das OLG in folgenden Leitsätzen zusammen:
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Die Pflicht des Rechtsanwalts, seinen Mandanten grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten und, falls eine Klage oder Berufung nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, hierauf und auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen, gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist.
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Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversicherer zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren nach Maßgabe der § 3 a ARB; § 128 VVG nicht verpflichtet ist.
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Die Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Mandanten/Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet insbesondere für den Rechtsanwalt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass er von dem Rechtsschutzversicherer nicht wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen wird. Die Rechtsschutzversicherung wird nicht als Erfüllungsgehilfin des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig.
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Der zur Beweislastumkehr führende Anscheinsbeweis beratungskonformen Verhaltens, wie er etwa in Fällen der Anwalts- und Steuerberaterhaftung Anwendung findet, gilt in der Rechtsschutzversicherung nicht in jedem Einzelfall. Anders dann, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht von einer von vornherein aussichtlosen Klage abrät und darauf hinweist, dass der Mandant deshalb ohne Rechtsschutz den Prozess auf eigenes Risiko führen müsse.
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Hm. Wenn der RA dem Mandanten abrät, dieser aber dennoch klagen will und der RSV Deckung erteilt, auch wenn er das nicht hätte müssen, wäre aber kein Anspruch gegeben. Beratungsresistente Mandanten kommen ja durchaus vor. Vielleicht kommt ein Gericht dann auf die Idee, der RA hätte auch noch der RSV von der Deckungszusage abraten müssen…