Heute dann mal wieder drei „StPO-Entscheidungen“ des BGH. Und da macht den Opener der BGH, Beschl. v. 26.11.2019 – 3 StR 336/19, in dem der 3. Strafsenat noch einmal zum Umfang der Mitteilungspflicht betreffend eine Verständigung bzw. Verständigungsgespräche (§§ 257c, 243 Abs. 4 StPO) Stellung genommen hat, und zwar wie folgt:
„Die Rüge ist indes – wie auch vom Generalbundesanwalt ausgeführt – unbegründet, weil die von der Verteidigung behaupteten Inhalte des Verständigungsgesprächs, soweit sie von Bedeutung waren, ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung sämtlich im zeitlich engen Zusammenhang mit der Mitteilung des Verständigungsgesprächs und vor Abschluss der Verständigung erörtert wurden. So ergibt sich die vermisste Wiedergabe der Auffassung der Strafkammer, dass bei einer streitigen Fortführung der Hauptverhandlung eine sehr zeitaufwändige Beweisaufnahme durchgeführt werden müsse und eine Verfahrensabkürzung sich durch ein frühzeitiges Geständnis deutlich strafmildernd auswirken werde, aus dem protokollierten Hinweis des Vorsitzenden, aus Sicht der Strafkammer komme „im Falle eines glaubhaften und umfassenden Geständnisses und einer erheblichen Verfahrensverkürzung“ eine – unter dem Regelstrafrahmen des in Rede stehenden § 30a Abs. 1, 2 BtMG liegende – Gesamtfreiheitsstrafe von „drei Jahren sechs Monate bis vier Jahren sechs Monate in Betracht“. Dass es das Verteidigungsziel des Angeklagten war, zu einer „bewährungsfähigen“ Strafe verurteilt zu werden, ergab sich bereits aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerk über das vor Beginn der Hauptverhandlung geführte Telefonat zwischen dem Verteidiger und dem Berichterstatter. Dass die Verteidigung die Auffassung vertrat, es liege ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG vor, folgt mittelbar aus der protokollierten Erklärung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, die dem entgegentrat und allenfalls bei unverzüglichem Geständnis und kurzer Beweisaufnahme eine Strafe von fünf Jahren in Betracht zog. Einzelheiten der Rechtsauffassung der Verteidigung in diesem Zusammenhang, etwa zu Art und Gefährlichkeit der gehandelten Betäubungsmittel, zum Wert des Geständnisses vor dem Ermittlungsrichter im Haftprüfungstermin oder zum Verwendungszweck sowie zur Griffbereitschaft der beim Angeklagten aufgefundenen Messer, waren nicht mitteilungsbedürftig, weil nur über den „wesentlichen Inhalt“ der Gespräche zu unterrichten ist, mithin darüber, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte von einzelnen Gesprächsteilnehmern dabei vertreten wurden und ob sie bei anderen auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, NJW 2013, 1058 Rn. 85; s. zuletzt BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 2 StR 417/18, juris Rn. 2). Eine bis in Einzelheiten der Argumentation für den jeweiligen „Standpunkt“ reichende Mitteilungspflicht ist damit nicht verbunden. Die Anforderungen an den Inhalt der nach § 243 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StPO erforderlichen Mitteilung ergeben sich aus den mit der Unterrichtungspflicht verfolgten Zwecken, namentlich die umfassende Information des Angeklagten sicherzustellen, um diesem eine autonome Entscheidung über die Beteiligung an der Verständigung zu ermöglichen, sowie eine Kontrollmöglichkeit von Verfahrensabsprachen durch die Öffentlichkeit zu eröffnen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 878/14, NStZ 2015, 170). Keiner der beiden Zwecke erfordert Mitteilungen über die Argumentation von Gesprächsbeteiligten im Detail (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 – 1 StR 335/14, NStZ 2015, 416, 417).
Nach alledem waren der Angeklagte und die Öffentlichkeit jedenfalls – wenn nicht aus der Unterrichtung des Vorsitzenden selbst, so doch aufgrund der weiteren protokollierten Hinweise – über den wesentlichen Inhalt der Verständigungsgespräche informiert. Es ist deshalb auszuschließen, dass der Verfahrensfortgang ein anderer gewesen wäre, wenn der Vorsitzende alle Informationen in den Absatz des Protokolls, der seine Unterrichtung über die Verständigungsgespräche wiedergibt, aufgenommen hätte. Auf einem etwaigen Verfahrensfehler würde das Urteil mithin eingedenk der insoweit strengen Anforderungen (vgl. BVerfG aaO, NStZ 2015, 170; Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172) nicht beruhen, so dass der Senat von der Einholung dienstlicher Erklärungen der beteiligten Richter sowie der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft abgesehen hat. Insoweit ist allerdings zu bemerken, dass eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft, mit der solche dienstlichen Erklärungen bereits hätten vorgelegt werden können, entgegen der gesetzlichen Vorschrift des § 347 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht abgegeben worden ist.
Soweit sich aus dem Revisionsvorbringen ergibt, dass der Vorsitzende bei den Gesprächen eine niedrigere Obergrenze der Strafe in Aussicht gestellt haben soll (vier Jahre und drei Monate) als in seinem protokollierten Hinweis als Vorschlag der Strafkammer genannt (vier Jahre und sechs Monate), führt dies ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung: Auch nach dem Revisionsvorbringen stand die erste Erklärung des Vorsitzenden unter dem Vorbehalt der Beratung mit der gesamten Strafkammer. Die zweite, als Hinweis in öffentlicher Hauptverhandlung protokolierte Erklärung gibt damit ersichtlich das wieder, was als Ergebnis dieser Beratung seitens des Landgerichts angeboten wurde. Aus diesem Grund waren alle Beteiligten und die Öffentlichkeit über die wesentlichen Punkte der in Aussicht genommenen, wie ohne Weiteres erkennbar nicht auf unzulässige Vereinbarungen gerichteten Verständigung vollständig informiert und konnten ihr weiteres Prozessverhalten daran ausrichten.“