Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Köln, Beschl. v. 19.02.2020 – 1 RBs 360/19 – betrifft eine Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Folgender Sachverhalt:
Gegen die Betroffene, deren Geschäftszweck der gewerbliche Güterverkehr ist, war mit Bußgeldbescheid der Bundesamts für Güterverkehr im selbstständigen Verfahren gem. § 29 a Abs. 5 OWiG eine Einziehungsanordnung über einen Betrag von 44.355 € ergangen. Dem lag der Vorwurf zugrunde, die Betroffene habe in der Zeit vom 01.06. bis 31.08. 2016 in 157 Fällen durch eine Subunternehmerin Transportaufträge durchführen lassen, bei denen entgegen § 7 c Satz 1 Nr. 3 a GüKG i.V.m. Art 8 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) 1072/2009 Kabotagevorschriften nicht beachtet worden seien.
Dagegen der Einspruch der Betroffenen. Die Verwaltungsbehörde gibt das Verfahren an die Staatsanwaltschaft ab, wo es als “Verkehrs-OWi“ gegen „A, B“ eingetragen wurde. Die Staatsanwaltschaft legt die Akten dann gem. § 69 Abs. 4 Satz 2 OWiG dem AG unter Verzicht auf die Teilnahme an der Hauptverhandlung vor. In der Verfügung wird u.a. um Begründung der Entscheidung für den Fall gebeten, dass auf ein Fahrverbot verzichtet werde. Das Amtsgericht spricht die Betroffene freigesprochen und begründet das auf 29 Seiten
Gegen diese Entscheidung legt die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde eint. Das Urteil wird am 29.03.2019 zugestellt worden. Die zuständige Oberamtsanwältin versendet die Akten mit Verfügung vom 01.04.2019 an die Bußgeldbehörde „m.d.B. um Fertigung und Beifügung einer Gegenerklärung bzw. Beschwerdebegründung“. Das Bundesamt fertigte daraufhin einen auf den 18.04.2019 datierten, mit „Begründung der Rechtsbeschwerde“ überschriebenen, knapp sieben Seiten umfassenden Schriftsatz, welcher dann bei der Staatsanwaltschaft eingeht.
Beim AG geht sodann am 29.04.2019 eine unter demselben Datum gefertigte und der zuständigen Oberamtsanwältin unterzeichnete Beschwerdebegründung ein, mit der die Verletzung materiellen Rechts beanstandet wird. Im Anschluss an eine kurze Darstellung des Verfahrensgangs findet sich darin – in Gänze eingerückt – der Schriftsatz des Bundesamts für Güterverkehr. Mit Blick darauf hat das OLG Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde geäußert und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft haben das Rechtsmittel aufrechterhalten.
Das OLG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig angesehen, da sie nicht formgerecht durch die Staatsanwaltschaft begründet worden ist:
„Mit der Abgabe der Sache gem. § 69 Abs. 4 OWiG geht die alleinige Verfolgungsbefugnis mit Wirkung für das gesamte weitere Verfahren auf die Staatsanwaltschaft über. Im Erkenntnisverfahren ist die Verwaltungsbehörde nach Maßgabe des § 76 OWiG zu beteiligen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren, bei der die Sachkompetenz der Bußgeldbehörde nachrangige Bedeutung hat (vgl. Bösert in: Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 79, Rdnr. 15 m.w.N.), kann sie beteiligt werden (vgl. zum Meinungsstand: Hadamitzky in: KK-OWiG, 5. Aufl., Vor § 79 Rdnr. 12), eine Rechtsmittelbefugnis steht ihr indes nicht zu (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.08.1974 – 3 Ss (B) 132/784 – = VRS 48, 80; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 17. Aufl., Vor § 79, Rdnr. 8). Danach bestehen im Grundsatz zwar keine Bedenken, wenn der Einlegung der Rechtsbeschwerde eine entsprechende Anregung der Bußgeldbehörde vorausgeht, Herrin des Beschwerdeverfahrens ist indes allein Staatsanwaltschaft. Sie ist weder Erfüllungsgehilfin der Verwaltungsbehörde noch deren verlängerter Arm. Namentlich liegt es in ihrer alleinigen Verantwortung, die angefochtene Entscheidung auf formelle oder sachliche Fehler hin zu prüfen und die Rechtsbeschwerdebegründung in der Form der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 StPO abzufassen. Bestehen durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft das Beschwerdeverfahren nicht in eigener Verantwortung betrieben hat, insbesondere die Rechtsmittelbegründung der Verwaltungsbehörde ohne eigene inhaltliche Prüfung übernommen hat, so liegt kein zulässiges Rechtsmittel vor.
So liegt der Fall hier. Eine auf eine eigene Befassung in der Sache rückführbare Begründung der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft enthalten die Akten nicht. Sie hat die Akten nach Übersendung durch die Bußgeldbehörde kommentarlos weitergeleitet und nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen. Die Hauptverhandlung stellt indes den zentralen Teil des gerichtlichen Verfahrens dar. Dort – und nicht erst im Rechtsbeschwerdeverfahren – sind die tatsächlich und rechtichen Fragen, wie hier: des Kabotagerechts, zu erörtern. Die Einlegung des Rechtsmittels erfolgte sodann auf ausdrückliche Bitte der Bußgeldbehörde, von der Rechtsbeschwerdebegründung angefordert worden ist. In dem am Tage des Ablaufs der Begründungsfrist gefertigten Vermerk vom 29. April 2019 heißt es:
„Die Begründung der Rechtsbeschwerde (Anm.: Hervorhebung durch den Senat) durch das Bundesamt für Güterverkehr wurde mir im Postweg am Freitag, den 26.04.2019, zugetragen. Ich befand mich dort ganztägig im Sitzungsdienst vor dem AG Bergisch Gladbach und hatte daher erst heute Gelegenheit zur Bearbeitung. Trotz mehrmaliger telefonischer Nachfrage beim Bundesamt für Güterverkehr liess sich dort niemand zwecks Bereitstellung der Begründung in Dateiform erreichen.“
Nachdem das „copy-and-paste“-Verfahren offenbar ausschied, ist die „Rechtsbeschwerdebegründung“ wortwörtlich in die „Sofort! Von Hand zu Hand Per bes. Wachtmeister“ übermittelte Zuschrift vom 29. April 2019 eingerückt worden. Weder finden sich ansatzweise eigene Ausführungen der Staatsanwaltschaft noch ein irgendgearteter Hinweis darauf, dass sie die Verantwortung für den Inhalt übernommen hat. Das rechtfertigt die Annahme, dass eine eigene sachliche Prüfung durch die Staatsanwaltschaft, die angesichts der Komplexheit der Materie zeitlich auch kaum möglich gewesen wäre, nicht stattgefunden hat. Schließlich hat sie auch die Gegenerklärung auf den Schriftsatz der Verteidigung vom 3. Juni 2019 der Bußgeldbehörde überlassen.
Soweit die Amtsanwältin im Vermerk vom 23. Dezember 2019 nunmehr ausführt, sie übernehme die volle Verantwortung für den Inhalt der Beschwerdebegründung, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen innerhalb der Frist zur Begründung des Rechtsmittels vorliegen. Eine nachträgliche Übernahme der Verantwortung für den Inhalt vermag zudem die notwendige inhaltliche Befassung nicht zu ersetzen.“
Tja, so ist es bzw. das passiert, wenn man es sich zu einfach macht 🙂 .
Tja… Wenn man die objektivste Behörde der Welt sein möchte muss man halt auch selbst schon etwas Hirnschmalz investieren ;-).
…warum wird so eine Sache (29 Seiten vom AG, komplizierte Verweisungsebenen) überhaupt als „Verkehrs-OWi“ von der AA bearbeitet?