Und zum Abschluss des Tages dann noch einmal ein LG Nürnberg-Fürth-Beschluss zur Regelentziehung in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB). Das LG zieht die Grenze für den bedeutenden Sachschaden i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.01.2020 – 5 Qs 4/20 – nach wie vor bei 2.500 EUR. Begründung:
„Die Beschuldigte ist derzeit nicht dringend verdächtig, einen Regelfall des § 69 Abs- 2 Nr. 3 StGB verwirklicht zu haben. Zwar besteht momentan ein Tatverdacht der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 StGB) aufgrund der Angaben der Zeugen PHM pp. (vgl. BI. 4, 12 sowie 21f. d.A.), P. (vgl. B). 7 d.A.) und D (vgl. BI. 26 d.A.) und der in der Akte befindlichen Lichtbilder (vgl. BI. 9 bis II sowie 35 bis 39). Nach dem derzeitigen Ermittlungsergebnis zur Schadenshöhe, insbesondere der Reparaturkalkulation des Sachverständigenbüros pp. (vgl. BI. 46 ff d.A.), besteht jedoch kein dringender Verdacht, dass die Beschuldigte durch den Unfall einen bedeutenden Fremdschaden verursacht hat.
Ein bedeutender Fremdschaden liegt ab einem Betrag von 2.500,00 € netto vor (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Beschluss vom 07.11.19, Az. 5 Qs 64/19). Die Kammer hatte Anfang 2018 die Änderung von § 44 Abs. 1 StPO und damit die seit dem 24.08.2017 geschaffene Möglichkeit der Verhängung von Fahrverboten von bis zu 6 Monaten anstelle von 3 Monaten zum Anlass genommen, ihre Rechtsprechung zum Begriff des bedeutenden Fremdschadens zu ändern (bis 2017: 1.800,00 € netto, vgl. z. B. Beschluss vom 11.04.2008, Az. 5 Qs 61/08). Im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2 Nr- 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten 10 Jahren andererseits hat die Kammer im Interesse der Rechtssicherheit eine großzügige Anpassung der Wertgrenze nach oben vorgenommen. Die Kammer hat dabei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert. Eine exakte Ermittlung der Kostenentwicklung bei der Beseitigung von Unfallfolgen ist nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit der Unfallszenarien von geringer Aussagekraft. Die Kammer hat deswegen davon abgesehen anhand von einem Musterunfallgeschehen auf eine insoweit singuläre Kostenentwicklung abzustellen (vgl. aber zu diesem Ansatz LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.05.2008, Az 5/9a Qs 5/08), Die Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen sind allein in den Jahren von 2010 bis 2016 um 11,6 % angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindex für Deutschland, Klassifikation CC 0723). Im gleichen Zeitraum steigerte sich der Reallohnindex lediglich um 7,8 % (vgl. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten, Reallohnindex und Nominallohnindex, 4. Vierteljahr 2017). Auch im Bereich der Bergungs- und Abschleppkosten ist es zu deutlichen Preissteigerungen gekommen. So sind beispielsweise die Preise für ein Standard-Bergungsfahrzeug zum Abtransport von liegen gebliebenen Pkws bis 7,49 t zwischen den Jahren 2006 und 2016 um 35,5 % angestiegen (vgl. VBA, Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe, Ergebnisse 2006 bis 2016). Eine großzügige Anpassung der Wertgrenze war im Interesse der Rechtssicherheit geboten, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden.
Nachdem der im Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 03.12.2019 bezifferte Schaden mit 1.937,05 € netto unterhalb dieses Betrages liegt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beschuldigte wusste oder hätte wissen können, dass ein Schaden in dieser Höhe eingetreten ist.
b) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte aus anderen Gründen zur Führung von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Allein aus dem Umstand, dass die Beschuldigte mit der vorliegenden Tat dringend einer Unfallflucht, also einer Katalogtat im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB, verdächtigt ist, kann noch nicht auf eine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.“
Ich bin ja gespannt, was das BayObLG zu der Frage sagen wird. Irgendwann wird es sich damit beschäftigen müssen.
Wenn man sich so anschaut, was das OLG München z. B. im Fall des Augsburger Feuerwehrmanns so beschlossen hat… Setzen die die Grenze am Ende noch irgendwo im dreistelligen Bereich fest und bejahen zugleich pauschal Fluchtgefahr, weil man ja schon beim Unfall abgehauen ist :-/ Man kann manchmal gar nicht so schnell gucken, wie hier plötzlich Leute einsperrrt werden…
Man muss fast froh sein, dass das BayObLG es sich jedenfalls SO einfach in der Regel nicht macht.