Fehler in der Beweiswürdigung, oder: (Zu/so) späte Einlassung

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Und als letzte Entscheidung vor Weihnachten stelle ich dann noch den BGH, Beschl. v. 12.11.2019 – 5 StR 451/19 – vor. Eine „Beweiswürdigungsentscheidung“ in einem Verfahren, in dem der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteiltworden ist. Dagegen die Revision, die mit der Sachrüge Erfolg hatte. Der BGH beanstandet zwei Punkte am landgerichtlichen Urteil:

„1. Die Beweiswürdigung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Das Landgericht, das angesichts des unmittelbar tatbezogenen, die Angaben des Nebenklägers bestätigenden rechtsmedizinischen Gutachtens irrig von einer „Aussage-gegen-Aussage“-Konstellation ausgegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 379/03, NStZ 2004, 635, 636; KK-StPO/Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 100), hat die auf eine Notwehrlage abzielende Einlassung des Angeklagten unter anderem deshalb als unglaubhaft bewertet, weil er sich trotz monatelanger Untersuchungshaft, „erstmals in der Hauptverhandlung“ geäußert habe. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667).

2. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht gewichtige Umstände aufgeführt, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen. Es hat aber das anfängliche Schweigen an die erste Stelle seiner Würdigung der Angaben des Angeklagten gestellt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung bezüglich der vom Angeklagten behaupteten Notwehrlage gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte. Hinzu kommt, dass in der rechtlichen Würdigung ausgeführt ist, die Einlassung zur Notwehrlage sei lediglich „nicht vollständig hinreichend glaubhaft“.

3. Das Urteil gibt dem Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:

a) Das Urteil genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung des Ergebnisses eines DNA-Gutachtens zu stellen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 zu eindeutigen Einzelspuren; vom 31. Mai 2017 – 5 StR 149/17, NStZ 2017, 723 zu Mischspuren).

b) Die Angaben eines Angeklagten brauchen auch nicht mit Blick auf den – für die tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen geltenden – Zweifelsgrundsatz als „unwiderlegt“ den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wenn es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie – nicht anders als andere Beweismittel – insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2006 – 3 StR 284/05, NStZ 2006, 652, 653; LR-StPO/Sander, § 261 Rn. 112a)……“

Zumindest der Punkt 1) ist ein Dauerbrenner; der „Fehler“ sollte eine Strafkammer nicht passieren.

Und das waren dann die Entscheidungen vor Weihnachten. Hl. Abend und die Feiertage können kommen…..

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