Heute am Gebührenfreitag zwei Entscheidungen zur Kostenerstattung. Und da stelle ich zunächst den LG Oldenburg, Beschl. v. 17.01.2019 – 5 Qs 444/18 – vor. Ein Klassiker, der in einem Verfahren wegen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen ist. Da hatte die Angeklagte ein privates Sachverständigengutachten eingeolt gegen das von der Staatsanwaltschaft eingeholte Gutachten, dass dem Strafbefehlsantrag zugrunde gelegt worden war. Dann ist die Angeklagte später frei gesprochen worden. Und: Das LG Oldenburg sagt: Die privaten Gutachterkosten werden erstattet:
„Die geltend gemachten Kosten für das von der Beschwerdeführerin eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxxxxxxxxxx gehören zu den nach § 464a Abs. 2 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen. Zwar sind private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, weil Staatsanwaltschaft und Gericht bereits von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind. Die Möglichkeiten, gegebenenfalls Beweisanträge im Ermittlungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren zu stellen, muss der Beschuldigte bzw. Angeklagte daher grundsätzlich ausschöpfen, bevor private Sachverständigengutachten eingeholt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 464a Rn. 16 m.w.N.). Eine Erstattungsfähigkeit kommt demgegenüber ausnahmsweise in Betracht, wenn sich die Prozesslage des Angeklagten aus seiner Sicht bei verständiger Betrachtung der Beweislage ohne solche eigenen Ermittlungen alsbald erheblich verschlechtert hätte oder wenn komplizierte technische Fragen betroffen sind, so dass insbesondere die Einholung eines Privatgutachtens im Interesse einer effektiven Verteidigung als angemessen und geboten erscheinen durfte (Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl., § 464a Rn. 7 m.w.N.).
So ist es hier: In dem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen die Beschwerdeführerin geführten Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft bereits das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxxxxxxxxxxxxx eingeholt, um zu klären, ob eine von der Beschwerdeführerin beim Einparken ihres PKWs verursachte Beschädigung eines anderen Fahrzeuges von dieser wahrnehmbar gewesen ist. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die „akustische und taktile-/vestibuläre Wahrnehmbarkeit aus technischer Sicht seitens der Beschuldigten für den in Rede stehenden Vorgang als wahrnehmbar zu bewerten“ sei. Mit diesem vorläufigen Beweisergebnis hat die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführerin einen Strafbefehl beantragt, der vom Amtsgericht erlassen wurde. Das Amtsgericht hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es die Beschwerdeführerin auf Grundlage der Akten- und Beweislage für hinreichend verdächtig hält (vgl. § 408 Abs. 2 und 3 StPO), so dass diese mit einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit rechnen musste. In einem solchen Fall erscheint es im Sinne einer effektiven Verteidigung gegen den Tatvorwurf durchaus notwendig, dem bisherigen Beweisergebnis durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens entgegenzutreten. Auch hätte die Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung – anders als in dem von der Bezirksrevisorin zitierten Beschluss der Kammer vom 12.12.2016 (Az.: 5 Qs 478/16) – nur noch eingeschränkte prozessuale Möglichkeiten gehabt, den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen entgegentreten zu können. Insbesondere der Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen hätte vom Gericht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO abgelehnt werden können. Jedenfalls musste die Beschwerdeführerin mit dieser Möglichkeit rechnen, so dass sie sich nur durch substantiierte Einwendungen gegen das bisherige Gutachten effektiv verteidigen konnte, für die sie im Hinblick auf die komplizierten technischen Fragestellungen auf die Hilfe eines Privatgutachters angewiesen war (vgl. BVerfG NJW 2006, 136).
Die somit notwendigen Sachverständigenkosten sind auch in der geltend gemachten Höhe zu erstatten. Die Kammer teilt die Auffassung der Bezirksrevision nicht, wonach die Kosten für ein privat eingeholte Sachverständigengutachten ausschließlich nach den Grundsätzen des JVEG zu erstatten sei. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich wie auch in Zivilsachen gerade nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG (BGH NJW 2007, 1532). Diese können allerdings als Richtlinie herangezogen werden, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen ist (Schneider, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rn. 148 m.w.N.). Dies gestaltet sich hier allerdings schwierig, da der Sachverständige xxxxxx den Gesamtaufwand seines Gutachtens pauschal mit 595 € abgerechnet hat. Aus seiner Kostenrechnung vom 24.01.2018 wird allerdings deutlich, dass er inhaltlich im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten in Rechnung gestellt hat, wie der Sachverständige xxxxxxxx. Sein Gutachten ist sowohl hinsichtlich der schriftlichen Ausführungen als auch hinsichtlich der Anlagen (Lichtbilder, Skizzen, Diagramme etc.) deutlich umfangreicher als das xxxx Gutachten des Sachverständigen xxxxxxxxxx. Da es trotzdem deutlich günstiger als das xxxx Gutachten (948,07 €) war, erscheint es im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung ausgeschlossen, dass die Stundensätze des Sachverständigen xxxxxx die Vergütungssätze des JVEG überstiegen haben, wobei insoweit sogar eine Abweichung um bis zu 20 % für vertretbar erachtet wird (KG, Beschl. v. 20.02.201, Az.: 1 Ws 72/09 – zitiert nach juris).