Pflichti II: Sachverständigengutachten im Verfahren, oder: Auf keinen Fall Vollmacht vorlegen

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Die zweite Entscheidung stammt vom LG Münster. Es ist der LG Münster, Beschl. v. 11 Qs-82 Js 7423/17-6/19, den mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld übersandt hat. Problematik. Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn ein (Schrift)Sachverständigengutachten eingeholt worden ist. Das LG lehnt – ebenso wie das AG – die Bestellung ab. Begründung:

„Insbesondere liegt hier trotz des eingeholten Schriftsachverständigengutachtens keine schwierige Sach- oder Rechtslage vor, die die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfordert, da ein Tatnachweis unschwer durch die Angaben der Zeugin Sch. geführt werden kann. Im Übrigen ähnelt die Unterschrift unter dem fraglichen Vertrag vom 03.05.2017 der von der Angeklagten geleisteten Unterschrift unter der anwaltlichen Vollmacht vom 10.05.2017 (BI.72 der Akte) in derart hohem Maße, dass die von der Angeklagten behauptete Fälschung -unabhängig von dem Gutachten- aus Sicht der Kammer ausgeschlossen erscheint.

Ebenso wenig rechtfertigt die Schwere der der Angeklagten angelasteten Tatbegehung die Beiordnung eines Verteidigers. Zwar dürfte angesichts des Nachtat- bzw. Prozessverhaltens der Angeklagten im Falle einer Verurteilung eine deutlich empfindlichere (Geld-) Strafe als in dem ursprünglichen Strafbefehl vorgesehen zu verhängen sein, da ihre Einlassung im anwaltlichen Schreiben vom 28.12.2017 nicht mehr als zulässiges Verteidigungsverhalten, sondern vielmehr als falsche Verdächtigung und Vortäuschen einer Straftat zu werten sein dürfte. Gleichwohl ist die letztlich zu erwartende Strafe nicht derart hoch, dass sie die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gebietet.

Nicht zuletzt kam eine Beiordnung hier auch deshalb nicht in Betracht, weil die Angeklagte bereits von einem weiteren Wahlverteidiger – Rechtsanwalt pp. – vertreten wird.“

M.E. eine Einzelfallentscheidung, denn letztlich entscheidend ist hier wohl der letzte Satz, aber:

Die Entscheidung ist deshalb eines Hinweises wert, weil sie sehr schön zeigt, warum man eben als Verteidiger keine schriftliche Vollmacht des Mandanten vorlegt, und schon gar nicht in Verfahren, in denen es auf die Handschrift des Mandanten ankommt, wie offenbar hier. denn dann erspart man sich und dem Mandanten solche Sätze wie: „Im Übrigen ähnelt die Unterschrift unter dem fraglichen Vertrag vom 03.05.2017 der von der Angeklagten geleisteten Unterschrift unter der anwaltlichen Vollmacht vom 10.05.2017 (BI.72 der Akte) in derart hohem Maße, dass die von der Angeklagten behauptete Fälschung -unabhängig von dem Gutachten- aus Sicht der Kammer ausgeschlossen erscheint.“

Kleiner Hinweis: Der einsendene Kollege hat bei der Übersendung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht derjenige war, der die Vollmacht des Mandanten im Verfahren vorgelegt hat.

4 Gedanken zu „Pflichti II: Sachverständigengutachten im Verfahren, oder: Auf keinen Fall Vollmacht vorlegen

  1. RA Ullrich

    Weil man den Angeklagten mit möglichst hohen Prozesskosten dafür bestrafen will, dass er von seinen Verfahrensrechten Gebrauch macht. Obwohl ich das ehrlich gesagt eher in der Konstellation kenne, in denen Richter den Angeklagten nötigen wollen, in einer eigentlich freispruchreifen Sache eine Einstellung nach §§ 153 oder 153a zu akzeptieren (natürlich ohne Erstattung seiner Verteidigerkosten). Da vergisst das Gericht gerne schonmal seine eigene Sachkunde und will zu den abstrusesten Trivialitäten noch teure und zeitraubende Sachverständigengutachten einholen, wenn man denn auf einem freisprechenden Urteil bestehen möchte (manche Richter zumindest – sicherlich bedauerliche Einzelfälle 🙂 )

  2. Briag

    Das ist Unfug. Wenn der Angeklagte freigesprochen wird, wird er mit dem Prozesskosten nicht belastet, egal, wie hoch die sind. Es wäre also widersinnig, mit Gutachterkosten „strafen“ zu wollen.

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