Archiv für den Monat: Januar 2019

Pflichti I: Weiterer Nebenklägerbeistand, oder: Kein Rechtsmittel des Angeklagten

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Heute dann drei „Pflichtverteidigerentscheidungen“. Die Thematik hatte ich schon länger nicht mehr.

Ich starte mit dem KG, Beschl. v. 24.09.2018 – 2 Ws 184/18 – zur Beistandsbestellung für den Nebenkläger. Gegen den Angeklagten ist vor dem Schwurgericht beim LG ein Verfahren wegen Mordes und Vergewaltigung anhängig. Das LG hat zwei Kindern der Getöteten als Nebenkläger gemäß § 397a Absatz 1 Nr. 2 StPO jeweils einen eigenen anwaltlichen Beistand bestellt. Dagegen das Rechtsmittel des Angeklagten, das das KG als unzulässig verworfen hat.

„Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Angeklagte durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist.

Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels eine Beschwer ist (vgl. BGHSt 16, 374; 28, 327; Jesse in Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., vor § 296 Rn. 54 f.). Die Beschwer muss objektiv vorhanden sein und der Beschwerdeführer muss ein spezifisch eigenes Interesse an einer objektiven Verbesserung seiner Rechtslage haben. Das Allgemeininteresse an richtigen Entscheidungen genügt nur für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft (Jesse a.a.O. Rn. 51, 53).

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Beschuldigter oder Angeklagter durch die Bestellung eines Nebenklägerbeistandes nach § 397a StPO in seiner Rechtsposition nicht unmittelbar beeinträchtigt und daher nicht beschwert (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 7. Februar 2006 – 4 Ws 48/06 – und 20. November 2007 – 3 Ws 656/07 –, juris).

Es ist nicht ersichtlich, warum ein Angeklagter abweichend von diesem Grundsatz durch die Bestellung eines weiteren Nebenklägerbeistandes beschwert sein soll. Eine solche Bestellung beeinträchtigt die Rechte des Angeklagten unmittelbar ebenso wenig wie die des ersten Beistandes (vgl. KG, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – 3 Ws 548/16 –). Die mögliche kostenrechtliche Beschwer des Angeklagten trifft ihn jedenfalls im Zeitpunkt der Bestellung des Nebenklägerbeistandes weder gegenwärtig noch unmittelbar, weil über die Frage, wer welche Kosten zu tragen hat, erst mit dem die Instanz abschließenden Urteil entschieden wird. Dessen Anfechtung sowie auch der isolierte Angriff auf die Kostenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO, stehen dem Angeklagten frei, falls er verurteilt wird.

Eine Beschwer des Angeklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass er vor der Bestellungsentscheidung nicht angehört wurde. Eine solche Anhörung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 397a Rn. 13; BeckOK StPO/Weiner StPO § 397a Rn. 27) Dies folgt aus der Regelung des § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO, wonach das Gericht über die Berechtigung zum Anschluss als Nebenkläger nach alleiniger Anhörung der Staatsanwaltschaft entscheidet. Obwohl mit der Wirksamkeit der Anschlusserklärung nach § 396 Abs. 1 Satz 1 StPO die nachteilige Kostenfolge des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO im Raum steht, hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, den Angeklagten, der auch insoweit ein Nichtzulassungsinteresse haben könnte, am Verfahren zu beteiligen.“

Strafzumessung III: Geldbuße im OWi-Verfahren über 250 €, oder: Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen

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Die dritte Entscheidung des Tages stammt dann nicht aus dem Strafbereich, sondern aus einem OWi-Verfahren. Das OLG Schleswig hat im OLG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2018 – 2 SsOWi 206/18 (135/18) – zum erforderlichen Umfang der Feststellungen betreffend die Geldbuße, wenn die 250 € übersteigt, Stellung genommen.

„…..Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hat die Rechts-beschwerde auf die allgemeine Sachrüge hin jedoch – vorläufigen – Erfolg.

Zum einen ist ausweislich der im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nicht erkennbar, ob und auf welche Weise das Amtsgericht Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen des Betroffenen getroffen hat. Bei der Bemessung einer Geldbuße von mehr als 250,– € besteht eine Verpflichtung des Gerichts zur Aufklärung der Vermögensverhältnisse des Betroffenen, so dass außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen sind (Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 SsOWi 191/10 (150/10) – NZV 2011, 410 f; auch bei juris).“

An der Stelle ist das OLG Schleswig (immer noch) recht streng, während andere OLG das weiter sehen (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.01.2017 – 2 Ss OWi 1029/16) und auch bei Geldbußen über 250 € nicht unbedingt Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen verlangen. Aber: Eine Vorlage zum BGH war nicht erforderlich, denn das OLG hat noch ein weiteres „Haar in der Suppe“ gefunden, was zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs geführt hat:

„Zum anderen mag – wie die Formulierung „entspricht dem Regelsatz“ in den Entscheidungsgründen verdeutlicht – dem Amtsgericht noch bewusst gewesen sein, dass bei der Verhängung eines Fahrverbots vom Regelfall durchaus nach oben oder unten abgewichen werden kann. Allerdings fehlen Ausführungen dazu, die dem Senat ermöglichen würden, es zu überprüfen, ob das Amtsgericht sich der Wechselwirkung der Bemessung des Fahrverbots und der Geldbuße bewusst gewesen ist. Insbesondere hat es weder die Frage geprüft, ob wegen Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, noch hat es sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht von der Verhängung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung der festgesetzten Geldbuße abgesehen werden konnte, weil bei dem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch auf eine solche Weise erreicht werden kann (Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2010 a. a. O.).“

Strafzumessung II: Verstoß gegen das BtMG, oder: Dauerbrenner gefährliche/ungefährliche Droge

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Und die zweite Strafzumessungsentscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 05.12.2018 – 4 StR 231/18 – auch aus dem BtM-Bereich. Der BGH „meckert“ gegen eine Entscheidung des LG Essen:

„Zwar begegnen die Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Prüfung minder schwerer Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG rechtlichen Bedenken, bei Marihuana handele es sich „keinesfalls“ um eine „ungefährliche“ bzw. als „deutlich weniger gefährlich“ einzustufende Droge, ihre Gefährlichkeit ergebe sich aus ihrer leichten Zugänglichkeit und ihrem niedrigen Kaufpreis. Denn zum einen lassen diese Ausführungen besorgen, dass das Landgericht die – im Vergleich zu anderen illegalen Betäubungsmitteln – geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten nicht hinreichend berücksichtigt hat (zum Stufenverhältnis von sog. harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 274/18, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 13 [insofern nicht abgedruckt in NStZ-RR 2017, 310]; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ 2016, 614, 615; und vom 26. März 2014 – 2 StR 202/13, juris Rn. 20; st. Rspr.), zum anderen übersieht die Strafkammer, dass sich die Gefährlichkeit eines Betäubungsmittels nicht nach seiner Zugänglichkeit oder seinem Kaufpreis, sondern nach seinem Suchtpotential bemisst.“

Aber – wie so oft:

„Der Senat kann jedoch angesichts der weiteren vom Landgericht zu Ungunsten des Angeklagten in Ansatz gebrachten Strafzumessungserwägungen ausschließen, dass die Ablehnung minder schwerer Fälle auf diesen rechtlich bedenklichen Erwägungen beruht.“

 

Strafzumessung I: Verstoß gegen das BtMG, oder: Dauerbrenner Gewinnerzielungsabsicht

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Ich habe schon länger keinen „Strafzumessungstag“ mehr gemacht. Daher dann heute drei Entscheidungen aus dem Bereich.

Den „Opener“ macht der BGH, Beschl. v. 21.08.2018 – 2 StR 231/18. Schon etwas älter und auch nichts „Dolles“, sondern ein Dauerbrenner aus dem Bereich der Strafzumessung: Nämlich Strafzumessung bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG. Da hat der BGH gegen den Strafausspruch

durchgreifende Bedenken:

a) Die Strafkammer hat sowohl bei der Ermittlung des konkreten Strafrahmens wie auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, „dass er die Taten begangen hat, ohne selber betäubungsmittelabhängig und damit auf die erzielten Einnahmen zur Finanzierung seines Konsums angewiesen gewesen zu sein“. Vielmehr habe er „die Taten aus rein monetärem Interesse zur Verbesserung seines Lebensstandards sowie des Lebensstandards der Angeklagten S. “ begangen.

b) Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, der beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt. Denn eine Verurteilung wegen Betäubungsmittelhandels setzt tatbestandlich voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. November 2017 – 4 StR 393/17, juris Rn. 4 mwN; Senat, Beschluss vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Zudem hat die Strafkammer mit der beim Angeklagten nicht bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 4 StR 60/18, juris Rn. 5 mwN).“

Wie gesagt: Dauerbrenner.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Bekomme ich auch eine Terminsgebühr, wenn ich nicht mehr warten konnte?

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Auf die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Bekomme ich auch eine Terminsgebühr, wenn ich nicht mehr warten konnte?, habe ich der Fragestellerin wie folgt geantwortet:

„Hallo,

dazu gibt es leider bislang keine Rechtsprechung. Sie müssten m.E. mit LG Dortmund, Beschl. v. 09.02. 2016 – 34 Qs 110 Js 265/15 argumentieren. Das ist genau der umgekehrte Fall: Vorverlegung des Termins und deshalb hat der der Verteidiger nicht am Termin teilgenommen. Und: Sinn und Zweck der Regelung sprechen für Sie. Fechten Sie es durch. Mich würde der Ausgang interessieren.“

Die Kollegin hat versprochen, eine von ihr erstrittene Entscheidung zu schicken. Die Fragestellung zeigt im Übrigen mal wieder, wie falsch die Rechtsprechung der OLGe Frankfurt am Main und München ist, die für die Anwendung der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG die körperliche Anwesenheit des Rechtsanwalts im Sitzungssaal verlangen. Denn auch genau dden Fall, den die Kollegin hier zur Diskussion gestellt hat, sollten mit der Regelung in Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG erfasst werden. Es kann doch nicht zu Lasten des Verteidigers gehen, wenn sich das Gericht zeitlich verkalkuliert und der Verteidiger wegen eines anderen Termins/Hauptverhandlung nicht länger warten kann. Die Begründung  der Kostenbeamtin für die Ablehnung der Festsetzung – die Kollegin „hätte schließlich noch warten können“ – ist schlicht eine Frechheit.