Pflichtverteidigergebühren fallen nicht mit Entpflichtung weg, oder: Aber „kleiner“ Fehler

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Heute dann kein OWi, sondern – es ist Freitag – gebührenrechtliche Entscheidungen. Und da bringe ich zunächst den LG Kaiserslautern, Beschl. v. 11.01.2019 – 4 Ks 6034 Js 10590/16. Der ist insofern interessant, weil ich über das Verfahren und die gebührenrechtliche Problematik, die das LG entschieden hat, schon berichtet habe, und zwar hier in: Ich habe da mal eine Frage: Sind die Pflichtverteidigergebühren “nachträglich weggefallen”? ,also in einem RVG-Rätsel. In dem „Lösungsposting“ (vgl. hier: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Sind die Pflichtverteidigergebühren “nachträglich weggefallen”?) hatte ich die Hoffnung geäußert, dass die Strafkammer die falsche Entscheidung der Rechtspflegerin korrigieren wird.

Und: Glück gehabt :-). Die Strafkammer hat im LG Kaiserslautern, Beschl. v. 11.01.2019 – 4 Ks 6034 Js 10590/16 korrigiert, sie hat nämlich die vom Pflichtverteidiger geltend gemachten Gebühren festgesetzt:

„Der Erinnerungsführer hat einen Anspruch auf Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.

Nach § 48 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist.

Mit Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 16.01.2017 wurde dem Verurteilten Rechtsanwalt pp. zunächst als Pflichtverteidiger zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens bestellt. Mit Beschluss vom 23.01.2017 wurde die Bestellung auf die dagegen gerichtete Beschwerde wieder aufgehoben.

Vergütungsansprüche des Rechtsanwaltes gegen die Staatskasse entstehen für Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Bestellung (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 171).

§ 45 ff. RVG setzen demnach eine wirksame Bestellung voraus.

Wirksam wird eine Beiordnung in dem Zeitpunkt, in dem sie dem Antragsteller, dem beigeordneten Rechtsanwalt oder einer sonstigen Partei bzw. einem beliebigen am Verfahren Beteiligten mitgeteilt wird. Meist geschieht dies durch Verkündung oder Zusendung des Beschlusses. Jedoch genügt auch eine formlose Mitteilung (Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 48, Rn. 46). Erfolgt die Bestellung oder Beiordnung eines Rechtsanwalts in sonstiger Weise, gelten die obigen Darstellungen entsprechend (Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 48, Rn. 118).

Für die Höhe und den Umfang des Vergütungsanspruchs ist in sämtlichen Verfahrensordnungen nach § 48 Abs. 1 RVG also in erster Linie der Bestellungsakt selbst maßgeblich. Sein Umfang bestimmt die nähere Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Staatskasse und bestelltem Rechtsanwalt. Die Regelung limitiert den Vergütungsanspruch grundsätzlich auch in zeitlicher Hinsicht. Dieser entsteht demnach regelmäßig nur für solche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt nach erfolgter Bestellung sowie vor dem Ende der Wirkungsdauer des Bestellungsakts erbracht hat (OLG Hamburg NStZ-RR 2012, 390).

Voraussetzung für die Entstehung des Vergütungsanspruchs ist also zunächst die wirksame Bestellung des Pflichtverteidigers. Dies geschah mit der formlosen Mitteilung des Beschlusses vom 16.01.2017 an den Erinnerungsführer. Die Aufhebung dieses Beschlusses bewirkte das Ende der Bestellung, allerdings nur für die Zukunft und nicht rückwirkend. Weder aus dem Aufhebungsbeschluss vom 18.01.2017 noch aus dem weiteren Ablehnungsbeschluss vom 25.01.2017 ergibt sich eine rückwirkende Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung.

Darüber hinaus genießt der Erinnerungsführer Gutglaubensschutz,

Die Beiordnung muss wirksam sein, um einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu begründen. Sie ist es nicht. wenn sie nichtig oder namentlich für jedermann erkennbar grob gesetzeswidrig ist. Die bloße Fehlerhaftigkeit der Beiordnung berührt dagegen den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch nicht. Unklarheiten sind im Festsetzungsverfahren zugunsten des Anwalts auszulegen; das Erklärungsrisiko liegt insoweit bei den Gerichten (Mayer, Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 45 Rn. 19). Durch die Beiordnung bzw. Bestellung wird zwischen dem Hoheitsträger, der die Beiordnung vorgenommen hat, und dem Anwalt ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet. Wird der Rechtsanwalt im Rahmen der Bestellung bzw. Beiordnung tätig, erwächst ihm ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45) (Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 55 Rn. 5).

Wird der Rechtsanwalt vom Gericht versehentlich über seine Bestellung informiert, obgleich eine solche nicht erfolgt ist, so ist der gutgläubige Rechtsanwalt so zu stellen, als ob er bestellt worden wäre (Gerold/Schmidt. RVG Kommentar 23. Auflage 2017. § 45, Rn. 126). Dies muss also erst recht gelten, wenn der Rechtsanwalt, wie auch geschehen, tatsächlich einmal bestellt wurde.

Da der Erinnerungsführer folglich bis zur Aufhebung am 23.01.2017 als Pflichtverteidiger bestellt gewesen ist, steht ihm für diesen Zeitraum ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach § 45 Abs. 3 Satz 1 RVG zu. Er hat Anspruch auf Gebühren nach § 17 Nr. 12 RVG mit 4136 VV RVG und Ersatz der durch Nachforschungen entstandenen Auslagen nach § 46 Abs. 3 Satz 1 RVG. Sie sind deshalb mit einer Geschäftsgebühr nach 4136 VV RVG i. H. v. 316,00 Euro, einer Pauschale Post/Telekom nach 7002 VVRVG mit 20.00 Euro, einer Pauschale für Ablichtungen 187 Seiten nach 7000 VVRVG mit 45,55 Euro, anteilige (1/2) Reisekosten Besprechung JVA Diez 1014 km nach 7003 VV RVG mit 152,10 Euro, einem halben Abwesenheitsgeld nach 7005 VV RVG mit 35,00 Euro und einer Umsatzsteuer nach 7008 VVRVG mit 108, 04 Euro festzusetzen.“

So weit, so gut. Allerdings: Einen kleinen (?) Wermutstropfen hat die Entscheidung, denn: Alles, was der Vorsitzende der Strafkammer nach den o.a. Ausführungen schreibt, ist überflüssig (und falsch, sorry). Da heißt es nämlich:

„Für die Geschäftsgebühr nach 4136 VVRVG ist die Verfahrensgebühr im ersten Rechtszug vor der Strafkammer nach 4112 VVRVG mit 50, 00 Euro bis 320, 00 Euro maßgebend. Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist, und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für die Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, der Praxis nicht viel geholfen ist, weil ihr ein Ansatzpunkt fehlt, hat die Praxis sich diesen Ansatzpunkt mit der sog. Mittelgebühr geschaffen. Die Mittelgebühr soll gelten und damit zur konkreten billigen Gebühr in den „Normalfällen“ werden, d.h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen (Gerold/Schmidt, Kommentar RVG, § 14, Rn. 10). Für die konkrete Bemessung der Gebühren sind beim Wahlanwalt neben dem allgemeinen Umfang der vom RA erbrachten Tätigkeiten und der Schwierigkeit der Sache bei der Geschäftsgebühr VV 4136 insbesondere der Umfang der Akten, in die sich der Rechtsanwalt einarbeiten musste, von Belang (Gerold/Schmidt, Kommentar RVG, VV 4136-4140 Rn. 32). Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Gebühr von 316,00 Euro angemessen.“

Falsch deshalb, weil es auf § 14 RVG gar nicht ankommt. Denn der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger (!!), er erhält also die gesetzlich festgelegte Festbetragsgebühr und das sind die beantragten 316 €. Da muss man nicht mit § 14 RVG argumentieren.

Nun ja, kann einem Vorsitzenden des Schwurgerichts schon mal passen. Die haben ja an sich mit wichtigeren Dingen zu tun.

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