Als zweite „Versuchsentscheidung“ stelle ich den BGH, Beschl. v. 05.07.2018 – 1 StR 201/18 – vor. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlichen Fällen verurteilt. Der Angeklagte hatte für einen Fall strafbefreienden Rücktritt nach §§ 211, 23 Abs. 1 StGB geltend gemacht.
Der BGH hat das anders gesehen: ) .
„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall III.1. der Urteilsgründe setzte der Angeklagte, der Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr R. war, am späten Abend des 5. Januar 2016 ein bewohntes dreistöckiges Wohnhaus im Erdgeschoss in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Ihm kam es hierbei allein darauf an, die ausgelobte Einsatzvergütung zu erlangen und so seine schlechte Vermögenssituation zu verbessern.
Aufgrund des durch den Brand entstandenen Rauches und hochgiftiger Brandgase, die in die Wohnbereiche des 1. und 2. Obergeschosses des Hauses zogen, war den vier zu dieser Zeit im Haus befindlichen Bewohnern der Fluchtweg durch das Treppenhaus abgeschnitten. Während die Gebrüder P. vom 1. Obergeschoss aus über den Balkon des Nebenhauses aus dem Haus gelangten, brachten sich G. und ihr Mann zunächst auf dem Balkon ihrer Wohnung im 2. Obergeschoss in Sicherheit. Dort machten sie eine Nachbarin auf sich aufmerksam, die dann die Feuerwehr alarmierte. Die Feuerwehr evakuierte das Ehepaar G. dann nach einigen Minuten mittels einer Leiter von dem Balkon. Der Angeklagte hatte bereits nach der Brandlegung das Haus verlassen und abgewartet, bis sein Feuerwehrpiepser den Feueralarm meldete. Danach machte er sich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Feuerwehrhaus, wo er anschließend in der Funkzentrale für über vier Stunden seinen Dienst versah.
2. Die Annahme des Landgerichts, dass es hier für einen Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht ausreichend war, sich nach Eingang eines erst durch Dritte ausgelösten Feueralarms auf seinem Feuerwehrpiepser zum Feuerwehrhaus zu begeben und dort die Funkzentrale zu besetzen, hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Versuch des Mordes und der Brandstiftung mit Todesfolge aus Sicht des Angeklagten beendet war, als er einen in der Waschküche abgestellten Altpapiersack entzündet und anschließend das Haus verlassen hatte, nachdem er sich versichert hatte, dass der Brand weiterbrennen würde und er deshalb alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan habe. Für einen strafbefreienden Rücktritt hätte der Angeklagte daher entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindern müssen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) oder sich zumindest freiwillig und ernsthaft um die Abwendung des Erfolgseintritts bemühen müssen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
a) Allerdings hat das Landgericht für die Beantwortung der Frage, ob der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB durch Mitwirkung an der Erfolgsverhinderung vom Versuch zurückgetreten ist, unrichtige Maßstäbe angelegt. Es nahm rechtsfehlerhaft an, der Angeklagte wäre auch bei diesem Rücktrittsgrund verpflichtet gewesen, nach besten Kräften für die Erfolgsvermeidung zu sorgen. Der Senat kann aber ausschließen, dass das Urteil auf dem unzutreffenden rechtlichen Ansatz des Landgerichts beruht, weil ausgehend von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom (beendeten) Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB auch bei Zugrundelegung zutreffender Maßstäbe für die erforderlichen Rettungsbemühen nicht gegeben waren.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt für diesen Fall nicht (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2002 – 2 StR 251/02, BGHSt 48, 147, 149 f.; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 65. Aufl., § 24, Rn. 32 ff.). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301; vom 13. März 2008 – 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509; Beschluss vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276, 277). Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten (vgl. BGH aaO, BGHSt 33, 295, 301 mwN).
Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte der Angeklagte durch sein Handeln keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich werden konnte. Die Gebrüder P. hatten sich bereits selbst auf den Balkon des Nebenhauses gerettet. Die beiden weiteren Bewohner wurden bereits nach einigen Minuten aufgrund einer Benachrichtigung durch eine Nachbarin von der Feuerwehr gerettet. Der Angeklagte trug zu der Rettung durch eigenes Verhalten nicht bei. Er wies weder auf den Brand hin noch machte er – als der Notruf Dritter bei der Feuerwehr eingegangen war – Angaben zu rettungsbedürftigen Personen, Brandherd oder Brandursache. Auch leistete der Angeklagte selbst keine aktiven Beiträge zur Rettung der Personen. Allein dadurch, dass er zunächst auf die Mitteilung des Feueralarms auf seinem Feuerwehrpiepser wartete, um dann in der Funkzentrale seinen Dienst zu verrichten, setzte er keine neue Kausalkette zur Rettung der Hausbewohner in Gang. Ausgehend von den Urteilsfeststellungen schließt der Senat auch aus, dass die Tätigkeit des Angeklagten in der Funkzentrale für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich geworden sein könnte.
b) Ein Rücktritt des Angeklagten vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB ist ebenfalls nicht gegeben. Wird – wie hier – der Taterfolg durch Dritte verhindert, setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301 f.; vom 13. März 2008 – 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509; Beschluss vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276, 277). Hierfür genügt die bloße Dienstverrichtung des Angeklagten in der Funkzentrale der Freiwilligen Feuerwehr R. erst recht nicht. Insbesondere hat der Angeklagte die Rettungskräfte vor Ort nicht über die ihm bekannten Informationen über die Brandursache und den Brandherd informiert, was aber erforderlich gewesen wäre, um sie möglichst effektiv bei der Rettung zu unterstützen.“