Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um das LG Düsseldorf, Urt. v. 17.05.2018 – 19 S 138/17. Thematik: Ist eine Verweisung auf eine günstigere Fachwerkstatt trotz Abrechnung auf Basis der regionalen Stundensätze möglich. Das LG bejaht die Frage:
„1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PfIVG auf die Zahlung weiterer 594,47 Euro fiktiver Reparaturkosten aufgrund des Unfallschadens vorn 27.03.2017. Denn die Beklagte durfte die Klägerin auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit und die sich daraus ergebenden geringeren Stundenverrechnungssätze verweisen. Die entgegenstehende Rechtsauffassung des Amtsgerichts sowie verschiedener Instanzgerichte wird von der Kammer nicht geteilt.
Der Schädiger kann den Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien“ Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden (BGH, Urteil vom 07.02.2017, VI ZR 182/17, Rn. 7 — zitiert nach Juris).
Diese vom Bundesgerichtshof formulierten Voraussetzungen liegen vor. So hat die Beklagte die Klägerin auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verwiesen. Anhaltspunkte, dass diese nicht ohne Weiteres zugänglich ist oder die dortige Reparatur nicht dem Standard der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht, hat die Klägerin nicht vorgetragen; insbesondere hat sie die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten nicht bestritten.
Soweit das Amtsgericht der Auffassung ist, die Grundsätze der genannten Rechtsprechung seien auf den Fall, in dem der Geschädigte entsprechend den mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen von Kraftfahrzeugbetrieben in der Region abrechne, nicht anwendbar, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Insbesondere wird der Grundsalz der Totalreparation nicht dadurch unterlaufen, dass einem Geschädigten, der seiner Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze sämtlicher repräsentativer Fachwerkstätten seines Wohnorts zugrunde legt, eine günstigere Reparaturalternative aufgezeigt wird, Denn der Durchschnittswert der Stundenverrechnungssätze ist ein rein statistischer Wert, der nichts über den konkreten Stundenverrechnungssatz der jeweiligen Autowerkstatt aussagt. Sofern indes eine günstigere Alternative vorliegt, die unterhalb des Durchschnittswertes rangiert, ist der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gehalten, darauf zurückzugreifen unabhängig davon, wie hoch der rein statistische Durchschnittswert im Einzelnen ist. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der Geschädigte nicht gehalten ist, sich auf ihm aufgezeigte Stundenverrechnungssätze einzulassen, nur weil sie sich unterhalb eines statistischen Rechenwertes bewegen.
Die vorstehenden Ausführungen gelten auch unter Berücksichtigung der weiteren Rechtsausführungen der Klägerin in dem Schriftsatz vom 03.05.2018. Die Beklagte war nach der Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gehindert, die Klägerin auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit zu verweisen, die die von der Klägerin gewählten Durchschnittssätze noch unterschritt.“
Ist zwar schade und es gibt auch viele anderslautende Urteile anderer Gerichte.
Schaut man sich die „Porsche Entscheidung“ des BGH an, steht die Begründung des LG letztendlich damit im Einklang.
„. Auch bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten kann nicht ein abstrakter Mittelwert Grundlage für die Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten sein. “
Die Entscheidung mag auf der Grundlage des Prozessstoffs richtig sein. In der Praxis sieht es allerdings regelmäßig so aus, dass sich die von den sogenannten Referenzwerkstätten aufgerufenen Stundenverrechnungssätze im wirtschaftlich unvernünftigen Bereich bewegen und auf Sonderkonditionen zwischen den Versicherern und den jeweiligen Werkstätten beruhen. In diesen Fällen ist eine Verweisung laut BGH unzulässig. Hier vor Ort hat mir eine Referenzwerkstatt tatsächlich einmal etwas unbedacht schriftlich bestätigt, dass es entsprechende Sonderkonditionen gibt. Die Versicherer versuchen es zwar trotzdem weiter. Das Schreiben der Werkstatt in Verbindung mit der Androhung einer Strafanzeige führt dann aber regelmäßig auch ohne Gericht zum Erfolg. Leider haben aber längst nicht alle Geschädigten so viel Glück und die Versicherer kommen mit ihrem schmutzigen Verweisungstrick meistens durch. Es dürfte aber zumindest einen Versuch wert sein, die Mandanten als vermeintliche Selbstzahler von der Referenzwerkstatt einen Kostenvoranschlag einholen zu lassen…