Bei der zweiten AG-Entscheidung handelt es sich um den AG Mannheim, Beschl. v. 25.04.2018 – 1 Ls 805 Js 21014/15. Problematik: Mal wieder die Frage des hinreichenden Tatverdachts bei Bestellungen von Betäubungsmitteln im Darknet. Dazu gibt es ja bei mir inzwischen eine ganze Sammlung.
Auch das AG Mannheim hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung:
„Die Eröffnung war abzulehnen, da ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht.
Ein hinreichender Tatverdacht ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass es in einer Hauptverhandlung zu einer Verurteilung des Angeschuldigten kommen wird.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Täterschaft des Angeschuldigten wird nicht nachgewiesen werden können.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des ZFA Berlin-Brandenburg konnte der gesondert Verfolgte pp. als Inhaber des silk-road-Accounts pp. ermittelt werden, Er überließ den Ermittlern eine Aufstellung von angeblichen Betäubungsmittelerwerbern.
In dieser Aufstellung ist folgender Datensatz enthalten:
pp.
Straße
0,5 Gramm Koks
verschickt am 13.05.
per Standardbrief
Einen persönlichen Kontakt zwischen dem gesondert verfolgten pp. und dem Erwerber pp. gab es nicht. Damit kann nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem Besteller der 0,5 Gramm Kokain tatsächlich um den Angeschuldigten pp. handelte. Im Betäubungsmittelbereich ist es durchaus üblich Fremdpersonalien, mit oder ohne Wissen des Betroffenen, zu verwenden.
Die angebliche Lieferung von 0,5 Gramm Kokain wurde per Standardbrief verschickt. Damit ist nicht nachvollziehbar, wer die Sendung in Empfang genommen hat und ob diese überhaupt abgeschickt wurde.
Wie sich aus einem Lichtbild des Anwesens pp.Straße auf google-streetview ergibt, handelt es sich hierbei um einen Gebäudekomplex mit mehreren Wohneinheiten. Die Briefkastenanlage befindet sich im Eingangsbereich vor der Abschlusstür und ist insoweit frei zugänglich. Es handelt sich insgesamt um mindestens 30 Briefkästen.
Vor diesem Hintergrund wird nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können, dass der Angeschuldigte als Benutzer MP 0,5 Gramm Kokain von dem gesondert verfolgten pp. bezogen hat. Mithin fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der Tat Ziffer 8.
Aus dem Ausgeführten ergibt sich jedoch, dass auch hinsichtlich der Taten 1 bis 7 eine Verurteilung des Angeschuldigten nicht zu erwarten ist. Der Nachweis, dass er die Person war, die als Nutzer pp. die Betäubungsmittel erworben und erhalten hat, wird nicht geführt werden können.
Die elektronischen Endgeräte des Angeschuldigten wurden seitens der Polizei ausgewertet. Auf keinem der Geräte befanden sich relevante Dateien (Schuldnerlisten oder ähnliches). Soweit auf dem noch sichergestellten PC des Angeschuldigten ein TOR-Browser installiert ist, vermag dies ebenfalls einen Tatverdacht nicht zu begründen.
Zwar ist der TOR-Browser erforderlich, um sich in das sogenannte Darknet einzuwählen.
Allerdings ist es mittlerweile so, dass dieser Browser sogar über seriöse Webseiten (z.B. Chip.de) zum download angeboten wird, damit der interessierte Nutzer sich einen Einblick in das Darknet verschaffen kann. Hieraus den Schluss zu ziehen, dass beabsichtigt ist, rechtswidrige Taten zu begehen, ist nicht statthaft.
Mithin wird in einer Hauptverhandlung der Nachweis nicht geführt werden können, dass der Angeschuldigte als pp. bei den Verkäufern pp. und pp. Betäubungsmittel bestellt und erhalten hat.“
Dank an den Kollegen T.Abel aus Mannheim für die Übersendung der Entscheidung.
Eigentlich ja ein richtiger und logischer Beschluss des AG. Wären da nicht zwei Punkte, die ich für gefährlich halte bzw. die in einer anderen Situation gefährlich werden würden:
1.) [TOR-Browser] „[…] zum download angeboten wird, damit der interessierte Nutzer sich einen Einblick in das Darknet verschaffen kann.“
Das impliziert, dass der TOR-Browser nur zum Darknet zu gebrauchen ist. Das ist aber Unsinn – er ist nicht nur auch dafür da, ganz einfach anonym zu surfen (Datenschutz), dies ist sogar sein Hauptzweck.
2.) „[…] wurde per Standardbrief verschickt. Damit ist nicht nachvollziehbar, wer die Sendung in Empfang genommen hat […]“
Und wenn es per Einschreiben gewesen wäre, wäre die Sache klar gewesen? So liebst es sich jedenfalls. Nur ist es irgendwie normal, dass man ein Einschreiben annimmt – man weiss ja erst nachher, was es ist. Man muss es also garnht bestellt haben, und kann es nach Erhalt entsorgt haben.
Ein schlüssiger und vor allem richtiger Beschluss. Nur traurig, dass die StA trotz dieser Beweislage noch anklagt…
„sogar über seriöse Webseiten (z.B. Chip.de)“ – made my day!