Heute mache ich dann mal einen Vollmachtstag. Den eröffne ich mit dem KG, Beschl. v. 01.03.2018 – (5) 121 Ss 15/16 (11/18). BtW: ja, schon wieder KG. Wer sich fragt, warum im Moment so viel vom KG kommt: Mein dortiger Lieferant hat gerade „die Ecken sauber“ gemacht und nach läneger Zeit mal wieder Entscheidungen geschickt. Da fällt dann einiges an.
So diese Entscheidung, die zu den Anforderungen an eine schriftliche Vollmacht zur Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung Stellung nimmt. Das AG hatte den Angeklagten verurteilt. Der legt Berufung ein, erscheint im HV-termin am 06.10.2017 dann aber nicht. Das LG verwirft die Berufung nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO, weil der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ausgeblieben und nicht in zulässiger Weise vertreten worden sei. In der Berufungsverhandlung hatte der Wahlverteidiger eine von dem Angeklagten unterschriebene, auf den 02.03.2016 datierte Strafprozessvollmacht „vorgelegt, in der es heißt, dieser ermächtige ihn zu seiner Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen, „und zwar auch für den Fall meiner Abwesenheit zur Vertretung nach § 411 II StPO mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 I, 234 StPO (…)“.
Gegen das Verwerfungsurteil des LG richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt. Ohne Erfolg. Was das KG zur Vollmacht sagt und meint, ergibt sich aus den Leitsätzen der Entscheidung. Die lauten:
1. Eine wirksame Vollmacht zur Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nach § 329 Abs. 2 StPO muss sich ausdrücklich auf die Abwesenheitsverhandlung in der Berufungshauptverhandlung beziehen. (Anschluss OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2016 – 5 RVs 82/16).
2. Der Anwendungsbereich des § 234 StPO umfasst nicht die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung, so dass ein Verweis auf diese Vorschrift in einer Vertretungsvollmacht dieser nicht zur Erstreckung auf die Berufungshauptverhandlung verhilft.
Die Entscheidung des OLG hatte ich hier auch vorgestellt, und zwar hier: Vollmacht zur Vertretung in der Hauptverhandlung, oder: Was will das OLG?
So weit – so gut. Ein bisschen habe ich ein Problem mit: „Nach der für die Entscheidung maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO „…..
äh … https://blog.burhoff.de/2018/05/47996/ ???
Schwer vermittelbar. Wenn ich jemandem eine Vollmacht erteile erwarte ich nicht daß jemand anderes sagt ‚das gilt aber nicht‘. Da will man sich offensichtlich nicht mit der eigentlichen Sache befassen.
In einem Rechtsstaat ist so etwas unzumutbar.
In der Tat eine Formstrenge, die geradezu böswillig darauf abzielt, dem Angeklagten das Rechtsmittel in unfairer Weise abzuschneiden. Zumal der zitierte Text bis zur jüngsten Reform der StPO, in welcher die Abwesenheitsvertretung für die Berufung erstmals ausdrücklich geregelt wurde (früher wandte man §§ 233 I, 234 StPO in der Berufung analog an!) der vollkommen gängige Standardtext war, der nach dem Verständnis aller Beteiligten eine Abwesenheitsvertretung in der Berufungsverhandlung – soweit diese schon damals zulässig war – mit einschloss. Es erscheint auch einigermaßen schwachsinnig anzunehmen, dass ein Angeklagter, der den Verteidiger ausdrücklich zu einer Abwesenheitsvertretung nach den in erster Instanz geltenden Normen ermächtigt, dies für die Berufungsinstanz nicht wollen sollte, zumal in einer Situation, in der die Alternative der Verlust seines Rechtsmittels ohne Sachprüfung ist. Da wird der Angeklagte dafür bestraft, dass der Verteidiger die Paragrafenkette in seinem Vordruck nicht aktualisiert hat.