Pflichti II: Verständigungsprobleme? Dann gibt es auch in „kleinen Sachen“ einen Pflichtverteidiger

© Coloures-pic – Fotolia.com

Als zweite Entscheidung zu Pflichtverteidigungsfragen dann der LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.06.2018 – 5/17 Qs 26/17.  Nichts Außergewöhnliches, aber mal wieder ein Beschluss, der deutlich macht, dass auch in „kleinen Sachen“ ggf. ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn Verständisgungsproblem bestehen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger gemäß §§ 140 Abs. 2, 201 StPO i.V.m. Art. 6 Abs. 3 a MRK zu bestellen ist.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die behaupteten Verständnisprobleme des Angeklagten wegen der fehlerhaften Übersetzung des Strafbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21.02.2017 durchaus nicht unerheblichen Zweifeln unterliegen, weil sich die Sprachbilder der bulgarischen, mazedonischen und serbischen Sprache ähneln und sich Verständnisprobleme des Angeklagten jedenfalls insoweit nicht manifestiert haben, als dass er in der Lage war, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung des Einspruchs zu beauftragen.

Die Kammer kann anhand der vorliegenden Sachlage aber auch nicht valide ausschließen, dass der Angeklagte aufgrund sprachbedingter Verständigungsschwierigkeiten nicht in der Lage war, alle Möglichkeiten einer   angemessenen Verteidigung nach Erhalt des Strafbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21.02.2017 auszuschöpfen.

Auch in rechtlich und tatsächlich völlig einfach gelagerten Fällen – wie vorliegend — ist eine vollständige und möglichst frühzeitige Information über den Anklagevorwurf in einer dem Angeklagten verständlichen Sprache geboten (OLG Frankfurt, Beschl. v.10.01.2008 – 2 Ss 383/07 -, an. 8, juris, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.06.2005 – 1 Ss 184/04 Rn. 6, juris). Schließlich ist eine mündliche Übersetzung der Anklageschrift/des Strafbefehls in Hauptverhandlungstermin nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, an welche sich die Kammer gebunden sieht, nicht ausreichend (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.062005 – 1 Ss 184104 an. 6, Juris, OLG Stuttgart Beschl. v. 08.04.1994 – I Ws 59/94, an. 4 juris).

Da das Auswahlermessen angesichts des Wunsches des Angeklagten durch Herrn Rechtsanwalt Schatz vertreten zu werden, „auf Null“ reduziert ist, entscheidet die Kammer selbst und ordnet Rechtsanwalt Schatz als Pflichtverteidiger bei.“

Dem Kollegen Schatz besten Dank für die Übersendung der Entscheidung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert