Bei der zweiten Einziehungsentscheidung zum Vatertag handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 22.03.2018 – 3 StR 577/18.Es geht noch einmal um die Frage: Altes/neues Recht?, und zwar in einem Fall, in dem Taten aus dem Jahr 2008 abgeurteilt worden sind:
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der Taterträge von 48.000 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h EGStGB zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBI. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung des durch die Taten Erlangten befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war.
Der Senat vermag dem Beschwerdeführer nicht darin zu folgen, dass die Anwendung des neuen Rechts auf die im Jahr 2008 begangenen Taten Verfassungsrecht verletze, sei es das spezielle in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungsverbot für (Kriminal-)Strafen und strafähnliche Sanktionen, sei es – 3 – das allgemeine im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verankerte Rückwirkungsverbot für sonstige Maßnahmen (s. auch BT-Drucks. 18/11640, S. 84). Ungeachtet der Rechtsnatur der nach § 73 StGB nF angeordneten Einziehung von Taterträgen (zum alten Recht des Verfalls vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14 ff.; BGH, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369) wird der Angeklagte durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts schon nicht im Ergebnis schlechter gestellt.
Die von ihm vereinnahmten Kaufpreiszahlungen aus seinen Drogenverkäufen wären nach altem Recht ebenfalls abgeschöpft worden; gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF wäre der Wertersatzverfall nach dem Bruttoprinzip, wonach sich die vom Angeklagten für das Handeltreiben getätigten Aufwendungen nicht verfallsmindernd ausgewirkt hätten, grundsätzlich zwingend anzuordnen gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68).
Dadurch, dass im Erkenntnisverfahren nach neuem Recht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr entsprechend der Härtevorschrift des § 73c StGB aF vorgesehen ist, ist ebenso wenig eine derartige Schlechterstellung eingetreten. Denn eine solche Prüfung findet nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF im Vollstreckungsverfahren statt. Die Neuregelung ist für den Angeklagten insofern vorteilhaft, als nach § 459g Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 StPO nF die Vollstreckung obligatorisch zu unterbleiben hat, soweit der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, während § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF für diesen Fall lediglich ein fakultatives Absehen von der Verfallsanordnung nach tatrichterlichem Ermessen regelte. Daneben ist über den Einzelfall hinaus zu bedenken, dass nach früherem Recht ein Angeklagter, wenn er im Hinblick auf die Härtevorschrift Angaben zu seinem Vermögen machen wollte, gegebenenfalls auf seine Verteidigung gegen den Tatvorwurf Bedacht nehmen musste. So können Verfahrenskonstellationen bestehen, in denen die positive Darstellung der eigenen Vermögenslage einem Tatnachweis zuwiderläuft. Zu denken ist insbesondere an Wirtschaftsstraftaten, aber auch an Betäubungsmitteldelikte, falls etwa ein Angeklagter, der im Besitz einer erheblichen Menge Rauschgift angetroffen worden war, erklärt, er sei für die Finanzierung des Eigenkonsums nicht auf die gewinnbringende Veräußerung einer Teilmenge angewiesen. Derartige – ein rein interessengeleitetes Vorgehen erschwerende – faktische Einschränkungen für das Vorbringen zur Verhältnismäßigkeit bestehen für den rechtskräftig Verurteilten nicht.
Der durch § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF gewährte Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen stellt sich aus Sicht des Verurteilten als wirkungsvoll dar. Die Vorschrift bestimmt, dass die Prüfung der Härteklausel von einem Gericht (zur Zuständigkeit s. § 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 1 und § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO) vorzunehmen ist. Der rechtskräftig Verurteilte kann diese gerichtliche Prüfung selbst herbeiführen, ohne dass er eine vollstreckungsrechtliche Entscheidung der Vollstreckungsbehörde abzuwarten hätte. Zwar erweist sich das neue Vermögensabschöpfungsrecht insoweit als lückenhaft, als es im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen der jeweilige Vorgang von der Vollstreckungsbehörde zum Gericht gelangt. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF ist jedoch dahin auszulegen, dass nicht nur die Vollstreckungsbehörde die gerichtliche Entscheidung anregen kann, sondern auch der Einziehungsadressat antragsberechtigt ist, das Gericht aber auch amtswegig vorgehen darf (ebenso BeckOK StPO/Coen, § 459g Rn. 20). Dieses Verständnis entspricht der herrschenden Meinung zu der Vorschrift des § 459d StPO (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Dezember 1984 – 1 Ws 568/84, NStZ 1985, 575; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 459d Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 459d Rn. 2), die ein – 5 – gerichtliches Absehen von der Geldstrafenvollstreckung zum Zweck der Resozialisierung ermöglicht, ohne Fragen eines Antragsrechts oder einer Prüfung von Amts wegen zu normieren. Sollte die Vollstreckungsbehörde indes bereits eine anderweitige vollstreckungsrechtliche Entscheidung nach den §§ 459g bis 459n StPO nF getroffen haben, so hat der Betroffene außerdem die Möglichkeit, hiergegen Einwendungen gemäß § 459o StPO nF zu erheben, um so eine gerichtliche Entscheidung zu § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF herbeizuführen.
Nach alledem macht allein der Umstand, dass – anders als nach der alten Rechtslage – nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 2 StPO nF die Vollstreckung wieder aufgenommen werden kann, wenn sich die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Tatsachen oder Erkenntnisse nachträglich ändern, die neue Rechtslage nicht für den Angeklagten insgesamt ungünstiger.