Der „Rückstufungsschaden“ in der Kaskoversicherung, oder: Anteilige Haftung?

© vschlichting – Fotolia.com

Seit einiger Zeit ist es, was verkehrszivilrechtliche Entscheidungen des BGH angeht, recht ruhig/mau. Es scheint alles zig-mal durchgekaut zu sein. Angesichts dieses Notstandes 🙂 muss man schon etwas weiter zurückgehen, um etas zu finden, über das ich noch noch nicht berichtet habe. Und das ist dann heute das BGH, Urt. v. 19.12.2017 – VI ZR 577/16. Es geht um die Höherstufung/den Höherstufungsschaden in der Kaskoversicherung. Auch kein Knaller, aber immerhin.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch das Feststellungsbegehren bezüglich des Rückstufungsschadens in ihrer Vollkaskoversicherung ist. Die beklagte Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Pkw der Beklagten hat den von der Klägerin geltend gemachten Sachschaden von insgesamt 10.408,52 € außergerichtlich auf der Basis einer 75-prozentigen Haftung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt der Rückforderung reguliert. Nach der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung wegen des verbleibenden Schadens hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Schadensereignis und der damit verbundenen Prämienerhöhung im Versicherungsbeitrag entstanden ist oder noch entstehen wird. AG und LG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Begründung:

„Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin in Höhe der Haftungsquote der Beklagten anteiligen Ersatz des Rückstufungsschadens in ihrer Vollkaskoversicherung verlangen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 1966 – VI ZR 147/64, BGHZ 44, 382, 387; vom 25. April 2006 – VI ZR 36/05, VersR 2006, 1139 und vom 26. September 2006 – VI ZR 247/05, VersR 2007, 81 Rn. 8; ebenso BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 – III ZR 35/74, VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung Senatsurteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559). Dies zieht das Berufungsgericht im Grundsatz nicht in Zweifel.

2. Die Frage, ob der Schädiger auch bei nur anteiliger Schadensverursachung für den Rückstufungsschaden haftet, hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 25. April 2006 (VI ZR 36/05, aaO) und vom 26. September 2006 (VI ZR 247/05, aaO) bereits bejaht. Wie der erkennende Senat in diesen Urteilen näher ausgeführt hat, gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Rückstufungsschaden (auch) infolge der Regulierung des vom Geschädigten selbst zu tragenden Schadensanteils eintritt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. Senatsurteile vom 26. September 2006 – VI ZR 247/05, aaO; vom 25. April 2006 – VI ZR 36/05, aaO Rn. 10; vom 19. April 2005 – VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00, VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 – VI ZR 201/99, VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 – VI ZR 374/97, VersR 1999, 862).

3. Soweit das Berufungsgericht meint, der vorliegende Fall sei deshalb anders zu beurteilen, weil im Gegensatz zu den vom Senat bereits entschiedenen Fällen die Klägerin ihre Vollkaskoversicherung erst nach der Regulierung des Haftpflichtversicherers ihrer Unfallgegnerin „nur“ hinsichtlich des von ihr selbst zu tragenden Schadensteils und damit nicht „auch“ in Anspruch genommen habe, ist dem nicht zu folgen.

Für die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Regulierung des Haftpflichtversicherers seines Unfallgegners für dessen Haftungsanteil abwartet und sich erst dann an seinen Kaskoversicherer wendet oder ob er dies sogleich hinsichtlich des Gesamtschadens tut und danach der Schaden quotenmäßig ausgeglichen wird. In beiden Fällen tritt der Rückstufungsschaden ein mit der Folge, dass in derartigen Fällen der Rückstufungsschaden vom Schädiger unabhängig von dessen Regulierungsverhalten regelmäßig anteilig zu ersetzen ist (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2006 – VI ZR 247/05, aaO Rn. 10 mwN). Die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil der Klägerin eingetreten sei. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen (Senatsurteil vom 18. Januar 1966 – VI ZR 147/64, aaO, juris Rn. 16).

Im Gegensatz zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten des Geschädigten für die Inanspruchnahme seiner Kfz-Kaskoversicherung nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil (vgl. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17, NJW 2017, 3527) ist beim Kasko-Rückstufungsschaden keine Abgrenzung über die Zurechnung vorzunehmen. Denn der unfallbedingte Rückstufungsschaden tritt nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) insgesamt abhängig vom Schadensfall und unabhängig von der Regulierungshöhe ein.

4. Soweit das Berufungsgericht gegen das Ergebnis Bedenken äußert, weil der Unfallgegner per Saldo höhere Kosten zu tragen habe, wenn der Geschädigte über Vollkaskoschutz verfüge und diesen in Anspruch nehme, ist ein entsprechendes Ergebnis – anders als das Berufungsgericht meint – dem Schadensrecht nicht fremd. Es liegt vielmehr darin begründet, dass der Schädiger den Geschädigten schadensrechtlich so hinnehmen muss, wie er ihn trifft. Schließlich vermag auch der Umstand, dass dem Rückstufungsschaden als Vorteil Versicherungsleistungen gegenüberstehen, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, denn die entsprechenden Versicherungsleistungen sind durch Prämien erkauft und dienen nicht dazu, den Schädiger zu entlasten.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert