Pflichti III: Verteidigung mehrerer Mitbeschuldigter durch Rechtsanwälte derselben Sozietät, oder: Interessenkonflikt

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Und als dritte „Pflichtverteidigerentscheidung“ zum Tagesschluss dann der OLG Bremen, Beschl. v. 02.03.2018 – 1 Ws 12/18. Er behandelt die Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung bei der Verteidigung von mehreren Mitbeschuldigten durch Rechtsanwälte derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft.

Grundlage des Beschlusses ist folgender Sachverhalt:

Vor dem Landgericht Bremen wird gegen die beiden Angeklagten aufgrund der Anklage der Staatsanwaltschaft Bremen vom 24.01.2018 ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 169 (Angeklagter D.) bzw. in 132 (Angeklagter Y.) Fällen geführt. Insgesamt liegen der Anklage 179 Taten zugrunde, die von den Angeklagten in 122 Fällen gemeinschaftlich, im Übrigen jeweils einzeln handelnd begangen worden sein sollen und bei denen es sich in etwa der Hälfte der Fälle um eine nicht geringe Menge gehandelt haben soll.

Dem Angeklagten Y. wurde am 25.07.2017 im Rahmen der Haftbefehlsverkündung in dieser Sache durch das Amtsgericht Bremen Rechtsanwalt E. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Hauptverhandlung vor der Strafkammer 6 des Landgerichts begann am 22.01.2018 und dauert an.

Am 28.12.2017 zeigte Rechtsanwalt F. die Verteidigung des Angeklagten Y. an. Mit Schreiben vom 16.01.2018 beantragte der Angeklagte Y., ihm unter Entpflichtung von Rechtsanwalt E. seinen Wahlverteidiger Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Begründung führte der Angeklagte aus, dass Rechtsanwalt E. in derselben Kanzlei tätig sei wie Rechtsanwalt H. als Verteidiger des Mitangeklagten D. Er befürchte daher eine Interessenkollision und vertraue nicht mehr darauf, durch Rechtsanwalt E. angemessen vertreten zu werden. Mit Schriftsatz vom 20.01.2018 erklärte Rechtsanwalt F., dass der Angeklagte Y. ihm mitgeteilt habe, dass er sich in der Sache einlassen wolle und dass eine entsprechende Erklärung nur im Beisein von Rechtsanwalt F. und nach anwaltlicher Beratung durch diesen erfolgen solle.

Mit Beschluss der Vorsitzenden Richterin der Strafkammer 6 vom 22.01.2018 wurde der Antrag des Angeklagten Y. vom 16.01.2018 abgelehnt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte Y. mit seiner Beschwerde vom 29.01.2018, der die Vorsitzende am 06.02.2018 nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 08.02.2018 zu der Beschwerde des Angeklagten Y. Stellung genommen und beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.“

Das OLG hat aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Es stellt seiner Entscheidung folgende Leitsätze voran:

  1. Die Bestellung zum Verteidiger kann schon wegen der Absehbarkeit eines Interessenkonfliktes abgelehnt werden, ohne dass es konkreterer Hinweise auf das Bestehen dieses Konflikts bedarf.
  2. Ein solcher Interessenkonflikt ist bei der Verteidigung von mehreren Mitbeschuldigten durch Rechtsanwälte derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft nach allgemeinen Gesichtspunkten grundsätzlich schon immer dann absehbar, wenn eine Anklage wegen einer gemeinsam begangenen Tat vorliegt. Nach den Umständen des konkreten Einzelfalls kann diese Gefahr ausgeräumt sein, was insbesondere auf der Grundlage des Einlassungsverhaltens der Beschuldigten zu überprüfen ist.
  3. Die Abberufung eines Pflichtverteidigers im Hinblick auf das Vorliegen eines Interessenkonflikts wegen der Verteidigung von mehreren Mitbeschuldigten durch Rechtsanwälte derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft setzt dagegen grundsätzlich das Vorliegen konkreterer Hinweise auf das Bestehen dieses Konflikts voraus.
  4. Diese Hinweise müssen nicht die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Interessenkonflikts in Bezug auf den eigenen Verteidiger durch konkrete Umstände beinhalten, wie dies in sonstigen Fällen der Abberufung eines Verteidigers aus wichtigem Grund erforderlich ist. Diese Erstreckung des Interessenkonflikts ist nach § 3 Abs. 2 BORA bereits in der Verbindung der Rechtsanwälte zur gemeinsamen Berufsausübung normativ vorgegeben.

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