Schauen wir mal, was der „Kessel Buntes“ für den heutigen Samstag so hergibt 🙂 Bei der Nachschau finde ich als erstes das LG Köln, Urt. v. 05.10.2017 – 2 O 372/16. Es geht um Schadensersatz für einen bei einem Brand zerstörten Pkw, einen Maserati, den der Kläger für 25.500 € gekauft hatte. Den hat der Kläger in einem Parkhaus abgestellt – mit Überführungskennzeichen – und nur gelegentlich genutzt. Dann stellt der Schwiegersohn des Klägers am 24.12.2013 geinen VW Bus T 4, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war, in der Tiefgarage neben dem Maserati ab.. Die beiden Fahrzeuge befanden sich in einer Parkbox mit nur zwei Stellplätzen, die nach hinten sowie zu beiden Seiten von Betonwänden umgeben ist. Die Fahrzeugfronten wiesen Richtung Fahrweg. Eine Videoaufzeichnung aus der Tiefgarage zeigt am 24.12.2013 um 23:49 Uhr ein erstes leichtes Flackern im Bereich des VW Busses. Um 23:53 Uhr ist eine deutliche Rauchentwicklung aus der Motorhaube des Busses ersichtlich; kurz danach sind Flammen über dem rechten Scheinwerfer zu sehen. Ab 23:57 Uhr ist das Bild so verraucht, dass keine Flammen mehr erkennbar sind. Um 00:00:11 Uhr am 25.12.2013 endet die Aufnahme. Kurze Zeit später brannte der Maserati vollständig aus.
Im Schlussvermerk der Polizei in G vom 20. Februar 2014 (Bl. 42) heißt es:
„Es konnten keine Fremdeinwirkung oder vorsätzliches Verhalten, welches zum Brandausbruch geführt haben könnte, festgestellt werden.…
Durch explosionsartige Erscheinungen schaltet sich in der Tiefgarage während der Brandentwicklung das Licht ein. Dabei wird ersichtlich, dass der in der Parkbucht abgestellte VW-Bus massiv aus dem Motorbereich qualmt. Ein solches Phänomen war zu diesem Zeitpunkt an dem daneben stehenden Fahrzeug nicht ersichtlich.
Aufgrund der Auswertung der Aufzeichnungen dürfte als Brandursache ein technischer Defekt anzusehen sein. Welcher Art dieser gewesen ist, was ihn ausgelöst und wo er genau stattgefunden hat, kann jedoch von hiesiger Seite nicht gesagt werden.“
Das LG weist die Klage ab. Begründung: Nicht beim Betrieb i.S. des § 7 Abs. 1 StVG.
„Solche Ansprüche könnten sich allein aus § 7 Abs. 1 StVG ergeben. Sie setzen voraus, dass der Brand des Maserati „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden ist, hier also bei dem Betrieb des VW-Busses.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Merkmal „bei dem Betrieb“ weit auszulegen. Es ist nicht nötig, dass das Kraftfahrzeug im Moment der Schadensverursachung fährt, sondern es reicht ein naher örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs, zum Beispiel die Selbstentzündung infolge vorausgegangener Fahrt (BGH v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, Rn 12). Allein der Umstand, dass Kraftfahrzeuge wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, genügt hingegen nicht (BGH aaO).
Es kann dahinstehen, ob der VW-Bus ohne Verursachung durch Personen oder andere Geräte in Brand geriet, wie der Kläger behauptet. Wenn eine Selbstentzündung vorläge, dann hätte sie sich sieben oder acht Stunden nach dem Abstellen des Kraftfahrzeugs ereignet. Es fehlt am nahen zeitlichen Zusammenhang mit seinem Betrieb. Nach Ablauf dieser Zeit war keine Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs mehr tätig und der Motor nicht mehr warm. Nachwirkungen der letzten Fahrt gab es nicht mehr.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung in jüngerer Zeit geändert. Seinem Urteil vom 21.1.2014 (VI ZR 253/13) lag ein Fall zugrunde, in dem ein Kraftfahrzeug mehr als 24 Stunden nach dem Abstellen durch Selbstentzündung in Brand geraten war. Nach den Gründen der Entscheidung soll es rechtlich keinen Unterschied machen, ob ein Brand – unabhängig vom Fahrbetrieb selbst – vor, während oder nach einer Fahrt auftritt. Die Haftung des § 7 Abs. 1 StVG soll nicht auf Schadensfolgen begrenzt sein, die durch den Fahrbetrieb selbst und seine Nachwirkungen verursacht worden sind.
Diese Entscheidung, die sich als Abgrenzung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2007 versteht, setzt sich in Widerspruch zu diesem. Sie verzichtet auf das Merkmal „naher zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang“ und versteht den Begriff „bei dem Betrieb“ als „durch den Betrieb oder eine Betriebseinrichtung“. Damit sind die Grenzen der Auslegung überschritten. Das Wort „bei“ hat einen anderen Sinngehalt als das Wort „durch“. „Bei“ erfordert einen nahen zeitlichen – und örtlichen – Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang.
Soweit der Bundesgerichtshof sein Urteil vom 21.1.2014 damit begründet, andernfalls liefe die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG leer, wenn „unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung“ einen Schaden verursacht, vermag dies nicht zu überzeugen. Die Norm läuft bei bloßen technischen Defekten von Betriebseinrichtungen nicht leer, sondern sie erfasst sie nicht. Sofern man darin eine Haftungslücke sieht, kann diese nicht im Wege der Auslegung geschlossen werden, sondern nur durch Änderung des Gesetzes. Ein praktisches Bedürfnis hierfür kann das Gericht allerdings nicht erkennen. Spontane Selbstentzündungen von – seit längerem – abgestellten Kraftfahrzeugen sind sehr selten. Wenn ein abgestelltes Fahrzeug in Brand gerät, liegt in den meisten Fällen Brandstiftung vor.
Im Übrigen müsste eine solche Haftungserweiterung auf Betriebseinrichtungen als solche nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern auch Arbeitsmaschinen erfassen, für die bislang nur die Gefährdungshaftung des § 1 ProdHG gilt (BHHJJ/Burmann, 24. Aufl. 2016, StVG § 7, Rn 9). Ein Kraftfahrzeug als „abgeschaltete Maschine“ ist nicht ohne weiteres gefährlicher als Maschinen, die einer Betriebsgefahrhaftung nicht unterliegen (BHHJJ/Burmann, aaO).
Soweit ersichtlich wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.1.2014 in der Literatur nahezu einhellig abgelehnt. Zustimmung findet sie nur durch Laws/Lohmeyer/Vinke (in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 7 StVG, Rn 77 ff.), wo es heißt, das Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ sei „nicht unverrückbar festgeschrieben“ und müsse „im gesetzlich zulässigen Rahmen einem gewandelten Bedürfnis angepasst werden“. Tatbestandsmerkmale sind festgeschrieben, bis der Gesetzgeber sie ändert. Der Richter kann gewandelte tatsächliche Verhältnisse im Wege der Auslegung berücksichtigen. Den hierfür geltenden Rahmen bildet der Wortlaut der Vorschrift. Die Worte „bei dem Betrieb“ lassen eine Auslegung, bei der jegliche Fehlfunktion einer Betriebseinrichtung genügt, nicht zu. Wenn etwas unabhängig von einem Betriebsvorgang – also nicht einmal als dessen Nachwirkung – geschieht, dann ereignet es sich nicht „bei dem Betrieb“.
Zu Recht verweist die Beklagte zudem auf die Systematik der Halterhaftung. Die Haftungsfreistellung für Fahrzeuge, die auf ebener Strecke nicht mit höherer Geschwindigkeit als 20 km/h fahren können (§ 8 Nr. 1 StVG), ist nur verständlich, wenn die – verschuldensunabhängige – Halterhaftung gerade an die besonderen Gefahren des Betriebsvorgangs anknüpft, nicht an das bloße Vorhandensein von Betriebseinrichtungen. Denn auch Fahrzeuge, die in den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1 StVG fallen, haben elektrische Betriebseinrichtungen und können sich daher selbst entzünden.“