Archiv für den Monat: März 2018

Ablehnung der Entbindung, oder: Vielleicht kann sich der Polizeibeamte ja besser erinnern

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Starten wir in den Mittwoch mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.2.2018 – 2 RBs 16/18, der in meinen Augen falsch ist. Es geht um eine „Entbindungsproblemati – gepaart mit einem Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Der Verteidiger hatte in einem Bußgeldverfahren, in dem dem Betroffenen die verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons vorgeworfen wurde, also Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO, beantragt, den Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung gem. § 73 Abs. 2 OWiG zu entbinden. Begründung: Der Betroffene räume ein, dass er Fahrzeugführer gewesen sei, im Übrigen wolle er keine Angaben zur Sache machen. Das AG hat dann nicht entbunden, sondern hat die Anwesenheit des Betroffenen für notwendig erachtet. Der Betroffene habe am Tattag gegenüber dem als Zeugen zur Hauptverhandlung geladenen Polizeibeamten angegeben, dass sein Handy die ganze Zeit zwischen seinen Beinen gelegen habe. Daher erhoffe sich das AG, dass der Zeuge sich anhand des Erscheinungsbildes des Betroffenen genauer an den Vorfall erinnern könne.

Der Betroffene ist dann in der Hauptverhandlung nicht erschienen. Das AG hat seinen Einspruch gem. § 74 OWiG verworfen. Die gegen das Verwerfungsurteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte keinen Erfolg:

„1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht bereits zur Ermöglichung der Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf das Vorliegen einer Gehörsverletzung zuzulassen, sondern erst dann, wenn die Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts auf Grund der Antragsbegründung eine solche ergeben hat (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812). Eine Gehörsverletzung deckt die Antragsbegründung indes nicht auf.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen. Insbesondere hat es sich bei dieser Entscheidung auch nicht um eine Entscheidung auf Grundlage vermeintlich bestehenden Ermessens gehandelt, das dem Amtsgericht, wie der Betroffene unter Hinweis auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt (NZV 2011, 561) und Hamm (DAR 2016, 595) zutreffend ausführt, nicht zugestanden hätte. Vielmehr hat das Amtsgericht aufgrund einer Prognose zur Dienlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen für die durchzuführende Beweisaufnahme entschieden, die ihm auch zustand.

a) Soweit die Entscheidung über einen Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung wie hier von der Frage abhängt, ob dessen Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich ist (§ 73 Abs. 2 OWiG), muss der Tatrichter notwendigerweise eine Prognose über den zu erwartenden Verlauf der Beweisaufnahme mit und ohne Anwesenheit des Betroffenen anstellen. Nur auf Grundlage dieser Gegenüberstellung, deren schriftliche Niederlegung regelmäßig entbehrlich sein dürfte, weil eine hinreichend klare Begründung – teils schon wegen des auf der Hand liegenden Ergebnisses – auch ohne eine solche explizite Gegenüberstellung möglich sein wird, kann der Tatrichter seine Entscheidung treffen, ob er auf der Anwesenheit des Betroffenen bestehen muss.

Die Nachprüfung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen durch den Senat findet ihre Grenze in dem auch im Bußgeldverfahren Geltung beanspruchenden strafprozessualen Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§§ 261 StPO, 71 Abs. 1 OWiG). Danach entscheidet der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. An gesetzliche Beweisregeln ist er nicht gebunden, wohl aber an wissenschaftliche Erkenntnisse, Gesetze der Logik und Erfahrungssätze. Die tatrichterliche Überzeugung darf das Rechtsmittelgericht nur dahingehend überprüfen, ob die Erwägungen des Tatrichters ausgehend davon nachvollziehbar sind und insbesondere keine Widersprüchen, Unklarheiten, Lücken und Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Lebenserfahrungen aufweisen (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147).

Diese Grenzen hat das Rechtsbeschwerdegericht auch bei der Nachprüfung der Anwendung des § 73 Abs. 2 OWiG zu beachten. Nur wenn auf Grundlage der dem Amtsgericht im Rahmen freier Beweiswürdigung zustehenden Erwägungen die Anwesenheit des Betroffenen nicht geeignet ist, dem weiteren Erkenntnisgewinn in der Hauptverhandlung zu wesentlichen Gesichtspunkten förderlich zu sein, ist die Ablehnung der Entbindung des Betroffenen rechtsfehlerhaft. So lag es etwa in dem vom Oberlandesgericht Frankfurt (a. a. O.) entschiedenen Fall, in dem es dem Amtsgericht – so das Oberlandesgericht – gar nicht um eine bessere Sachaufklärung, sondern um die „schulmeisterliche Belehrung“ des Betroffenen gegangen ist.

b) Die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen erweisen sich ausgehend davon als rechtsfehlerfrei.

Das Amtsgericht hat hier zur Begründung der Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen auf besondere und bemerkenswerte Umstände des Einzelfalls abgestellt.

Auch die Erwägungen des Oberlandesgerichts Hamm (a. a. O.) aus der in der Antragbegründung angeführten Entscheidung würden für den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages führen, auch wenn dort im Ergebnis das Erfordernis der Anwesenheit des Betroffenen, dem gleichfalls der Vorwurf der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons gemacht worden war, verneint worden ist. Das Oberlandesgericht Hamm hat ausgeführt, dass es tatsächlicher Anhaltspunkte dafür bedürfe, dass durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten sein müsse. Deshalb reiche die rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, nicht zur Ablehnung eines Entbindungsantrages aus.

Hier hat das Amtsgericht seine diesbezügliche Erwartung aber gerade auf einzelfallbezogene – und in besonderem Maße prägnante – Tatsachen gestützt.“

Ja: „ gerade auf einzelfallbezogene – und in besonderem Maße prägnante – Tatsachen gestützt.“ Man muss im Volltext nicht weiterlesen, es fehlt hier nichts. Welche „einzelfallbezogenen – und in besonderem Maße prägnanten – Tatsachen“ denn nun den Beschluss des AG stützen (sollen/können), erfahren wir nicht. Es sein denn das OLG  will sich ernsthaft ernsthaft auf: “ Der Betroffene habe am Tattag gegenüber dem als Zeugen zur Hauptverhandlung geladenen Polizeibeamten angegeben, dass sein Handy die ganze Zeit zwischen seinen Beinen gelegen habe„.stützen. Das ist aber doch gerade nicht mehr als die vom OLG abgelehnte Begründung „rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern“. Das Ganze ist in meine Augen nichts anderes als Vorbereitung und dann Absegnung der Verwerfungsentscheidung. Aber damit ist das OLG Düsseldorf eh „großzügig“ (vgl. Beim Autofahren telefoniert – ich will dich auf jeden Fall in der Hauptverhandlung sehen…).

Unterhaltung in der Haft, oder: Wenn der Gefangene nur ein kleines Taschengeld bekommt

entnommen wikimedia.org
Author Denis Barthel

Und auch die letzte Entscheidung ist nicht „Feld, Wald und Wiese“. Sie kommt aus dem Vollzugsrecht. Es geht um die Frage der Kostenbeteiligung eines Strafgefangenen für die Zurverfügungstellung von Unterhaltungselektronik in seinem Haftraum, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Der Antragsteller ist sehbehindert und Taschengeldempfänger nach § 43 Satz 1 NJVollzG. Er hat bei der JVA die Annahme und Aushändigung eines DVB-T2-Receivers beantragt und in seinem Antragsschreiben erklärt: „Die Überprüfungskosten betragen für das Gerät insgesamt 19,50 €. Dieser Betrag setzt sich zusammen durch Überprüfung Gerät 7,50 €, Deaktivierung USB Anschluss 12,00 €.“ Die  JVA genehmigte dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät.

In dem Zusammenhang hatte der Antragsteller ein Formular unterschrieben, in dem es u.a. wie folgt lautet: „Hiermit beantrage ich durch den von der Anstalt beauftragten Fachhändler auf meine Kosten das Ausgießen der USB-, SD- u./o. MD-Schnittstelle des o.g. Gerätes.“ Der Gesamtkostenbeitrag ist in dem Formular mit 12 € angegeben. Zudem unterschrieb er Antragsteller einen Antrag auf Aushändigung eines Fernseh/- Elektrogerätes. In diesem Formular heißt es u.a.: „Ich bin darüber belehrt worden, dass ich das Gerät durch den Fachhandel auf eigene Kosten überprüfen lassen muss. Die Kosten hierfür belaufen sich auf insgesamt 7,50 € je Gerät. Darin enthalten ist ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 €.“

Am 22. März 2017 wurde dem Antragsteller das von ihm beantragte Gerät ausgehändigt. Ferner wurden ihm 19,50 € in Rechnung gestellt, die sich wie folgt zusammensetzen: 12 € für das Ausgießen der USB-Schnittstelle, 7,50 € für die Überprüfung des Gerätes durch den Fachhandel, wobei in diesem Betrag ein Verwaltungskostenaufschlag in Höhe von 2,50 € enthalten ist. Am 24. März 2017 wurde der Betrag von 19,50 € vom Hausgeldkonto des Antragstellers in Abzug gebracht.

Am 27. März 2017 beantragte der Antragsteller gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG und erklärte, er wende sich gegen die Gebühr in Höhe von 12 € für das Ausgießen des USB-Anschlusses, da diese Kosten vermeidbar gewesen wären, da das Ausgießen mit Klebstoff auch durch Bedienstete vorgenommen werden könne und es hierfür keines Fachhändlers bedürfe. Zudem wandet er sich gegen die Erhebung der Verwaltungsgebühr in Höhe von 2,50 €, da deren Berechtigung nicht nachvollziehbar sei. Ferner führt der Antragsteller an, er sei unverschuldet bedürftig, weshalb nach § 52 Abs. 5 NJVollzG von einer Kostenbeteiligung abzusehen sei. Er beantragt festzustellen, dass die Erhebung der Verwaltungsgebühr rechtswidrig sei, hilfsweise, die Vollzugsbehörde zu verpflichten, neu über die Erhebung zu entscheiden und den Beitrag zu erstatten.

Der Antragsteller hat mit seinem Rechtsmittel bei der JVA und auch bei der StVK kein Glück. Das OLG Celle verweist dann im OLG Celle, Beschl. v. 07.12.2017 – 3 Ws 559/17 (StrVollz) – zurück:

b) Die Rechtsgrundlage für die Beteiligung des Antragstellers an den Kosten für die Zurverfügungstellung von Informationselektronik in Haft findet sich in § 52 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 6 NJVollzG. Danach kann die Vollzugsbehörde Gefangene an den Kosten des Landes für sonstige Leistungen durch Erhebung von Kostenbeiträgen in angemessener Höhe beteiligen, insbesondere für die Überlassung von Geräten der Unterhaltung- und Informationselektronik. Nach § 52 Abs. 3 Satz 3 ist die Erhebung von Kostenbeiträgen allerdings ausgeschlossen für die Überlassung von Hörfunk-und Fernsehgeräten, wenn die oder der Gefangene auf diese Geräte verwiesen wurde und soweit hierdurch eine angemessene Grundversorgung mit Hörfunk-und Fernsehempfang sichergestellt wird. Darüber hinaus sieht § 52 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG vor, dass für Zeiten, in denen die oder der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden soll. …..

bb) Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin den Antrag auf Nutzung eines DVB-T2-Receivers durch den Antragsteller bewilligt hat. Die Sachverhaltsermittlung ist insoweit lückenhaft. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller sehbehindert ist und angibt, deshalb auf einen digitalen Empfang, den das Gerät ermöglicht, angewiesen zu sein, könnte der DVB-T2-Receiver seiner Grundversorgung mit Informationen dienen. Wenn aber die Bewilligung des DVB-T2 Receivers für den Antragsteller eine angemessene Grundversorgung mit einem Hörfunk- und Fernsehempfang sicherstellen würde, würde dies nach § 52 Abs. 3 Satz 3 NJVollzG die Erhebung von Kostenbeiträgen ausschließen.

cc) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die angefochtene Entscheidung § 52 Abs. 5 Satz 2 NJVollzG außer Acht lässt. Danach soll für Zeiten, in denen die oder der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden.

Der Antragsteller ist unverschuldet bedürftig. Der Antragsteller ist Taschengeldempfänger. Voraussetzung für die Gewährung eines angemessenen Taschengeldes ist nach § 43 NJVollzG, dass ein Gefangener unverschuldet bedürftig ist. Mit der Feststellung des angefochtenen Beschlusses, dass der Antragsteller Taschengeldempfänger ist, steht gleichzeitig damit fest, dass er unverschuldet bedürftig ist.

Die Gewährung von Taschengeld lässt die Bedürftigkeit nicht entfallen. Die Gewährung von Taschengeld ist Rechtsfolge der Feststellung der unverschuldeten Bedürftigkeit. Tritt diese Rechtsfolge ein, entfällt damit nicht das tatbestandliche Vorliegen der Bedürftigkeit. Vielmehr setzt die fortlaufende Gewährung von Taschengeld weiterhin die unverschuldete Bedürftigkeit tatbestandlich voraus.

Zwar ist in Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (VV StVollzG) zu § 69 StVollzG ausdrücklich vorgesehen, dass die Kosten für die Überprüfung eines Geräts durch die Gefangenen aus ihrem Taschengeld bestritten werden können. § 69 StVollzG kennt einen Ausnahmetatbestand für unverschuldet bedürftige Gefangene nicht und lässt somit Raum dafür, dass Kostenbeiträge auch aus dem Taschengeld finanziert werden können. Die Regelung in § 52 Abs. 5 S. 2 NJVollzG geht dem jedoch vor, da insoweit wie ausgeführt Landesrecht und nicht Bundesrecht gilt und eine vom Gesetz abweichende Rechtsfolge durch Verwaltungsvorschriften nicht angeordnet werden kann.“

Obdachlos und drogenabhängig, oder: Keine Erzwingungshaft

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Auch die zweite Entscheidung hat einen – zumindest für mich – nicht alltäglichen Sachverhalt. Es geht im AG Dortmund, Beschl. v. 01.03.2018 –  729 OWi 15/18 [b] – um die Anordnung von Erzwingungshaft (§ 96 OWiG). Das hat das AG in sechs Verfahren abgelehnt:

„Der Antrag auf Anordnung der Erzwingungshaft wird zurückgewiesen, weil die Betroffene feststellbar zahlungsunfähig ist. Hier sind die Verfahren 729 OWi 15-20/18 [b] anhängig, in denen es stets um die Vollstreckung von Bußgeldern wegen Konsums harten Drogen Kokain/Heroin in der Öffentlichkeit geht. Aus den Vorwürfen ergibt sich, dass die Betroffene drogenabhängig ist. Zudem ist sie obdachlos. Schließlich hat – erwartungsgemäß unter diesen Umständen – zuletzt eine durch die Stadt in Auftrag gegebene Taschenpfändung zu dem Ergebnis geführt, dass keine pfändbaren Sachen vorhanden waren. Vor diesem bedauernswerten Hintergrund darf das Gericht davon ausgehen, dass die Betroffene zahlungsunfähig ist. Sämtliche Anträge auf Anordnung von Erzwingungshaft waren damit zurückzuweisen.“

Gerichtssprache ist deutsch, oder: Der BGH und „Blow-Job“ oder „Doggy-Style“

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Heute dann mal Entscheidungen, die ein wenig aus dem Rahmen fallen. Da ist zunächst der BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – 1 StR 625/17, eine sog. Leitsatzentscheidung des BGH. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. Es geht – der BGH teilt den Sachverhalt nicht näher mit – um sexuelle Übergriffe des Angeklagten auf die zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alte Nebenklägerin, bei er es sich um die Tochter der Frau gehandelt hat, mit der der Angeklagte in einer „lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft“ gelebt hat. Allerdings hatte der Angeklagte im Tatzeitraum lediglich noch an den Wochenenden regelmäßig in der im Übrigen von der geschädigten Nebenklägerin und ihrer Mutter bewohnten Wohnung gewohnt. Der BGH sagt: Das reicht für die Annahme des § 174 Abs. 1 Nr. StGB. Er kommt zu folgenden Leitsätzen:

  1. Eine lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft i.S.v. § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist eine Lebensgemeinschaft von zwei Personen, die auf Dauer angelegt ist, keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und damit über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.
  2. Eine solche kann im Einzelfall auch dann vorliegen, wenn die Partner lediglich an Wochenenden gemeinsam wohnen.

In dem Beschluss über die Ausführungen des BGH zu dieser Problematik eine weitere Passage, die einen Hinweis wert ist. Es war in der Revision offenabr ein Verstoß gegen § 184 GVG – Gerichtssprache ist deutsch – gerügt worden. Dazu der BGH:

„Das Landgericht hat durch die Verwendung weniger einzelner, ursprünglich aus der englischen Sprache stammender Begriffe (wie „Blow-Job“ oder „Doggy-Style“) bei der Wiedergabe der Aussagen der Nebenklägerin im Urteil nicht gegen § 184 GVG (i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO) verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob die genannten Begriffe nicht ohnehin bereits in die deutsche Sprache übernommen worden sind, worauf der Generalbundesanwalt hinweist. Das aus § 184 GVG folgende Gebot, Urteile in deutscher Sprache sowie in verständlicher Form (dazu OLG Hamm, Beschluss vom 22. April 2010 – 2 RVs 13/10, NStZ-RR 2010, 348 mwN) abzufassen, wäre allenfalls dann verletzt, wenn das Urteil wegen der Verwendung fremdsprachlicher Begriffe nicht mehr die durch § 267 StPO vorgegebenen Inhalte in einer nachvollziehbaren Weise darstellt (vgl. zu dem entsprechenden Maßstab bei der Wirksamkeit einer englischsprachige Begriffe beinhaltenden Anklageschrift BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11, NStZ 2012, 523, 525 Rn. 32 ff.). Das ist angesichts der umfassenden Beschreibung der den Schuldsprüchen zugrunde liegenden sexuellen Handlungen des Angeklagten in deutscher Sprache offensichtlich nicht der Fall.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich die ersparten Fahrtkosten gegen Grund-/Verfahrensgebühr gegenrechnen?

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Am vergangenen Freitag hatte ich gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Kann ich die ersparten Fahrtkosten gegen Grund-/Verfahrensgebühr gegenrechnen?. Und die Antwort, die ich dem Kollegen gegeben habe, habe ich gesucht, aber nicht mehr gefunden.

Zu der Frage anzumerken ist aber folgendes: Es handelt sich nicht um den typischen Mehrkosten-Fall, bei dem Fahrtkosten eine Rolle spielen. Da geht es nämlich immer um den neuen Rechtsanwalt, der nicht ortsansässig ist und für dessen Anreise Mehrkosten/Fahrtkosten anfallen. Frage ist dann, ob die geltend gemacht werden können. Dazu verhält sich z.B. der den LG Osnabrück, Beschl. v. 20.01.2017 – 6 Ks – 720 Js 38063/16 – 10/16, über den ich ja auch schon berichtet habe.

Hier haben wir es aber mit einer „Aufrechnungsproblematik“ zu tun. Nämlich: „Ersparte Fahrtkosten für den früheren Pflichtverteidiger“ gegen „Grund- und Verfahrensgebühr“. Also die Frage: Gesamtsaldierung von Gebühren und Auslagen? Was der Umbeiordnungsbeschluss mit „keine Mehrkosten entstehen“ meint, liegt m.E. auf der Hand: Keine zusätzlichen Gebühren, also nicht noch einmal die Grund- und Verfahrensgebühr. Die Gesamtsaldierung ist damit m.E. nicht gemeint, obwohl – das räume ich ein – die Formulierung nicht ganz eindeutig ist. Ich meine, dass ich dem Kollegen das in dem Sinne geschrieben habe und – getreu dem Satz: Nur ein Versuch macht klug, geraten haben,  es im Vergütungsfestsetzungsverfahren „zu versuchen“.

Und: Ein weiterer Ansatz wäre, die Zulässigkeit der „Mehrkostenklausel“ anzugreifen. Denn die ist ja nach der Rechtsprechung nicht in jedem Fall erlaubt. Ob das allerdings Erfolge haben könnte, lässt sich nach dem Sachverhalt nicht beurteilen.