Urteil falsch? Die Aufhebung macht das AG selbst, oder: Soll man lachen oder weinen?

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Soll man lachen, soll mann weinen? Das ist die Frage, wenn man den LG Essen, Beschl. v. 07.1.2017 – 26 Qs 62/17 – liest. Da hat das Ag mal kurz eben sein eigenes Urteil aufgehoben. Nicht überraschend, dass das LG sagt: Geht nicht. Sachverhalt und „Gründe“ dann hier:

I.

Am 05.04.2015 erließ die Stadt Essen gegen den Beschuldigten einen Bußgeldbescheid aufgrund eines Rotlichtverstoßes und setzte eine Geldbuße von 360 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest. Auf die Hauptverhandlung vom 03.09.2015 erging ein den Bußgeld bestätigendes Urteil durch das Amtsgericht Essen. Hiergegen legte der Beschuldigte Rechtsbeschwerde ein. Gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamm hob das Oberlandesgericht Hamm das Urteil mit Beschluss vom 21.01.2016 mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verwies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen zurück. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, im Zuge dessen die Sachverständige die Zeugen „vernahm“, erging am 25.08.2017 schließlich erneut ein Urteil durch das Amtsgericht Essen, mit welchem der Beschuldigte zur Zahlung einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt wurde. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein und begründete diese mit der mittlerweile eingetretenen Verfolgungsverjährung. Daraufhin hob das Amtsgericht Essen sein Urteil mit Beschluss vom 03.11.2017 auf. Gegen den am 08.11.2017 (Staatsanwaltschaft) bzw. 09.11.2017 (Verteidiger) zugestellten Beschluss legten sowohl die Staatsanwaltschaft am 29.11.2017 als auch der Beschuldigte am 13.11.2017 sofortige Beschwerde ein.

II.
Die gem. § 206a Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht Essen war für die Aufhebung seines eigenen Urteils auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin nicht zuständig. Wie bereits bei der ersten Rechtsbeschwerde war auch bei dieser das Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde berufen, § 79 Abs. 5 OWiG berufen. Der Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts war daher aufzuheben und ist zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde dem Oberlandesgericht vorzulegen.“

Die vielfach propagierte Verfahrensbeschleunigung ist ja ganz schön, aber so? Und man fragt sich dann doch, was sich der Amtsrichter bei seiner Entscheidung gedacht hat. Hoffentlich hat er überhaupt gedacht. Sieht allerdings m.E. nicht danach aus.

Ach so: Ich habe mich für Weinen entschieden.

7 Gedanken zu „Urteil falsch? Die Aufhebung macht das AG selbst, oder: Soll man lachen oder weinen?

  1. WPR_bei_WBS

    Dreimal weinen:

    1.: Die Eigenaufhebung
    2.: Der Richter merkt nicht, dass schon Verjährung eingetreten ist
    3.: Die anderen scheinen das mit der Verjährung auch erst später gecheckt zu haben

  2. Ein Leser

    „… mit der mittlerweile eingetretenen Verfolgungsverjährung“ – ne, da hilft dann auch keine „kreative“ Verfahrensbeschleunigung mehr.
    Traurig, dass das immer so lange dauert…

  3. RA Ullrich

    Der Richter dachte scheinbar, eine Rechtsbeschwerde ist doch irgendwie sowas ähnliches wie eine Beschwerde, und bei der Beschwerde darf ich doch selbst abhelfen, kann ja nicht so wichtig sein, dass da noch „Rechts-“ davorsteht. 😉

  4. John Doe

    Man zitiert ja gerne Richard Wagner mit dem (leicht verfälschten) Diktum „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.“

    Hier kann man sehen wie das geht: Eine im Ergebnis unzweifelhaft richtige Entscheidung wird von beiden (!) Seiten mit dem Ziel angefochten, eine inhaltsgleiche (!!) Entscheidung durch das Obergericht zu erwirken. Und das Publikum weint nicht über den Irrsinn dieser Rechtsmittel, sondern über den – vielleicht hemdsärmeligen, vielleicht ahnungslosen – Amtsrichter.

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