Und als „Mittagsentscheidung“ weise ich dann hin auf den älteren BGH, Beschl. v. 21.12.2016 – 1 StR 594/16; warum der so lange bei mir herumgehangen hat, weiß ich auch nicht. Ergangen ist er einem Sicherungsverfahren. Das LG hat den Angeklagten nach § 63 StGb untergebracht. Der BGH hat aufgehoben. Begründung:
„Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlich-keitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infol-ge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden ange-richtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 f. mwN; siehe Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 16).“
Der BGH beanstandet dann, dass schon die Voraussetzungen einer aufgrund aufgehobener Einsichtsfähigkeit ausgeschlossenen Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) des Beschuldigten bei Begehung der Anlasstaten nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt und beweiswürdigend belegt werden. Und: Auch die Gefährlichkeitsprognose ist nach Auffassung des BGH nicht tragfähig begründet:
„aa) Die für die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fort-dauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2015 – 2 StR 239/15; vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f. und vom 13. Oktober 2016 – 1 StR 445/16 Rn. 15 mwN); die Prognose muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2016 – 4 StR 79/16, NStZ-RR 2016, 306 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27 sowie BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Einzustellen in die Gefährlichkeitsprognose ist die konkrete Krankheits-und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der An-lasstaten belegen können (BGH aaO mwN).
bb) Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, obwohl das Landgericht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt einer auf einer umfassenden Gesamtwürdigung aufbauenden Prognose erkannt hat. Es beschränkt sich jedoch darauf, dem Sachverständigen in dessen Einschätzung zu folgen, dass im Fall einer erneuten Zuspitzung des psychotischen Geschehens die „Wahninhalte des Beschuldigten impulshaft und handlungsleitend umgesetzt werden“. In solchen Situationen sei die Begehung von Aggressions- und Gewaltdelikten bis hin zu Tötungsdelikten sehr wahrscheinlich (UA S. 20). Anknüpfungstatsachen, die die Prognose derartiger zukünftiger Straftaten stützen, führt das angefoch-tene Urteil nicht auf. Die benannten Umstände der Wiederaufnahme von Alkohol- und Betäubungsmittelkonsum durch den Beschuldigten sowie das Fehlen von Krankheitseinsicht und eines sozialen Empfangsraums stellen zwar allge-mein prognostisch ungünstige Umstände dar. Angesichts seit 2008 bestehen-der – wenn auch bei sich im Verlaufe der Zeit veränderndem Krankheitsbild – psychischer Auffälligkeit, bislang weitgehend ausgebliebener Delinquenz sowie des bisherigen Fehlens von Gewaltdelikten können die genannten Aspekte al-lein aber nicht tragfähig begründen, warum nunmehr Gewaltdelikte bis hin zu Tötungsdelikten von dem Beschuldigten zu erwarten sein sollen. Konkrete Um-stände, die ein Umschlagen von Drohungen hin zu deren Realisierung prognostizieren lassen, benennt das Landgericht nicht. Aus der Art der psychischen Erkrankung als psychische Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenie folgt nichts anderes. Zwar kann bei einer derartigen Störung der Tatrichter auch in Bezug auf einen Täter, der zuvor noch nicht oder kaum mit „gewalttätigen Aggressionsdelikten“ aufgefallen ist, die Überzeugung gewinnen, dieser werde mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zukünftig erhebliche Straftaten, wie etwa Körperverletzungsdelikte, begehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240 f.; vgl. BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Dazu bedarf es aber gerade der sorgfältigen Darlegung derjenigen Umstände, die die entsprechende tatrichterliche Überzeugung tragen (BGH aaO; siehe auch BT-Drucks. 18/7244 S. 23). Gerade diese Darlegung enthält das angefochtene Urteil aber aus den genannten Gründen nicht.“