Und bei der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung handelt es sich auch um einen Dauerbrenner, nämlich um die Problematik der Erstattung der Reisekosten für den auswärtigen Wahlverteidiger. In dem vom OLG Stuttgart im OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.10.2017 – 1 Ws 140/17 – entschiedenen Fall waren das immerhin rund 20.000 €. Der Angeklagte war vom Vorwurf der Marktmanipulation feri gesprochen worden. Kosten und Auslagen also bei der Staatskasse. Er verlangt dann auch die Erstattung von Mehrkosten (Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld und sonstige Auslagen), die durch die Beauftragung seiner nicht am Gerichtsort ansässigen Verteidigerin entstanden sind. Das LG lehnt ab. Das OLG setzt fest:
„Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der – wie vorliegend – nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, sind nur insoweit von der Staatskasse zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 464a Rn. 12).
Grundsätzlich macht allein weder das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu einem auswärtigen Rechtsanwalt noch die ständige Zusammenarbeit mit diesem dessen Hinzuziehung notwendig (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007, VII ZB 93/06, juris Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Allerdings sind in einem Strafverfahren die Mehrkosten eines auswärtigen Wahlverteidigers jedenfalls dann zu erstatten, wenn sich der frühere Angeklagte einem schwerwiegenden Tatvorwurf gegenüber sah, der auch massiv beruflich und wirtschaftlich in seine Existenz eingreifen konnte (OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Oktober 2008, 1 Ws 307/08, juris Rn. 4). Dies ist vorliegend der Fall. Dem früheren Angeklagten war in seiner Funktion als Vorstand Finanzen und Betriebswirtschaft der … ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation vorgeworfen worden. Ungeachtet der Aufmerksamkeit, die diesem Verfahren und dem früheren Angeklagten durch die Medien entgegengebracht wurde, hätte eine Verurteilung auch erhebliche Folgen für den Beschwerdeführer mit sich gebracht. Darüber hinaus war seine Verteidigerin, Frau pp., bereits im Jahr 2009 während des Ermittlungsverfahrens für ihn tätig und daher bei Eröffnung des Hauptverfahrens im August 2014 bereits lange mit dem Fall vertraut.
Für die Erstattung der Kosten des auswärtigen Verteidigers spricht im Übrigen auch § 142 StPO, der die Auswahl des zu bestellenden Pflichtverteidigers regelt. Wäre die Wahlverteidigerin gemäß § 142 StPO als Pflichtverteidigerin bestellt worden, hätte sie ihre notwendigen Auslagen – einschließlich der Mehrkosten, die dadurch entstanden, dass sie weder Wohnsitz noch Kanzlei am Gerichtsort hatte – ersetzt bekommen (BVerfG, Beschluss vom 24.1.2000, 2 BvR 813/99, juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 9. Januar 2014, 1 Ws 770/13, juris Rn. 10). Das Gleiche muss aber dann gelten, wenn eine Bestellung als Pflichtverteidiger zwar nicht erfolgt ist, die Voraussetzungen hierfür aber vorgelegen hätten, denn der Beschuldigte soll mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. Dezember 2010, 2 Ws 567/10, juris Rn. 13; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. Oktober 2014, 1 Ws 162/14, juris Rn. 13).
Hiervon ist vorliegend auszugehen: Während die alte Fassung des § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO vorsah, dass das Gericht als Pflichtverteidiger möglichst einen Rechtsanwalt auswählt, der im Bezirk des ihn bestellenden Gerichts niedergelassen ist, hat man diese Beschränkung auf im Gerichtsbezirk ansässige Rechtsanwälte mit der Neufassung von § 142 Abs. 1 StPO aufgegeben, da sie „aus verschiedenen Gründen [für] nicht mehr sachgerecht“ erachtet wurde (so BT-Drucks. 16/12098, S. 20). Dies heißt zwar nicht, dass jeder vom Beschuldigten benannte, auswärtige Rechtsanwalt vom Gericht als Pflichtverteidiger zu bestellen ist. Vielmehr sind neben der Entfernung weitere Faktoren zu berücksichtigen, „die dem Kriterium der Gerichtsnähe mindestens gleichwertig erscheinen“ (BT-Drucks. a.a.O). In diesem Zusammenhang ist – neben der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts Mehrkosten entstehen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 8. Juli 2013, 2 Ws 349/13, juris Rn. 7; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Oktober 2014, 1 Ws 453/14, juris Rn. 13), beispielsweise auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Rechtsanwalt zu berücksichtigen (so bereits OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Januar 2006, 2 Ws 5/06, juris Rn. 8; Lüderssen/Jahn in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 142 Rn. 6 und 7). Dabei tritt das Kriterium der Ortsnähe im Bestellungsverfahren im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung grundsätzlich hinter dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigen zu seinem Verteidiger zurück (Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.). Nach diesen Kriterien hätte eine Bestellung von Frau pp. als Pflichtverteidigerin erfolgen können.“
Habe ich doch immer schon gesagt 🙂 .