Die Woche eröffne ich mit Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) und einem Beschluss des OLG Hamm. Im OLG Hamm, Beschl. v. 27.06.2017 – 4 RVs 75/17 – nimmt das OLG noch einmal zu den Konkurrenzen bei einer Unterbrechung der Fahrt ohne Fahrerlaubnis durch eine Polizeikontrolle Stellung. Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:
„Im Jahre 2015 war und noch immer ist die Angeklagte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis. Gleichwohl schaffte sie sich im September 2015 einen Pkw Corsa an. Dieser wurde auf den Namen ihres damaligen, mittlerweile verstorbenen Lebensgefährten T angemeldet. Den Unterhalt für das Auto zahlte die Angeklagte. Das Fahrzeug parkte zunächst regelmäßig auf einem Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung. Die Angeklagte war es auch, die den einzigen Schlüssel hatte. Wenn sie irgendwo hingebracht werden musste, kam ihr Vater, der Zeuge L3 und fuhr sie mit ihrem Fahrzeug. Der Zeuge wohnt etwa 5 km entfernt von der Angeklagten. Wenn er die Fahrt absolviert hatte, stellte er den Pkw auf den Parkplatz zurück. Die Angeklagte nahm den Schlüssel wieder mit in ihre Wohnung. So wurde das bis Anfang November 2015 gehandhabt. Ab diesem Zeitpunkt nahm der Zeuge L3 den Pkw Corsa mit nach Hause. Regelmäßig parkte das Fahrzeug nun vor seiner Wohnung. Wenn die Angeklagte gefahren werden musste, holte er sie von zu Hause ab.
Bevor das Auto ab Anfang November 2015 regelmäßig bei ihrem Vater stand, benutzte es die Angeklagte zumindest in einem Fall:
Am 28.10.2015 gegen 1.30 Uhr befuhr sie mit diesem Fahrzeug unter anderem die I- Straße in E2. Hier geriet sie in eine Polizeikontrolle, die von den Zeugen E, PK Q und L4 durchgeführt wurde. Die Zeugin E war damals Praktikantin und führte die Kontrolle unter der Aufsicht von PK Q durch. Der Zeuge L4 war der sichernde Beamte. Bei dieser Kontrolle stellte sich heraus, dass die Angeklagte keine Warnweste dabei hatte. Ihr war klar, dass sie ohne Fahrerlaubnis nicht mit dem Fahrzeug hätte fahren dürfen. Um nicht aufzufallen, zeigte sie bei der Kontrolle den Führerschein der Ehefrau ihres Bruders, der Zeugin L2, vor. Da es dunkel war und sich beide Frauen nicht völlig unähnlich sehen, fiel der Zeugin E nicht auf, dass ihr der auf eine andere Person ausgestellte Führerschein gezeigt wurde. Wie die Angeklagte in den Besitz des Führerscheins der Ehefrau ihres Bruders gelangt war, konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Die fehlende Warnweste wurde mit einem Verwarnungsgeld geahndet. Da es nicht an Ort und Stelle gezahlt werden konnte, nannte die Angeklagte als Anschrift diejenige der L2, deren Führerschein sie auch vorgezeigt hatte. An deren Adresse wurde die entsprechende Rechnung geschickt.“
Verurteilt wird wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und wegen Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe. Das OLG hat Bedenken:
„Ergänzend bemerkt der Senat, dass die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung nicht zweifelsfrei ist. Die vom Landgericht festgestellten Taten stehen möglicherweise tatsächlich in Tateinheit zueinander. Die Dauerstraftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis endet nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig erst mit Abschluss einer von vornherein für einen längeren Weg geplanten Fahrt und wird nicht durch kurze Unterbrechungen in selbständige Taten aufgespalten (BGH, Beschl. v. 07.11.2003 – 4 StR 438/03 – juris; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris; BGH, Beschl. v. 12.08.2015 – 4 StR 14/15 – juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird allerdings angenommen, wenn derjenige, der entgegen einer gesetzlichen Warteverpflichtung, wie sie sich auch § 142 StGB ergibt, weiterfährt und damit einen neuen Tatentschluss fasst (vgl.: BGH Urt. v. 17.02.1967 – 4 StR 461/66 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 08.08.2008 – 2 SsOWi 565/08 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.12.2008 – 4 Ss 466/08 – juris). Ebenfalls wird eine Ausnahme für den Fall angenommen, dass ein Kraftfahrer nach einer Polizeikontrolle und Untersagung der Weiterfahrt später seine Fahrt fortsetzt (so etwa: AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 – 186/09 – juris).
So liegt der Fall vorliegend möglichweise aber nicht. Die bisherigen Feststellungen deuten eher darauf hin, dass sich die Angeklagte das fremde Ausweispapier gerade deswegen beschafft hat, um im Falle einer Kontrolle ihre Fahrt unbehelligt fortsetzen zu können. In einem solchen Fall könnte mehr dafür sprechen, eine tateinheitliche Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. AG Lüdinghausen, Urt. v. 02.02.2010 – 9 Ds 82 Js 8979/09 – 186/09 – juris; LG Potsdam, Urt. v. 04.12.2008 – 27 Ns 116/08 – juris). Bei der Kontrolle wurde die Angeklagte auch nur wegen einer fehlenden Warnweste belangt, nicht aber wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Kommt man zu dem Ergebnis, dass die beiden Fahrten der Angeklagten vor und nach der Polizeikontrolle in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander stehen, gilt Folgendes: Das als Missbrauch von Ausweispapieren gewertete Geschehen steht dann zu diesen ebenfalls in Tateinheit aufgrund der gegebenen Klammerwirkung des ununterbrochenen Vergehens nach § 21 StVG. Dieses ist gegenüber dem Missbrauch von Ausweispapieren kein minderschweres Delikt, welches nicht geeignet wäre, die Delikte zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden (BGHSt 18, 66, 69; BGH, Beschl. v. 22.07.2009 – 5 StR 268/09 – juris).“