So, heute ist Feiertag, bundesweit. Daher gibt es nur zwei Postings, und zwar zunächst das BGH, Urt. v. 12.7.2017 – 1 StR 408/16. Das behandelt u.a. einen Klassiker, nämlich das Abweichen des Tatgerichts vom Ergebnis eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens. Das hatte im vom BGH entschiedenen Fall die Strafkammer in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs eingeholt. Dem Angeklagten waren sexueller Übergriffe gegenüber seiner Tochter, gegenüber seinen beiden Enkelinnen und gegenüber eine Freundin einer seiner Enkelinnen zur Last gelegt worden. U.a. war ein Glaubwürdigskeitsgutachten zu dieser Freundin eingeholt worden. Die Sachverständige hatte die Glaubwürdigkeit der Freundin in Abrede gestellt. Dem hatte sich die Strafkammer nicht angeschlossen. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg:
2. Soweit die Strafkammer von dem die Nebenklägerin J. be-treffenden aussagepsychologischen Sachverständigengutachten, das die Er-lebnisbezogenheit ihrer Angaben in Frage gestellt hatte, abgewichen ist, liegt darin kein Rechtsfehler.
a) Es kann dahin stehen, ob die Strafkammer überhaupt verpflichtet ge-wesen wäre, zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten J. auf die Hilfe einer aussagepsychologischen Sachverständi-gen zurückzugreifen; denn die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaus-sagen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts, wobei regelmäßig davon auszugehen ist, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist. Dies gilt bei jugendlichen Zeugen erst recht, wenn die Berufsrichter – wie vorliegend – Mitglieder der Jugendschutzkammer sind und über spezielle Sachkunde in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von jugendlichen Zeugen verfügen (BGH, Urtei-le vom 18. August 2009 – 1 StR 155/09 Rn. 7, NStZ 2010, 51, 52 und vom 26. April 2006 – 2 StR 445/05, NStZ-RR 2006, 241 mwN; Beschluss vom 8. Januar 2013 – 1 StR 602/12, NStZ 2013, 672).
Die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen ist lediglich dann geboten, wenn der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die eigene Sachkunde des Tatgerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den konkret gegebenen Umständen ausreicht (BGH, st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – 1 StR 602/12, NStZ 2013, 672; vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243 und vom 12. November 1993 – 2 StR 594/93, StV 1994, 173). Solche Besonderheiten sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder der Zeuge zur Zeit des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter war oder zum Zeitpunkt seiner Aussage ist.
b) Es ist einem Tatgericht auch nicht verwehrt, vom Gutachten eines Sachverständigen abzuweichen. Es muss dann aber die maßgeblichen Überlegungen des Sachverständigen wiedergeben und seine Gegenansicht unter Auseinandersetzung mit diesen begründen (BGH, Beschluss vom 29. Septem-ber 2016 – 2 StR 63/16 Rn. 6, NStZ-RR 2017, 88, 89, mwN; BGH, Urteil vom 1. April 2009 – 2 StR 601/08 Rn. 11, NStZ 2009, 571, 572).
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Die konkreten Erwägungen der Strafkammer, die sie der sachverständigen Einschätzung entgegensetzt, sind für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei.