Die 41.KW eröffne ich heute mit zwei Entscheidungen zum Eröffnungsbeschluss bzw. zum Eröffnungsverfahren, das passt ganz gut zum Wochenanfang 🙂 . Bei der ersten Entscheidung handelt es ich um den BGH, Beschl. v. 16.08.2017 – 2 StR 199/17. Er behandelt den Klassiker: Eröffnung des Verfahrens ohne Eröffnungsentscheidung? Dabei handelt es sich um ein Problem, mit dem sich die Revisionsgerichte immer wieder befassen müssen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall war wegen eines Tatvorwurfs vom 10.05.2016 von der Staatsanwaltschaft am 15.08.2016 Anklage zum LG Aachen erhoben worden. Am 30.08.2016 übersandte das AG Düren das dort noch im Zwischenverfahren anhängige Verfahren wegen eines Tatvorwurfs vom 15.02.2016 an das LG Aachen zur „Prüfung einer Übernahmebereitschaft“. Am 16.09.2016 beschloss das LG Aachen, die Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen vom 15.08.2016 betreffend die Tat vom 10.05.2016 zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten vor der 2. großen Strafkammer des LG zu eröffnen. Ferner beschloss es, die Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen durchzuführen sowie den Haftbefehl in Verbindung mit dem Haftverschonungsbeschluss gegen den Angeklagten wegen der Tat vom 10.05.2016 aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus verband es das vom AG Düren übersandte Verfahren wegen der Tat vom 15.02.2016 zu dem bei ihm geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die dem Verfahren beim AG Düren zugrunde liegende Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Aachen vom 06.04.2016 findet in dem Eröffnungsbeschluss der Strafkammer keine Erwähnung. Insoweit ist auch später keine Eröffnungsentscheidung ergangen.
Der BGH sagt dazu:
„2. Damit fehlt es hinsichtlich der Tat vom 15. Februar 2016 an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss. Die Eröffnungsentscheidung der Strafkammer vom 16. September 2016 bezog sich ausdrücklich nur auf die Anklage zur Tat vom 10. Mai 2016. Der von der Strafkammer gleichzeitig beschlossenen Übernahme und Hinzuverbindung des noch im Zwischenverfahren befindlichen amtsgerichtlichen Verfahrens kann nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden.
Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar auch eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (BGH, Beschluss vom 4. August 2016 – 4 StR 230/16, NStZ 2016, 747; Senat, Beschluss vom 17. Dezember 1999 – 2 StR 376/99, NStZ 2000, 442, 443 mwN). Dennoch bedarf es im Hinblick auf die Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es erforderlich, dass die Urkunde aus sich heraus und in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15, StV 2015, 740; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Die von der Strafkammer mit demselben Beschluss herbeigeführte Verbindung des amtsgerichtlichen Verfahrens wegen des Tatvorwurfs vom 15. Februar 2016 hat nicht die Wirkung eines Beschlusses über die Zulassung der in dem übernommenen Verfahren erhobenen Anklage und über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Denn dem Verbindungsbeschluss ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass das Landgericht hinsichtlich der übernommenen Anklage die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und angenommen hat (vgl. zur ähnlichen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 9. Januar 1987 – 3 StR 601/86, NStZ 1987, 239; Beschluss vom 11. Januar 2011 – 3 StR 484/10, NStZ-RR 2011, 150; BayObLG, Urteil vom 5. August 1997 – 2 St RR 154/97, NStZ-RR 1998, 109).
Die Entscheidung der Strafkammer über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls in dem bei ihr angeklagten Verfahren vermag den fehlenden Eröffnungsbeschluss ebenfalls nicht zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 1998 – 4 StR 606/97, NStZ-RR 1999, 14, 15), da die Aufrechterhaltung des Haftbefehls lediglich den Tatvorwurf vom 10. Mai 2016 betrifft.
Eine Eröffnung des Hauptverfahrens ergibt sich auch nicht daraus, dass in der Hauptverhandlung vom 16. Januar 2017 beide Anklageschriften unbeanstandet verlesen und der Vorsitzende auch hinsichtlich der Anklageschrift vom 6. April 2016, betreffend den Tatvorwurf vom 15. Februar 2016, irrtümlich festgestellt hat, dass diese durch Beschluss der Strafkammer vom 16. September 2016 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor der 2. Strafkammer eröffnet worden sowie eine Verbindung zu dem zuvor beim Landgericht geführten Verfahren erfolgt sei. Die Dokumentation einer grundsätzlich möglichen Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung scheitert hier bereits daran, dass die Strafkammer lediglich mit zwei Berufsrichtern verhandelte. Eine Eröffnungsentscheidung ist indes durch die Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung, also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen, zu treffen (BGH, Beschluss vom 29. September 2011 – 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226, Urteil vom 25. Februar 2010 – 4 StR 596/09, juris, Rn. 12).E
Ich kann dem (Revisions)Verteidiger nur empfehlen, die Frage eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses in seine „Checkliste“ aufzunehmen. Das Vorliegen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses ist zwar eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung. Man sollte die Frage als Verteidiger aber dennoch prüfen und ggf. auch rügen. Dann wird das bei Fehlen einer Eröffnungsentscheidung nicht behebbare Verfahrenshindernis nicht „übersehen“.