Ich habe hier ja schon häufiger über „ACAB“-Entscheidungen berichtet, die sich mit der Frage befassen: Ist das Tragen eines T-Shirts oder eines anderen Gegenstandes mit dieser Aufschrift als Beleidigung strafbar ja oder nein? Zu der Problematik gibt es jetzt eine neue BVerfG-Entscheidung, nämlich den BVerfG, Beschl. v. 13.06.2017 – 1 BvR 2832/15.
Ausgangspunkt waren folgende Feststellungen des AG Erfurt:
„Nach den Feststellungen des Amtsgerichts trug der Beschwerdeführer bei einer Gegendemonstration gegen den Landtagswahlkampf einer Partei einen rosafarbenen, ca. 40 x 40 cm großen Stoffbeutel über der Schulter, der im oberen Bereich mit dem Aufdruck A.C.A.B. versehen war. Im mittleren Bereich war ein Kätzchen abgedruckt, unter dem in gleicher Größe wie das Akronym A.C.A.B. der Schriftzug „All CATS are BEAUTIFUL“ prangte. Der Einsatzleiter der Polizei forderte den Beschwerdeführer auf, den Beutel nicht weiter offen zu tragen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach und trug den Beutel „nunmehr ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den die Demonstration abschirmenden Einsatzkräften der Polizei.“
Das AG hat zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt, das LG Erfurt hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidungen hatte keinen Erfolg.
„Die fachgerichtlichen Entscheidungen begegnen im Ergebnis keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Aufdruck A.C.A.B. für die englische Parole „all cops are bastards“ steht. Das Amtsgericht hat sich hinreichend mit weiteren Deutungsmöglichkeiten, auch im Zusammenhang mit dem abgebildeten Kätzchen und dem Schriftzug „All cats are beautiful “ auseinandergesetzt. Es handelt sich bei der Parole um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Sie ist nicht offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 17. Mai 2016 – 1 BvR 257/14 -, juris, Rn. 12; – 1 BvR 2150/14 – , NJW 2016, S. 2643).
Die Schlussfolgerung, dass das „nachgerade paradierende“ Zur-Schau-Stellen des bedruckten Stoffbeutels eine hinreichende Konkretisierung der angesprochenen Personengruppe enthält, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar reicht die alleinige Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Versammlung in der Erwartung, dass dort auch Polizeibeamte anwesend sein dürften, ebenso wenig aus wie die Weigerung, den Beutel auf Aufforderung durch den Einsatzleiter wegzustecken. Denn es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>). Es genügt daher nicht, dass die bei der Gegendemonstration anwesenden Einsatzkräfte der Polizei eine Teilgruppe aller Polizistinnen und Polizisten sind. Ebenso wenig kann ein Mitglied des Kollektivs die Individualisierung dadurch herbeiführen, dass der Äußernde zur Unterlassung aufgefordert wird.
Vorliegend folgt die erforderliche personalisierte Zuordnung jedoch aus dem vom Amtsgericht festgestellten Verhalten des Beschwerdeführers, der den Beutel „ostentativ“ und „nachgerade paradierend“ vor den Polizeibeamten zur Schau stellte. Daraus ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer bewusst in die Nähe der Polizeibeamten begeben und sich auf sie individualisiert bezogen hat, was für eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB ausreicht. Die Verfassungsmäßigkeit der Feststellungen des Amtsgerichts zum Sachverhalt wurden mit der Verfassungsbeschwerde nicht gesondert angegriffen und werden daher hier zu Grunde gelegt. Zu Recht hat die sodann vom Amtsgericht im Rahmen des § 185 StGB durchgeführte Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Betroffenen wegen des geringen Aussagegehalts und der erheblichen Ehrverletzung zu einem Überwiegen der Belange des Persönlichkeitsrechts geführt.“
Also: Mit „All Cats are beautiful“ kommt man nicht weiter 🙂 . Und eine Parade darf man mit den entsprechenden Gegenständen auch nicht machen. Nach dem Beschluss des BVerfG dürfte übrigens klar sein, was demnächst in den polizeilichen Anzeigen stehen wird…..
Also falls Sie damit meinen, dass Polizeibeamte künftig Sachverhalte in den Anzeigen zurechtbiegen werden (was ich schon für eine recht mutige Unterstellung halte…): das hätten sie schon seit 1 BvR 1036/14 tun können, da steht schon drin, dass man sich vorsätzlich in eine Konfrontation einer kleinen Gruppe Beamter mit der ACAB-Aufschrift begeben muss.
Hier steht aber m.E. noch mehr…..
Und woher kommen die Klagen, dass die Sachverhalte nicht stimmen?
Wenn Polizisten in eigener Sache aussagen, ist das ohnehin fragwürdig. Aber das ist der Zeugenbeweis an sich schon.
Warum ist das fragwürdig? Da unterscheidet sich der Polizist doch nicht von anderen Zeugen…