Heute möchte ich dann drei Entscheidungen vorstellen, die sich mit Haftfragen befassen. Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 30.03.2017 – AK 18/17.
Ergangen ist der Beschluss in einerm Verfahren wegen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a. Es geht um die Anordnunng der Fortdauer der Untersuchungshaft. Der BGH bejaht den dringender Tatverdacht der Beteiligung des AAngeklagten als Mitglied an der Organisation „Jabhat al-Nusra“. So weit, so gut.
Und er macht (natürlich) Ausführungen zur Fluchtgefahr, die er dann wie folgt begründet:
2. Beim Angeklagten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
Der Angeklagte hat für den Fall seiner Verurteilung mit einer empfindli-chen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände gegenüber. Der Angeklagte hat im Inland keine gefestigten sozialen Bindungen, außer zu seinem ebenfalls hier lebenden Bruder. Der kurz nach seiner Einreise im September 2015 ge-stellte Asylantrag des Angeklagten wurde abgelehnt. Das Regierungspräsidium Stuttgart beabsichtigt seine Ausweisung, die derzeit – noch – daran scheitert, dass die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart ihr Einvernehmen verweigert hat, um die Durchführung des Strafverfahrens zu ermöglichen.Hinzu kommt mittlerweile, dass der Angeklagte seit Mitte Januar 2017 zunächst die Nahrungs- und dann auch die Flüssigkeitsaufnahme mit dem erklärten Ziel verweigert, aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, wodurch er sich dem weiteren Strafverfahren im Sinne von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO entzieht. Mit der ab dem 16. März 2017 geplanten Hauptverhandlung hat nicht begonnen werden können, weil sich der Angeklagte in einen Zustand der Verhandlungs- und Vernehmungsunfähigkeit versetzt hat. Das zu prognostizie-rende Sich-Entziehen gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO kann auch darin begründet sein, dass sich der Beschuldigte, etwa durch einen sog. Hungerstreik, be-wusst in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 22. Februar 2011 – 4 Ws 54/11, juris Rn. 7; vom 7. April 2015– 5 Ws 114/15, 5 Ws 115/15, juris Rn. 17; BeckOK StPO/Krauß, § 112 Rn. 12).
Daneben liegt weiterhin, auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112Rn. 37 mwN), der Haftgrund der Schwerkriminalität vor.
Der Einwand des Verteidigers mit Schriftsatz vom 21. März 2017, dass möglichweise eine psychische Erkrankung des Angeklagten schon anfänglichGrund für den Hungerstreik gewesen sei, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung der Haftgründe. Zum einen ist dem bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu folgen. Aus den diversen ärztlichen Stellungnahmen und Kurzgutachtenergibt sich hierfür kein hinreichender Anhalt; vielmehr geht der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. E. bis zuletzt davon aus, dass der Angeklagte denEntschluss zum Hungerstreik eigenverantwortlich getroffen hat, nur derzeit auf
Grund einer pathologischen organisch-psychischen Störung nicht mehr imstande ist, zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme einen freien Willen zu bilden.Zum anderen verfängt der Einwand des Verteidigers auch in rechtlicher Hinsicht nicht; denn die Umstände, aus denen sich die Fluchtgefahr ergibt, müssen nicht verschuldet sein (Meyer-Goßner/Schmitt aaO, Rn. 17).Für eine – bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche – Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116StPO) fehlt es an der erforderlichen Vertrauensgrundlage in der Person des Angeklagten.“
Also: Wer hungert, will fliehen.
Nicht dass ich notwendigerweise was gegen das Ergebnis habe – aber die Begründung erscheint unlogisch: Wenn ich mich der Verhandlung offensichtlich auch in der U-Haft durch einen Hungerstreik entziehen kann, dann ist es doch ebenso offensichtlich, dass eine U-Haft eben kein geeignetes Mittel ist, um eine Verhandlzngsverzögerung durch Hungerstreik zu verhindern.