Die einem Verteidiger erteilte Vollmacht beinhaltet nicht automatisch auch eine Ladungsvollmacht. Das folgt aus § 145a Abs. 2 StPO. Wenn der Mandant zu Händen seines Verteidigers wirksam – mit allen ggf. nachteiligen Folgen – geladen werden soll, muss dem Verteidiger Ladungsvollmacht erteilt sein. Dass das auch für den Pflichtverteidiger gilt, wird in der Praxis häufig übersehen. So auch von einer Strafkammer des LG Essen, die die Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, dabei aber übersehen hat, dass der Angeklagte eben nicht ordnungsgemäß geladen worden war. Das führte dann zur Aufhebung durch das OLG im OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2017 – 5 RVs 22/17:
„Die den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügende Verfahrensrüge, der Angeklagte sei zur Berufungshauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden, greift durch.
Die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO setzt u.a. eine ordnungsgemäße Ladung des Angeklagten voraus, an der es vorliegend fehlt. Ordnungsgemäß ist die Ladung nur dann, wenn sie entweder dem Angeklagten in der durch §§ 216, 323 Abs. 1 Satz 1 vorgeschriebenen Form oder dessen Verteidiger zugestellt wird, soweit dieser die besondere Ladungsvollmacht gemäß § 145a Abs. 2 StPO hat. Diese besondere Vollmacht zur Entgegennahme von Ladungen muss auch – wie vorliegend – dem Pflichtverteidiger erteilt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 145a Rz. 12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. August 2011, StraFo 2011, 509). Über eine solche besondere Ladungsvollmacht verfügte der Verteidiger des Angeklagten, an den die Ladung zur Hauptverhandlung für den Angeklagten zugestellt worden ist, nicht. Der in dem Haftprüfungstermin vor dem Amtsgericht Essen am 1. Juli 2016 in das Protokoll aufgenommene Vermerk „Es wird darauf hingewiesen, dass für eine Haftverschonung die Anwälte als Zustellungsbevollmächtigte benannt werden“, ist keine besondere Ladungsvollmacht im Sinne von § 145a Abs. 2 StPO. So ist schon unklar, welche Anwälte als Zustellungsbevollmächtigte benannt worden sein sollen. Auch ergibt sich nicht eindeutig, ob es sich um eine eigene Willenserklärung des Angeklagten oder um einen Hinweis durch den Haftrichter gehandelt hat. Selbst wenn der „Hinweis“ auch eine Zustellungsvollmacht für Ladungen beinhalten sollte, so sollte dies nach der Formulierung offensichtlich nur „für die Haftverschonung“ gelten. Damit könnte es sich um eine an § 116a Abs. 3 StPO angelehnte Auflage gehandelt haben. Eine wirksame rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Empfangnahme von Ladungen im Sinne des § 145a Abs. 2 StPO beinhaltet der Hinweis jedenfalls nicht.“