Schon etwas länger „schlummert“ der OLG Naumburg, Beschl. v. 07.06.2016 – 2 Rv 45/16 – in meinem Blogordner. In ihm hat das OLG zum „Abfallbegriff“ i.S. des § 326 StGB Stellung genommen, also eine Problematik, mit der man nicht unbedingt jeden Tag zu tun hat.
Es geht um einen Angeklagten, der zwei ältere Fahrzeuge restaurieren wollte. Es handelte sich um zwei Saab 9000 CS mit einer Erstzulassung jeweils aus dem Jahr 1993. Die hatte der Angeklagte auf einen Lagerplatz transportieren lassen, um sie dort zu restaurieren. Das eine Fahrzeug war am 06. 04.1993 erstmals zugelassen worden. Seit dem 06.05.2011 war das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt. Der Angeklagte hatte es am 18.02.2014 auf der asphaltierten Einfahrt des Lagerplatzes unmittelbar zu einer angrenzenden Rasenfläche abgestellt. Der Wagen hatte Motoröl und Bremsflüssigkeit in maximaler Befüllung. Er war mit Moos und Schimmel befallen und zeigte Durchrostungserscheinungen. Das Fahrzeug war seit dem 25. Juli 2011 außer Betrieb. Diesen Pkw stellte der Angeklagte bis zum 18.02.2014 auf einem 2,50 m breiten ehemaligen Gleisbett mit einer Schottertiefe von 60 cm ab. Im Motor waren noch 4 l Motoröl, 2,1 l Getriebeöl, 0,2 l Bremsflüssigkeit und 8 l Kühlflüssigkeit vorhanden. Die Rückleuchte rechts war innen gebrochen, die Frontscheibe verkratzt, der Innenraum verschimmelt und feucht. Das Dach, die Motorhaube, die Heckklappe und die Tür hinten links wiesen Kratzer auf, der Scheinwerfer rechts war feucht, die Blinkleuchte links gebrochen. Die Bremse war festgerostet, die Seitenwand rechts ebenfalls im unteren Bereich angerostet und die Reifen des Fahrzeuges waren porös. Abfall i.S.v. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB eingestuft, dass die Kosten für eine mögliche Instandsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs überstiegen. Hinsichtlich des Saab 9000 CS 2.0 Fahrzeugs hat es die Abfalleigenschaft aus dessen Zustand und dem Umstand gefolgert, dass es nur mit größtem Aufwand zulassungsfähig hätte gemacht werden können. Die Gefahr für die Umwelt hat das Landgericht darin gesehen, dass der Angeklagte die Fahrzeuge ohne Sicherungsmaßnahmen abgestellt hatte, sodass immer die Möglichkeit bestanden habe, dass die Aggregatsflüssigkeiten ausliefen.
Das LG ist von Abfall i.S.d. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB ausgegangen. Das OLG sagt: Nach den Feststellungen des LG „wollte der Angeklagte die Fahrzeuge restaurieren, so dass sie in Ermangelung eines Entledigungswillens keinen subjektiven Abfall darstellten. Sie waren auch kein Zwangsabfall im Sinne des § 326 StGB“:
„Inwieweit Autowracks dem Begriff des Abfalls i.S.d. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB unterfallen, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (vgl. einerseits OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. November 1989, Az.: 2 Ss 61/89; OLG Braunschweig, Urteil vom 06. Dezember 1993, Az.: Ss 71/93; OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, Az.: 3 Ss 8/97, – juris; andererseits BayObLG, Beschluss vom 09. März 1995, Az.: 3 ObOwi 19/95, – juris; OLG Celle, Beschluss vom 02. November 1995, Az.: 3 Ss 144/95, – juris). Vorauszusetzen ist jedenfalls wie bei jeder Form von Zwangsabfall, dass die Fahrzeuge ohne Gebrauchswert sind und der Umgang mit ihnen umweltgefährdend ist.
Gemessen an diesen Anforderungen stellen die Saab – Fahrzeuge keinen Abfall dar. Beide waren noch als Ganzes erhalten und sollten repariert werden. Damit ist ihr ursprünglicher Verwendungszweck subjektiv nicht entfallen. Er ist aber auch nicht objektiv dadurch entfallen, dass die Fahrzeuge in ihrem Zustand zum Feststellungszeitpunkt nicht fahrbereit waren und nicht alsbald mit wirtschaftlich vernünftigem Aufwand wieder ihrem ursprünglichen Verwendungszweck zugeführt werden konnten (so BayObLG, Beschluss vom 09. März 1995, Az.: 3 ObOwi 19/95, – juris). Denn allein aus dem Umstand, dass der wirtschaftliche Aufwand zur vollständigen Wiederherstellung des Saab 9000 CS 2.3 dessen Wiederbeschaffungswert überschreitet, kann bei sogenannten Oldtimerfahrzeugen ein fehlender Gebrauchswert entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht gefolgert werden. Bei solchen Fahrzeugen muss der Gedanke der Wirtschaftlichkeit der Wiederherstellung prinzipiell in den Hintergrund treten, weil deren Wirtschaftswert unabhängig vom tatsächlichen Gebrauchswert ist und in der Regel ein Vielfaches des Nutzwertes des Fahrzeugs ausmacht (OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, aaO). Die Einstufung als Oldtimer hängt auch nicht davon ab, ob die Restaurierung des Fahrzeugs kurzfristig möglich bzw. beabsichtigt ist oder nicht (OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, aaO).
Darüber hinaus stellten beide Fahrzeuge – entsprechend der dogmatischen Einordnung des § 326 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 02. März 1994, Az.: 2 StR 604/93, – juris) -, nach den Feststellungen des Landgerichts keine real bestehende, nicht nur theoretische Gefahr für die Umwelt in dem Sinne dar, dass das unkontrollierte Austreten der darin enthaltenen Betriebsflüssigkeiten und deren Eignung, nachhaltig ein Gewässer oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachhaltig zu verändern zu befürchten war….“
Wenn der Wagen nach der Restauration aussieht wie der auf dem Bild, kommt niemand mehr auf die Idee, dass es sich um „Abfall“ handelt 🙂 .