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Die zu Restauration bestimmten Odltimer, oder: Nicht alles, was alt ist, ist „Abfall“

entnommen wikimedia.org
Buch-t – Eigenes Werk

Schon etwas länger „schlummert“ der OLG Naumburg, Beschl. v. 07.06.2016 – 2 Rv 45/16 – in meinem Blogordner. In ihm hat das OLG zum „Abfallbegriff“ i.S. des § 326 StGB Stellung genommen, also eine Problematik, mit der man nicht unbedingt jeden Tag zu tun hat.

Es geht um einen Angeklagten, der zwei ältere Fahrzeuge restaurieren wollte. Es handelte sich um zwei Saab 9000 CS mit einer Erstzulassung jeweils aus dem Jahr 1993. Die hatte der Angeklagte auf einen Lagerplatz transportieren lassen, um sie dort zu restaurieren. Das eine Fahrzeug war am 06. 04.1993 erstmals zugelassen worden. Seit dem 06.05.2011 war das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt. Der Angeklagte hatte es am 18.02.2014 auf der asphaltierten Einfahrt des Lagerplatzes unmittelbar zu einer angrenzenden Rasenfläche abgestellt. Der Wagen hatte Motoröl und Bremsflüssigkeit in maximaler Befüllung. Er war mit Moos und Schimmel befallen und zeigte Durchrostungserscheinungen. Das Fahrzeug war seit dem 25. Juli 2011 außer Betrieb. Diesen Pkw  stellte der Angeklagte bis zum 18.02.2014 auf einem 2,50 m breiten ehemaligen Gleisbett mit einer Schottertiefe von 60 cm ab. Im Motor waren noch 4 l Motoröl, 2,1 l Getriebeöl, 0,2 l Bremsflüssigkeit und 8 l Kühlflüssigkeit vorhanden. Die Rückleuchte rechts war innen gebrochen, die Frontscheibe verkratzt, der Innenraum verschimmelt und feucht. Das Dach, die Motorhaube, die Heckklappe und die Tür hinten links wiesen Kratzer auf, der Scheinwerfer rechts war feucht, die Blinkleuchte links gebrochen. Die Bremse war festgerostet, die Seitenwand rechts ebenfalls im unteren Bereich angerostet und die Reifen des Fahrzeuges waren porös. Abfall i.S.v. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB eingestuft, dass die Kosten für eine mögliche Instandsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs überstiegen. Hinsichtlich des Saab 9000 CS 2.0 Fahrzeugs hat es die Abfalleigenschaft aus dessen Zustand und dem Umstand gefolgert, dass es nur mit größtem Aufwand zulassungsfähig hätte gemacht werden können. Die Gefahr für die Umwelt hat das Landgericht darin gesehen, dass der Angeklagte die Fahrzeuge ohne Sicherungsmaßnahmen abgestellt hatte, sodass immer die Möglichkeit bestanden habe, dass die Aggregatsflüssigkeiten ausliefen.

Das LG ist von Abfall i.S.d. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB ausgegangen. Das OLG sagt: Nach den Feststellungen des LG „wollte der Angeklagte die Fahrzeuge restaurieren, so dass sie in Ermangelung eines Entledigungswillens keinen subjektiven Abfall darstellten. Sie waren auch kein Zwangsabfall im Sinne des § 326 StGB“:

„Inwieweit Autowracks dem Begriff des Abfalls i.S.d. § 326 Abs. 1 Nr. 4 a StGB unterfallen, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (vgl. einerseits OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03. November 1989, Az.: 2 Ss 61/89; OLG Braunschweig, Urteil vom 06. Dezember 1993, Az.: Ss 71/93; OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, Az.: 3 Ss 8/97, – juris; andererseits BayObLG, Beschluss vom 09. März 1995, Az.: 3 ObOwi 19/95, – juris; OLG Celle, Beschluss vom 02. November 1995, Az.: 3 Ss 144/95, – juris). Vorauszusetzen ist jedenfalls wie bei jeder Form von Zwangsabfall, dass die Fahrzeuge ohne Gebrauchswert sind und der Umgang mit ihnen umweltgefährdend ist.

Gemessen an diesen Anforderungen stellen die Saab – Fahrzeuge keinen Abfall dar. Beide waren noch als Ganzes erhalten und sollten repariert werden. Damit ist ihr ursprünglicher Verwendungszweck subjektiv nicht entfallen. Er ist aber auch nicht objektiv dadurch entfallen, dass die Fahrzeuge in ihrem Zustand zum Feststellungszeitpunkt nicht fahrbereit waren und nicht alsbald mit wirtschaftlich vernünftigem Aufwand wieder ihrem ursprünglichen Verwendungszweck zugeführt werden konnten (so BayObLG, Beschluss vom 09. März 1995, Az.: 3 ObOwi 19/95, – juris). Denn allein aus dem Umstand, dass der wirtschaftliche Aufwand zur vollständigen Wiederherstellung des Saab 9000 CS 2.3 dessen Wiederbeschaffungswert überschreitet, kann bei sogenannten Oldtimerfahrzeugen ein fehlender Gebrauchswert entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht gefolgert werden. Bei solchen Fahrzeugen muss der Gedanke der Wirtschaftlichkeit der Wiederherstellung prinzipiell in den Hintergrund treten, weil deren Wirtschaftswert unabhängig vom tatsächlichen Gebrauchswert ist und in der Regel ein Vielfaches des Nutzwertes des Fahrzeugs ausmacht (OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, aaO). Die Einstufung als Oldtimer hängt auch nicht davon ab, ob die Restaurierung des Fahrzeugs kurzfristig möglich bzw. beabsichtigt ist oder nicht (OLG Celle, Beschluss vom 24. Januar 1997, aaO).

Darüber hinaus stellten beide Fahrzeuge – entsprechend der dogmatischen Einordnung des § 326 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 02. März 1994, Az.: 2 StR 604/93, – juris) -, nach den Feststellungen des Landgerichts keine real bestehende, nicht nur theoretische Gefahr für die Umwelt in dem Sinne dar, dass das unkontrollierte Austreten der darin enthaltenen Betriebsflüssigkeiten und deren Eignung, nachhaltig ein Gewässer oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachhaltig zu verändern zu befürchten war….“

Wenn der Wagen nach der Restauration aussieht wie der auf dem Bild, kommt niemand mehr auf die Idee, dass es sich um „Abfall“ handelt 🙂 .

Die Beschaffenheitsvereinbarung beim Oldtimer-Kauf

© psdesign1 - Fotolia.com

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Nun, so ganz viele Verfahren, in denen es um Oldtimer-Verkäufe geht, wird es in der anwaltlichen Praxis nicht geben. Aber dennoch ist das OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.11.2014 – 9 U 234/12 – mal von Interesse, oder? Der Kläger hatte einen Oldtimer Modell „Jaguar XK 150 S Roadster“, der vom Hersteller im Jahr 1958 ursprünglich mit einem 3,4-l-Motor ausgestattet worden war, welcher etwa 250 PS leistete. Im gekauften Fahrzeug war dieser Motor später durch einen 3,8-l-Motor ersetzt worden, der etwa 265 PS leistete. Und darum ging es. Das OLG sagt in seinen Leitsätzen:

  1. Ob und inwieweit sich aus der Modellbezeichnung eines Oldtimers im Kaufvertrag (hier: „Jaguar XK 150 S Roadster“) eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinsichtlich des technischen Zustands oder hinsichtlich des Vorhandenseins bestimmter historischer Fahrzeugteile ergibt, richtet sich nach den üblichen Erwartungen von Kaufinteressenten auf dem Oldtimermarkt.
  2. Bei einem restaurierten Oldtimer ist das Vorhandensein des Originalmotors – wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist – in der Regel keine Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist, und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB).
  3. Soweit die Originalität der Fahrzeugteile eines Oldtimers nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung ist, besteht keine Pflicht des Verkäufers, den Käufer vor Abschluss des Vertrages – ungefragt – über nachträgliche technische Veränderungen an dem Fahrzeug aufzuklären.

Und dazu dann im Urteil u.a.:

„Ein Mangel ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nichts daraus, dass der – nach dem Gutachten des Sachverständigen im Jahr 1962 gebaute – 3,8-Liter-S-Motor nicht mit dem Original-Motor aus dem Jahr 1958 (3,4-Liter-S-Motor) identisch ist. Denn das Vorhandensein des Originalmotors ist bei einem Oldtimer, wenn insoweit nichts ausdrückliches vereinbart ist, in der Regel keine Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist, und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BGB).

aa) Für den Wert eines Oldtimers und für die persönliche Wertschätzung, die ein solches Fahrzeug in Sammlerkreisen erfährt, ist die Frage, inwieweit das Fahrzeug sich noch im Originalzustand befindet, oder inwieweit es nachträglich verändert wurde, oft von erheblicher Bedeutung. Es ist daher davon auszugehen, dass viele Sammler von Oldtimern sich vor einem Kauf dafür interessieren, inwieweit das Fahrzeug noch mit Originalteilen ausgestattet ist, und ob beispielsweise irgendwann später ein anderer Motor eingebaut wurde (vgl. dazu beispielsweise die Fälle bei BGH, NZV 1995, 222 und BGH, NJW 2013, 2749; vgl. zur Bedeutung des Originalzustandes bei Oldtimern auch den Artikel „Oldtimer“ auf Wikipedia, Stand 29.10.2013, dort insbesondere die Abschnitte „Klassifizierung nach Zustand“ und „FIVA-Fahrzeugpass“). Es ist davon auszugehen, dass der Marktwert eines Oldtimers zumindest oft von der Frage beeinflusst wird, in welchem Umfang das Fahrzeug mit dem Originalzustand übereinstimmt. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige – unter Berücksichtigung seiner Erfahrungen auf dem Oldtimer-Markt – den Minderwert des Fahrzeugs durch den späteren Einbau eines anderen Motors auf 10.000,- Euro geschätzt.

bb) Aus diesem Umstand allein lässt sich jedoch nichts dafür herleiten, ob und inwieweit ein Käufer ohne zusätzliche Vereinbarungen allein aus dem Begriff „Oldtimer“ Schlüsse ziehen darf, in welchem Umfang der Originalzustand erhalten ist. Hierfür kommt es vielmehr darauf an, welche Verhältnisse auf dem Oldtimermarkt üblich sind. Dabei ist davon auszugehen, dass der Begriff „Oldtimer“ im Hinblick auf den Zustand des betreffenden älteren Fahrzeugs unscharf gebraucht wird. Es gibt keine Regel, dass ein Oldtimer üblicherweise in bestimmtem Umfang nur aus Originalteilen bestehen dürfte. Vielmehr zeigt die Praxis, dass Oldtimer sehr oft in mehr oder weniger großem Umfang technische Veränderungen gegenüber dem Originalzustand aufweisen. Das kann technische Gründe haben (wenn Originalteile nicht mehr zu beschaffen sind), wirtschaftliche Gründe (wenn eine Beschaffung von Originalersatzteilen deutlich teurer wäre) oder es kann um technische Verbesserungen gehen, wenn beispielsweise der Fahrkomfort oder die Leistung gegenüber dem Originalzustand verbessert werden soll (vgl. hierzu den Artikel „Oldtimer“ auf Wikipedia a. a. O.). Das bedeutet, dass ein Käufer beim Erwerb eines „Oldtimers“ oder eines „Original-Oldtimers“ generell nicht ohne Weiteres erwarten kann, dass das Fahrzeug mit dem Originalzustand zum Zeitpunkt der Herstellung übereinstimmt. Das gilt nach den Ausführungen des Sachverständigen vor allem dann, wenn ein Kaufinteressent – wie vorliegend – weiß, dass ein Oldtimer restauriert worden ist. Denn bei einer Restaurierung werden aus den oben angegebenen Gründen sehr oft in unterschiedlichem Umfang Teile verwendet, die nicht mit den Original-Teilen identisch sind. Daher nehmen Reinking/Knoop in ihrem (auch vom Kläger zitierten) Aufsatz zur üblichen Beschaffenheit eines Oldtimers (DAR 2008, 683 ff.) eine Beschaffenheitsvereinbarung zur Originalität des Fahrzeuges nur dann an, wenn die Originalität durch bestimmte Unterlagen, wie zum Beispiel einen sogenannten Fahrzeugpass bei Abschluss des Kaufvertrages dokumentiert wird.

Aus diesen Umständen ergibt sich, dass ein Käufer, der Wert auf den Originalzustand eines Oldtimers legt, im Kaufvertrag für eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB sorgen muss. Beim Verkauf von Oldtimern ist es teilweise üblich, dass die Originalität bestimmter Bauteile wie z. B. des Motors durch sogenannte „Matching Numbers“ beschrieben wird (vgl. die Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin). Auf eine solche Beschaffenheitsvereinbarung hat der Kläger, der nach eigener Darstellung große Erfahrung im Umgang mit Oldtimern hat, verzichtet. Da der schriftliche Kaufvertrag keine solche Bestätigung der Originalität des Motors enthält, ist der nachträgliche Einbau eines anderen Motors – bei dem es sich ebenfalls um einen S-Motor handelt – kein Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BGB.“